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Brand im Wiener PAZ: Schubhäftlinge verurteilt

Sechs Häftlinge sollen im September 2018 ihre zelle im Wiener PAZ angezündet haben.
Sechs Häftlinge sollen im September 2018 ihre zelle im Wiener PAZ angezündet haben. ©APA/LPD WIEN/LPD WIEN
Am Freitag ist ein Prozess gegen sechs Schubhäftlinge fortgesetzt worden. Sie sollen im September ihre Zelle im PAZ angezündet haben. Sie wurden aber nicht - wie angeklagt - wegen versuchter Brandstiftung, sondern wegen schwerer Sachbeschädigung, fahrlässiger Gemeingefährdung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.
Brandstiftung im Wiener PAZ
Bilder vom Tatort
Zweifel an Suizidversuch
Alle Insassen haben Brand gelegt?
Vier Häftlinge aus KH entlassen
Schubhäftlinge weiter in Haft
U-Haft über Häftlinge verhängt
Anklage gegen sechs Häftlinge
Anklage wegen versuchten Mordes
Prozessauftakt mit Teilgeständnissen

Am Wiener Landesgericht ist am Freitag der Prozess gegen sechs Schubhäftlinge fortgesetzt worden, die laut Anklage am 14. September 2018 ihre Zelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel angezündet hatten. Staatsanwalt Wolfram Bauer wirft den Männern – fünf Afghanen und ein Iraner im Alter zwischen 21 und 34 Jahren – Brandstiftung vor.

Prozess fortgesetzt: Treibende Kräfte vernommen

Nachdem beim Prozessauftakt am vergangenen Freitag vier Angeklagte vernommen wurden, kamen nun jene beiden zu Wort, die aus Sicht der Staatsanwaltschaft die treibenden Kräfte waren. Ein 21-jähriger Afghane soll die Idee zum gemeinschaftlichen Anzünden der Sechs-Mann-Zelle gehabt haben, ein 30 Jahre alter Iraner – in Deutschland zwei Mal wegen Schlepperei verurteilt und daher mit Hafterfahrung versehen – soll ihn darin bestärkt haben, weil er davon ausging, dass die Schubhäftlinge damit ihrer Abschiebung entgehen könnten.

Der 21-Jährige versicherte allerdings dem Schöffensenat (Vorsitz: Alexandra Skradla), er sei damals unter dem Einfluss von Medikamenten gestanden und habe zunächst gar nichts mitbekommen. Plötzlich habe man ihn gezwungen, einen Abschiedsbrief mitzuverfassen. Dann hätten zwei Mitgefangene einen Kasten vor die Zellentür geschoben, die Fenster geschlossen und ihre Betten angezündet: “Sie hatten geplant, Feuer zu legen. Ich wusste nicht, was da passiert.” Der Aufforderung, ebenfalls sein Bettzeug zu verbrennen, sei er nicht nachgekommen: “Ich habe sofort den Alarmknopf gedrückt.”

Der Iraner, der am 19. September und damit fünf Tage nach dem Feuer abgeschoben hätte werden sollen, behauptete, er habe es nicht ernst genommen, als er von einem Mithäftling von der beabsichtigten Brandstiftung hörte. Er war erst am 14. September gegen 13.00 Uhr in die Zelle verlegt worden, die knapp neuneinhalb Stunden später abgefackelt wurde. “Ich dachte, er macht nur einen Spaß”, sagte der 30-Jährige. Er sei unter dem Einfluss von Antidepressiva gestanden: “Ich war total müde. Ich habe nicht geglaubt, dass sie das machen werden.” Er habe sich an den inkriminierten Tathandlungen nicht beteiligt.

Zeitpunkt des Verhandlungsabschluss unklar

Der Prozessfahrplan der Richterin, die die Verhandlung bis 13.00 Uhr ausgeschrieben hatte, erwies sich als illusorisch. Knapp vor 13.00 Uhr hatte noch kein einziger der zahlreichen Zeugen ausgesagt. Ob die Verhandlung – wie ursprünglich geplant – heute abgeschlossen werden kann, ist unklar.

Feuer vor Abschiebung gelegt

Der Brand in einer Zelle im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernals ist unmittelbar vor der Abschiebung von drei der sechs Insassen gelegt worden, die damit offenbar die zwangsweise Rückführung in ihre Heimat verhindern wollten. Das ging aus fremdenpolizeilichen Unterlagen hervor, die am Freitagnachmittag bei der Verhandlung am Landesgericht erörtert wurden.Das Feuer war am 14. September gegen 22.30 Uhr ausgebrochen. Einer der Insassen der Zellen hätte am nächsten Tag außer Landes gebracht werden sollen, zwei Mitgefangene wären am 17. bzw. 19. September zur Abschiebung angestanden. Laut Anklage waren zwei der drei Betroffenen die treibenden Kräfte bei der Brandstiftung.

