Der 60. Eurovision Song Contest ist am vergangenen Wochenende in Wien über die Bühne gegangen. Anlass genug für ein paar kritische Anmerkungen:
1. Der Ticketverkauf
Der Ticketverkauf wurde in mehreren Wellen abgehalten. Ganz transparent lief das aber nicht über die Bühne: Wie viele Tickets für welche Shows in welcher Verkaufswelle erhältlich waren, wurde nicht bekannt gegeben. Karten für das Finale zu bekommen, war so gut wie unmöglich – es sei denn, man hätte vor der Stadthalle campiert. Später gab es auf Facebook immer wieder kurzfristige Ankündigungen: “Ab sofort wieder Tickets für das Finale erhältlich.” Fünf Minuten später waren diese Ankünder jedoch bereits wieder obsolet. Keine Chance für jene, die nicht in Alarmbereitschaft am Computer saßen.
2. Singende Brücken, Gullys und Co.
Plakate in allen Größen an allen möglichen Orten. Sogar Plakate, auf denen sich die Stadt Wien “12 Points” gibt. Alles schön und gut. Aber eine singende Brücke und singende Gullys? Musste das wirklich sein? Viel ist manchmal einfach zu viel. Neue T-Shirts für die Mitarbeiter der MA48 und Wien Kanal fallen in dieselbe Kategorie. Nur über die Herzerlstecker sollen keine bösen Worte verloren werden, denn ganz subjektiv: Die waren wirklich niedlich. Aber auch teuer – man darf sich ruhig darüber wundern, welche Magistratsabteilungen ein großes ESC-Budget hatten. Schließlich wird ja im Herbst gewählt.
3. Kommentare und Moderation
Andi Knoll wollte unbedingt moderieren, durfte aber anscheinend nicht. Also wurde er wieder als Kommentator eingesetzt. Einige seiner Anmerkungen waren unerträglich (“Zwei Mal im Jahr zum Zahnarzt, einmal im Jahr zum Song Contest”), aber mit anderen traf er derart ins Schwarze, dass man ihn durch den Fernseher durch hätte umarmen wollen: “‘Mich sieht heut’ ganz Europa im Fernsehen, ich setz mir ein Blumenbeet auf, das kommt sicher gut'”, sagte er beispielsweise, als die Punktevergabe aus Polen an der Reihe war. Ebenfalls aus der Kategorie völlig daneben: Knoll bezeichnete den Hintern von Deutschlands ESC-Vertreterin Ann Sophie als “aerodynamisch”. Oh bitte.
Probleme mit ihrem Englisch und/oder der Aufregung hatte Kati Bellowitsch, die die österreichischen Punkte live vom Wiener Rathausplatz verkündete, wo sie von “twenty-five fans” umringt war. Gemeint hatte sie “twenty-five thousand” – ein paar Nullen mehr oder weniger, was soll’s.
Schön, dass Alice Tumler mit dabei war. Schön, dass Conchita im Green Room moderiert hat. Schade, dass der ORF Mirjam Weichselbraun einfach überall einsetzt: Von Dancing Stars über Opernball bis hin zum Song Contest bekommen die österreichischen Fernsehzuschauer immer wieder dasselbe Gesicht zu sehen. Dass die Moderatorinnen bei der Eröffnung des Finales dann auch noch singen mussten, soll an dieser Stelle einmal unkommentiert bleiben.
4. Werbung statt Wurst
Während TV-Zuschauer auf der ganzen Welt einen Auftritt von Conchita Wurst sahen, zeigte der ORF Werbung und einen ZIB-Flash. “Unstoppable” und “Firestorm” sang die Queen of Eurovision – nur halt in Österreich nicht. Rene Berto, ihr Manager zeigte sich entsprechend empört: “Damit präsentiert sich der ORF wieder einmal als Mischung aus russischem Staatsfernsehen und deutschen Privatsendern und zeigt, dass ihm der öffentlich-rechtliche Auftrag zur Unterstützung und Förderung heimischer Popmusik kein wirkliches Anliegen ist.” Sicher musste der ORF beim ESC aufs Geld schauen, aber kann dieser eine Werbeblock so viel eingebracht haben, dass es in irgendeiner Relation zur Kürzung des künstlerischen Programms steht?