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Mordprozess in Wien fortgesetzt: Explosion in Hernals "nach perfidem Vorgehen"

Einsatz bei der Explosion in Hernals
Einsatz bei der Explosion in Hernals ©APA (Sujet)
Beim Mordprozess gegen einen 56-jährigen Mann, der am 26. Jänner 2017 seine Wohnung in Hernals vorsätzlich in die Luft gesprengt und dabei den Hausverwalter getötet haben soll, kam im Wiener Landesgericht am Dienstag ein Experte zu Wort, der ein Gutachten präsentierte.
Mordprozess um Explosion
Mieter beteuert Unschuld
Mieter wurde festgenommen
Todesopfer bei Gas-Explosion
Mehrere Verletzte bei Vorfall
Bilder vom Einsatz
Gasleitung wurde manipuliert
Wie der Brand- und Explosionsermittler Franz Schneeflock in seinem Gutachten darlegte, dürfte ein perfides Vorgehen der Explosion vorangegangen sein.

Laut Gutachten ließ Angeklagter Gas ausströmen

Der 56-Jährige sollte am 26. Jänner um 7.30 Uhr delogiert werden, nachdem er über Monate keinen Mietzins bezahlt und auf Mahnschreiben nicht reagiert hatte. Als der vom Hausverwalter beigezogene Schlosser an der abgesperrten Wohnungstür des Angeklagten hantierte, der auf Klopfen nicht reagiert hatte, wurde in der Wohnung laut Schneeflock zeitgleich die Gasabdeckung geöffnet. Der Gaszähler war schon zuvor abmontiert worden. Nun konnte ungehindert Gas ausströmen. Drei bis fünf Minuten nach Öffnen des Ventils hatte sich in der Wohnung ein zündfähiges Gas-Luft-Gemisch gebildet. Zur Verpuffung wurde dieses dem Sachverständigen zufolge mittels einer Zündquelle – etwa einem Feuerzeug – im Wohn-Schlafraum gebracht. Außer dem Angeklagten befand sich zu diesem Zeitpunkt niemand in der Wohnung.

Explosion in Wohnung in Hernals tötete den Hausverwalter

Die Explosion riss die Wohnungstür aus der Verankerung, die den davor befindlichen Hausverwalter tötete. Der Schlosser und ein Gerichtsvollzieher wurden schwer verletzt. Mehrere Trennwände in dem Gebäude stürzten ein, ein Neugeborenes in der direkt angrenzenden Nachbarwohnung wurde unter Mauerwerk begraben. Das Baby kam wie durch ein Wunder mit leichten Verletzungen davon. In insgesamt drei Wohnungen flogen sämtliche Fenster Richtung Straße. Die Druckwelle war derart stark, dass selbst an angrenzenden Gebäuden Schäden auftraten, berichtete Schneeflock den Geschworenen.

Brandermittler deckt Unwahrheiten auf

Der Angeklagte hatte beim Verhandlungsauftakt Anfang November versichert, er sei von der Explosion völlig überrascht worden und könne sich diese nicht erklären. Er hätte ferngesehen bzw. gekocht, ehe es krachte. Dem Brandermittler zufolge dürfte zumindest letzteres nicht der Wahrheit entsprechen. In der Wohnung gab es keine Stromversorgung mehr – dem Mieter waren im Juli 2016 Strom und Gas abgedreht werden, nachdem er auch diese Rechnungen nicht mehr bezahlt hatte. Dass der 56-Jährige – wie mehrmals in der Vergangenheit – im Hausgang Strom abgezapft und diesen mittels Verlängerungskabeln in seine Wohnung geleitet hatte, dürfte auszuschließen sein. Hausbewohner hatten am vorangegangenen Abend bzw. am Morgen keine Kabel bemerkt. Wie Schneeflock darüber hinaus erklärte, dürften aufgrund des demontierten Gaszählers in den Morgenstunden auch der Gasherd und ein Durchlauferhitzer nicht betriebsbereit gewesen sein.

Drohende Delogierung: Motiv der Rache denkbar

Laut Anklage soll der 56-Jährige aus Rache gehandelt haben, weil der Hausverwalter – ein 64 Jahre alter Rechtsanwalt, der auf die Verwaltung von Zinshäusern spezialisiert war – wegen seiner Mietrückstände seine Delogierung betrieben hatte. Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer beschrieb den Angeklagten als eine Person von “hoher Streitbarkeit”. Der Mann neige zu “dauerhaften Groll” und “Selbstbezogenheit”, weise eine geringe Frustrationstoleranz und ein geringes Gespür gegenüber sozialen Normen auf. Dafür würden ihn “vergröberte, oberflächliche Affekte” sowie “Wut und Schwierigkeiten im Umgang mit explosiven Impulsen” auszeichnen.

Einschätzung der Gefährlichkeit des 56-Jährigen

Insgesamt kam der Psychiater zum Schluss, dass beim Angeklagten eine schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung vorliegt. Einem Schuldausschließungsgrund käme diese aber nicht gleich, Zurechnungsfähigkeit sei im Tatzeitpunkt gegeben gewesen, sagte der Gutachter. Unter der Annahme, dass der Mann die ihm vorgeworfene Tat begangen habe – die Entscheidung darüber obliegt den Geschworenen -, stufte Dantendorfer die Gefahr, dass der 56-Jährige neuerlich Straftaten mit schweren Folgen setzen wird, als hoch ein. Dessen impulsives Verhalten stelle einen wesentlichen Risikofaktor dar.

Mordprozess fortgesetzt: Anwalt hatte keine Überlebenschance

“Er hatte keine Überlebenschance”, sagte Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp zum Tod des Hausverwalters. Der 64 Jahre alte Rechtsanwalt befand sich zum Zeitpunkt der Explosion mit weiteren sieben Personen vor der Wohnungstür des Angeklagten, als es krachte.

Die laut gutachterlicher Feststellung im Wohn-Schlafraum bewirkte Explosion riss die Wohnungstür aus der Verankerung. Die Tür traf mit voller Wucht den Hausverwalter und drückte diesem den Schädel ein. Beim Eintreffen der Rettungskräfte konnten diese beim am Boden liegenden Anwalt, der sich auf die Verwaltung von Zinshäusern spezialisiert hatte, noch eine Schnappatmung feststellen. Rund eineinhalb Stunden später erlag der Mann seinen schweren Verletzungen.

Urteil im Mordprozess am 4. Dezember 2017

Die Tür hatte ihm eine massive Gesichtsschädelfraktur und einen Trümmerbruch des Schädelknochens zugefügt. Bei der Obduktion stellte der Gerichtsmediziner ausgeprägte Hirnquetschungen und eine starke Hirnschwellung mit einem Einbruch des Stammhirns fest.

Die Verhandlung wird am Mittwoch mit weiteren Zeugenbefragungen fortgesetzt. Das Urteil ist für 4. Dezember geplant.

(apa/red)

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