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Brandstiftung im Wiener PAZ: Prozessauftakt mit Teilgeständnissen

Der Prozess wird kommenden Freitag fortgesetzt.
Der Prozess wird kommenden Freitag fortgesetzt. ©APA/HANS PUNZ
Am Freitag hat der Prozess gegen sechs Schubhäftlinge begonnen, die im September ihre Zelle im Wiener PAZ angezündet haben sollen. Dabei gab es Teilgeständnisse.
Brand in Wiener PAZ
Bilder vom Tatort
Zweifel an Suizidversuch
Alle Insassen sollen Brand gelegt haben

Am Wiener Landesgericht hat am Freitag der Prozess gegen sechs Schubhäftlinge begonnen, die laut Anklage am 14. September 2018 ihre Zelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) am Hernalser Gürtel angezündet hatten. Staatsanwalt Wolfram Bauer wirft den Männern – fünf Afghanen und ein Iraner im Alter zwischen 23 und 34 Jahren – Brandstiftung vor. Die Verhandlung wird am kommenden Freitag fortgesetzt.

Feuer im Wiener PAZ: Teilgeständnisse bei Prozessauftakt

Die Anklage stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben eines 32-jährigen Afghanen, die dieser einen Tag nach dem Brand in seiner polizeilichen Einvernahme getätigt hatte. Der Mann erklärte damals, die Idee zum gemeinschaftlichen Anzünden des Haftraums wäre von einem 23-jährigen Landsmann gekommen. Ein 30-jährigen Iraner, der in Deutschland bereits zwei Mal wegen Schlepperei verurteilt wurde und daher Hafterfahrung hatte, habe diesen darin bestärkt.

Vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Alexandra Skrdla) bestätigte der 32-Jährige nun seine Aussage vor der Polizei: “Der Iraner hat gesagt, es wäre eine gute Sache, wenn wir das machen. Er hat erzählt, als er in Deutschland in Haft war, hat das jemand gemacht und ist damit frei gekommen.” Daher habe man “ein kleines Feuer” entfachen und damit Aufmerksamkeit erregen wollen: “Wir wollten uns nicht wirklich umbringen. Wir wollten nicht, dass die ganze Zelle brennt. Nur ein wenig, damit ein Rauch entwickelt wird, den die draußen sehen. Keiner von uns wollte sterben.”

“Ich habe wirklich geglaubt, dass wir freikommen werden”, erläuterte der Afghane, der zum Zeitpunkt des Brandes zwei Monate Schubhaft hinter sich hatte. Die Flammen waren gegen 22.30 Uhr in der Zelle 106 im ersten Stock des PAZ ausgebrochen. Die Insassen hatten ihre Handtücher mit Hilfe von zwei Feuerzeugen – Rauchen ist in den Zellen gestattet – angezündet und den brennenden Stoff auf ihre Betten geworfen. Zuvor hatten sie noch einen Spind vor die Zellentür gerückt, vor der sie einen auf Deutsch verfassten Abschiedsbrief hinterlegten. Dann drückte einer von ihnen die Notruftaste.

Von den weiteren Angeklagten waren zwei zum Feuerlegen geständig, bestritten aber, eine Feuersbrunst für möglich gehalten zu haben. Drei Beschuldigte – darunter der mutmaßliche “Ideengeber” sowie der gebürtige Iraner – behaupteten, sie hätten mit dem Brand nichts zu tun gehabt.

Feuer forderte mehrere Schwerverletzte

Das Feuer hatte mehrere Schwerverletzte gefordert. Einige Insassen der betroffenen Zelle trugen ein Inhalationstrauma davon, bei einem Mann verbrannten zehn Prozent der Körperoberfläche. Erheblich verletzt wurden aber auch drei Polizisten – zwei Frauen und ein Mann -, die die sechs Männer gerettet hatten.

Nachdem man auf das Brandgeschehen aufmerksam geworden war, wagten sich zwei Beamte mit Atemschutzgeräten in den Haftraum und bargen die Insassen, die sich im Nasszellenbereich befanden und die teilweise das Bewusstsein verloren hatten. Dabei erlitten die Beamten Rauchgasvergiftungen und Prellungen. Beide befanden sich jeweils vier Wochen im Krankenstand, an den psychischen Folgen leiden sie bis heute. Eine Kollegin, die die zwei vor der Zellentür am Gang unterstützte, kam ebenfalls mit Rauchgasvergiftungen ins Spital.

Aufgrund des Brandes mussten die umliegenden Zellen mit 50 Insassen vorsorglich evakuiert werden. Der betroffene Haftraum 106 brannte aus, der Sachschaden machte laut Anklage 60.000 Euro aus.

Staatsanwalt sprach von “Inszenierung”

Staatsanwalt Wolfram Bauer sprach eingangs der Verhandlung von einer “Inszenierung”. Die Angeklagten hätten mit dem Feuer Aufmerksamkeit angestrebt und sich ihre Freilassung bzw. einen verzögerten Abschiebetermin erhofft. Eine Feuersbrunst habe sich nur deshalb nicht entwickelt, “weil die zwei Fenster in der Zelle standgehalten haben”. Ansonsten wäre zu befürchten gewesen, dass sich die Flammen über die Fassade auf weitere Gebäudeteile ausbreiten.

Der mutmaßliche Anstifter – in der Anklageschrift war sein Alter noch mit 19 angegeben, er selbst korrigierte in der Verhandlung sein Geburtsdatum auf den 1. Juni 1995 – bestritt, die Idee zum Feuer sei von ihm gekommen. Er habe mit dem Brand nichts zu tun gehabt, sei vielmehr zum Notfallknopf gelaufen und habe diesen gedrückt und damit Gröberes verhindert. Auch der Iraner, der die Pläne des 23-Jährigen unterstützt haben soll, wies diese Darstellung zurück. Er sei erst am Tag des Brandes gegen 18.00 Uhr in die Zelle verlegt worden und unter dem Einfluss von Antidepressiva gestanden. “Er wäre gar nicht in der Lage gewesen, sich an Handlungen zu beteiligen”, sagte seine Verteidigerin.

32-Jähriger wollte sich selbst töten

Neben dem 32-jährigen räumten zwei Landsleute des Mannes eine Mitbeteiligung ein. “Er war einverstanden, dass Feuer gelegt wurde, um die Abschiebung zu verhindern”, stellte der Verteidiger des einen klar. Der zweite erklärte dem Gericht, er habe in Selbsttötungsabsicht mitgemacht: “Ich wollte lieber sterben, bevor ich abgeschoben werde.” Bei seiner Rückkehr nach Afghanistan müssten er und seine Familie mit Schwierigkeiten rechnen, weil er vor seiner Flucht nach Europa eine Beziehung zu einer Frau gehabt hätte, ohne mit dieser verlobt bzw. verheiratet zu sein.

“In Afghanistan erwartet uns sowieso der Tod”, meinte der junge Mann. Österreich habe ihm “kein Asyl gegeben, weil ich Cannabis verkauft habe”. Da sei es “egal, ob ich mir den Kopf abhacke oder die Gedärme rausschneide”. Folglich habe er der Aufforderung eines Mitgefangenen entsprochen und sein Handtuch angezündet: “Ich habe gedacht, ich mach es, dann hab’ ich es hinter mir.”

(APA/Red)

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