Zweifel an Gefahr einer Feuersbrunst

Dass die Gefahr einer Feuersbrunst – wie von der Anklage inkriminiert – tatsächlich bestanden hat, dürfte aber fraglich sein. Zweifel daran nährte jedenfalls ein Brandermittler des Bundeskriminalamts, der am Tatort Ursachenforschung betrieben hatte. “Es war weit entfernt von einem Vollbrand. Es hat gerade zu brennen begonnen”, erklärte der Experte am Freitagnachmittag bei seiner Zeugenbefragung. Einen Brandsachverständigen hatten in dem Verfahren weder die Staatsanwaltschaft noch das Gericht von Amts wegen bestellt.

Dem sachkundigen Zeugen zufolge war das Feuer an vier verschiedenen Stellen ausgebrochen, indem im Bereich der Betten Matratzen, Decken und Handtücher angezündet wurden. In der Zelle wären “hohe Brandlasten” vorhanden gewesen, die theoretisch zu einem Vollbrand führen hätten können. Die Ausbreitung von Heißgasen wäre im Bereich des Denkbaren gewesen, auch eine Zündung hätte es unter Umständen geben können. Auf die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Feuersbrunst, meinte der Bundeskriminalamt-Beamte: “Das kann ich nicht sagen.”

Brand in Zelle: Sanierung kostet 73.000 Euro

Auch die Frage nach den getroffenen Brandbekämpfungsmaßnahmen blieb mangels eines beigezogenen Sachverständigen bzw. mangels Ladung eines informierten Vertreters der Wiener Berufsfeuerwehr offen. Der Beamte merkte lediglich an: “Es ist sicher Löschwasser eingebracht worden. Es ist alles geschwommen.” Die ergänzenden Fragen von Verteidiger Martin Mahrer, der einen der Angeklagten vertritt, wie lange es bis zum “Brand aus” gedauert hätte und ob das Feuer schon vor Eintreffen der Feuerwehr unter Kontrolle war, blieben unbeantwortet.

Die Sanierung der in Mitleidenschaft gezogenen Zelle kostete jedenfalls 73.000 Euro. Das gab ein Vertreter der Bundesimmobiliengesellschaft zu Protokoll, die eine Zeugenladung erhalten hatte.

Beweisverfahren abgeschlossen

Im Prozess um die Brandstiftung im Polizeianhaltezentrum (PAZ) ist das Beweisverfahren nach den Zeugenaussagen von drei weiteren Polizisten, die mit der Brandbekämpfung und Bergung der Zelleninsassen befasst waren, abgeschlossen worden. Knapp vor 17.00 Uhr zog sich der Schöffensenat zur Beratung über Schuld und Strafe der Angeklagten zurück. Mit den Urteilen war nicht vor 18.00 Uhr zu rechnen.

“Schon am Gang war es komplett schwarz”, schilderte ein Polizist den Einsatz. Als er mit einer Kollegin die Zellentür öffnete, sei diese “komplett verraucht” gewesen. “Es hat ziemlich wild aus’gschaut”, erinnerte sich diese. Und weiter: “Ich hab’ nicht gewusst, überleben die (gemeint: die sechs Insassen, Anm.) oder nicht. Das war schon eine ziemliche Belastung.”

Schubhäftlinge wegen Sachbeschädigung verurteilt

Die sechs Schubhäftlinge, die am 14. September 2018 ihre Zelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernals angezündet hatten, sind am Freitagabend am Landesgericht für Strafsachen schuldig erkannt worden. Sie wurden aber nicht – wie angeklagt – wegen versuchter Brandstiftung, sondern wegen schwerer Sachbeschädigung, fahrlässiger Gemeingefährdung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt.
Die Angeklagten erhielten bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafen zwischen sechs und zwölf Monaten. In zwei Fällen wurden die Strafen zur Gänze auf Bewährung ausgesprochen, ein Angeklagter bekam von seinen neun Monaten drei bedingt nachgesehen. Den unbedingten Strafteil hat er bereits unter Anrechnung der U-Haft verbüßt. Die übrigen Angeklagten, darunter ein 21 Jahre alter Afghane, von dem die Idee zum Feuerlegen ausgegangen sein soll, fassten unbedingte Strafen aus. Ausschlaggebend dafür war in diesen Fällen ein getrübtes Vorleben in Form rechtskräftiger Vorstrafen.

Von U-Haft zurück in Schubhaft

Jene drei Angeklagte, deren Strafen zur Gänze bedingt nachgesehen wurden bzw. deren unbedingter Strafteil unter Anrechnung der U-Haft als abgesessen gilt, wurden nach der Urteilsverkündung formal enthaftet. Allerdings dürften sie nicht auf freien Fuß gelangen, wie ihre Rechtsvertreter nach Schluss der Verhandlung der APA bestätigten.

Die Anwälte gingen davon aus, dass die Betroffenen – zwei Afghanen und ein Iraner – von der U-Haft umgehend zurück in Schubhaft genommen werden. “Ihre Abschiebebescheide sind ja weiter aufrecht”, hieß es gegenüber der APA. Noch während der Urteilsverkündung telefonierten anwesende Polizeikräfte, um die nahtlose Überstellung der drei Männer von der Justizanstalt Josefstadt in Schubhaft zu organisieren, wie der APA von einem Beamten bestätigt wurde.

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Während die Verteidiger nach Rücksprache mit ihren Mandanten durchwegs auf Rechtsmittel verzichteten, gab der Staatsanwalt vorerst keine Erklärung ab

(APA/Red)

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