Dass der Maskenhersteller Hygiene Austria Masken womöglich in China produzieren ließ und sie als österreichische Produkte verkaufte, ist für den Konsumentenschützer Peter Kolba rechtlich fragwürdig. "Grundsätzlich ist eine falsche Herkunftsbezeichnung irreführende Werbung. Das ist relevant nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)", sagte der Obmann des Verbraucherschutzvereins (VSV) zur APA. Klagen dagegen sind möglich, Sammelklagen eher unwahrscheinlich.
Gegen irreführende Werbung kann vorgegangen werden
Gegen irreführende Werbung können einerseits Mitbewerber rechtlich vorgehen, andererseits auch die Wirtschaftskammer (WKÖ), die Arbeiterkammer (AK) sowie der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mit einer Verbandsklage. Kolbas VSV hat keine solche Klagslegitimation, möchte aber eine und hat kürzlich eine entsprechende Petition gestartet.
Verbraucher selbst können wohl nicht direkt gegen das Gemeinschaftsunternehmen des oberösterreichischen Faserherstellers Lenzing mit dem Textilkonzern Palmers vorgehen. Die meisten Österreich haben ihre Masken nämlich, so Kolba, nicht direkt bei Hygiene Austria gekauft, sondern über Zwischenhändler wie Apotheken. Gegenüber diesen könnten Konsumenten dann sehr wohl eine Irrtumsanfechtung machen und ihr Geld zurückverlangen, sagte Kolba am Donnerstag. "Wenn ich die Maske nicht mehr habe und sie im guten Glauben schon verwendet habe, kann ich trotzdem eine Irrtumsanfechtung machen", so der Jurist, der früher jahrelang die Rechtsabteilung des VKI leitete. Apotheken oder andere Zwischenhändler könnten dann Hygiene Austria in Regress nehmen.
Sammelklage wird es wohl keine geben
Da jeder die Hygiene-Austria-Masken woanders gekauft hat, "kommt nie und nimmer eine Sammelklage zustande", so die Einschätzung Kolbas. Eine Sammelklage wäre aus seiner Sicht nur dann denkbar, wenn sich zum Beispiel mehrere Apotheken oder Supermarktketten zusammenschließen. Auch eine Verbandsklage seitens AK oder VKI hält Kolba für unwahrscheinlich. Die beiden Organisationen würden "nie und nimmer" die Erlaubnis des Sozialministeriums dafür bekommen, "dass man gegen eine regierungsnahe Firma Klagen führt", meint Kolba. Zu Hygiene Austria gibt es ja einen Politkonnex: Der Geschäftsführer der Firma ist ein Verwandter der Büroleiterin von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Dass die Wirtschaftskammer von der Möglichkeit der Verbandsklage Gebrauch macht, ist noch unwahrscheinlicher, denn sie hat das laut Kolba noch nie gemacht. "Seit 1979 dürfte sie."
Sollte es zu einem Prozess kommen, müssten die Kläger dem Gericht noch glaubhaft machen, dass ihnen das "Made in Austria" extrem viel wert war. "Der Richter fragt unter Umständen: 'Was ist an einer chinesischen Maske schlechter als an einer österreichischen?'", skizziert Kolba. Bei einem Martinigansl wäre das vermutlich leichter darzulegen. "Da denkt sich jemand was, wenn draufsteht 'Weidegans aus Österreich'. Die ist dann anders aufgezogen als eine gestopfte Gans aus Ungarn."
Da FFP2-Masken nicht so viel kosten, dürften es sich wohl wenige Verbraucher antun, rechtlich etwas zu unternehmen, sich auch eher nicht bei AK oder VKI, sollten diese doch etwas initiieren, melden. "Wenn überhaupt, dann ist es ein Streu- und Bagatellschaden", so der VSV-Obmann. Er sieht da eine Lücke im kollektiven Rechtsschutz und spricht sich dafür aus, die Verbandsklage in Richtung Bagatellschäden auszubauen. Der rechtlich zuwiderhandelnde Unternehmer würde nur etwas spüren, wenn der Gewinn abgeschöpft wird, meint Kolba. "Sonst macht er's wieder, und die Konkurrenz auch."
Konsumentenschützer orten Irreführung
Der heimische Mund-Nasen-Schutz-Hersteller Hygiene Austria, ein Joint Venture aus Lenzing und Palmers, hat seine Masken als österreichisch beworben, aber zum Teil in China lohnfertigen und im Ausland zertifizieren lassen. "Kurz gesagt, halte ich das schon für irreführend - unabhängig davon, ob die Qualität stimmt oder nicht", sagte der Leiter der Rechtsabteilung im Verein für Konsumenteninformation (VKI), Thomas Hirmke, am Donnerstag zur APA.
"Rechtlich kommt es auf die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers an", strich der VKI-Chefjurist hervor. "Das ist im Wettbewerbsrecht die entscheidende Frage, so Hirmke unter Verweis auf das UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Anm.).
Allerdings gebe es betreffend Herkunftsbezeichnung "keine einheitlichen gesetzlichen Vorgaben über alle Produkte drüber", nur punktuell Regelungen. "Deshalb gibt es keine klaren Regeln." Die europäischen Vorgaben seien in der Health-Claims-Verordnung der EU zu finden.
Rechtlich kommt es auf die Erwartung des Verbrauchers an
"Es ist schade, auch für die Unternehmen, denn letztlich wäre es gut, wenn es klare Vorgaben gäbe", so Hirmke. Potenzielle Faktoren, die eine Rolle spielten, wären je nach Produkt etwa, wo es zugekauft wird, wo es zusammengebaut wird wieviel Prozent der Bestandteile aus dem Inland und wieviel aus dem Ausland stammen, wo es konstruiert wurde und wo es kontrolliert wurde - zusätzlich dazu, was der durchschnittliche Verbraucher erwartet.
"Im Fall der Hygiene Austria gehe ich davon aus, dass die Erwartungshaltung da war, dass es österreichische Produkte sind, und dass das daher irreführend war", so der Rechtsexperte. "Wir prüfen, ob wir dagegen vorgehen."
(APA/Red)