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Stillstand im Kultur-Bereich: Versuche, "aus der Lähmung herauszufinden"

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zog eine positive Bilanz über das Treffen am Dienstag
Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) zog eine positive Bilanz über das Treffen am Dienstag ©APA/HERBERT NEUBAUER
Am Dienstag fand das erste "Forum Kultur und Gesundheit" im Wiener Rathaus statt. "Wir sind ernüchtert und gleichzeitig produktiv," so das Resümee der Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler dazu.
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Museen pochen auf Planungssicherheit

Kaup-Hasler hatte am Dienstagabend mit Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) Vertreter vieler Kulturbereiche, Gesundheitsexperten und Verwaltungsvertreter zu einem großen Runden Tisch in den Rathaus-Festsaal geladen hatte.

Treffen laut Kaup-Hasler extrem positiv und konstruktiv

"Es war ein extrem positiv und konstruktiv empfundenes Treffen, das sich wider aller Erwartungen sehr, sehr sachlich am gemeinsamen Arbeitsauftrag orientiert hat", so Kaup-Hasler. Dieser hatte gelautet, angesichts der Coronakrise "verschiedene Planungsperspektiven für Wien zu besprechen".

Die Crux dabei: Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden vom Bund erlassen. "Wir sind abhängig von den Entscheidungen und Erlässen des Bundes. Die sind mitunter aber schwammig und höchst erratisch", kritisierte die Stadträtin und verwies auf die am 30. April erlassene "Covid19-Lockerungsverordnung", in der explizit auch kulturelle Veranstaltungen, Filmvorführungen und Ausstellungen mit mehr als 10 Personen bis 30. Juni untersagt wurden, obwohl für Mitte Mai die Möglichkeit des Aufsperrens von Museen und Ausstellungshäusern angekündigt worden war. "Das ist unmöglich für die Planungssicherheit."

Prognosen für Entwicklung in Kulturbranche schwierig

Da die medizinischen Experten, die am gestrigen Treffen teilgenommen haben, nicht dieselben sind, die die Regierung beraten, habe es durchaus auch "Fragen gegeben, die im Raum stehen geblieben sind" - etwa, warum für das Gastgewerbe offenbar bereits früher Lockerungen gelten als für die Kulturbranche, oder wie die für kommende Woche angekündigten neuen Rahmenbedingungen für Proben und Kulturveranstaltungen tatsächlich aussehen werden. Niemand könne jedoch echte Prognosen für die mittel- und langfristige Entwicklung abgeben: "Klare Antworten kriegen wir nicht. Auch Experten können nur die nächsten Wochen betrachten."

Kulturbereich: "Dürfen nicht in Schockstarre verharren"

Bei dem gestrigen Treffen, das nicht das einzige dieser Art bleiben soll, und an dem u.a. der designierte Staatsopern-Direktor Bogdan Roscic, Burgtheater-Vizedirektorin Alexandra Althoff, die Museumsdirektoren Bettina Leidl (KunsthausWien) und Matti Bunzl (Wien Museum), Konzerthaus-Intendant Matthias Naske und Symphoniker-Intendant Jan Nast teilgenommen haben, sei es daher in erster Linie darum gegangen, in der Branche aktiv und kreativ Lösungsansätze zu entwickeln, um möglichst schnell die größtmögliche Inbetriebnahme des Kulturangebots sicherzustellen. "Wir dürfen nicht wie das Kaninchen vor der Schlange in Schockstarre verharren."

Am unproblematischsten sei sicher der Museums- und Ausstellungsbereich. "Die Museen sind überhaupt kein Problem. Auch im Outdoor-Bereich wird es viele Varianten geben. Aus meiner Sicht ist etwa ein stark verändertes Popfest durchaus denkbar. Vielleicht kann es auch fahrende Bühnen geben. Vieles ist möglich! Wir müssen schauen, dass wir aus dieser Lähmung herausfinden."

Neue Regeln für Theater und Konzerte notwendig

Deutlich schwieriger werde der herkömmliche Theater-, Musiktheater- und Konzertbetrieb, für den sicher im Herbst neue Regeln gelten werden. "Wir müssen lernen, mit diesen latenten Bedrohungen umzugehen." Das werde für Produktionsteams gelten, die nach Möglichkeit mit Schnelltests zu testen seien, um einen normalen Probenbetrieb zu gewährleisten, aber auch für das Publikum, das sich an "andere Rituale" - etwa bei Einlass- und Pausenregelungen - gewöhnen müsse.

Einigkeit habe darüber geherrscht, dass die kommunizierte 20-Quadratmeter-Regel für Kulturveranstaltungen "absurd", aber auch zehn Quadratmeter einzuhalten schwierig sei. Der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter habe etwa Sitzpläne im Schachbrettmuster als mögliche Lösung als Variante eingebracht. "Es wird darum gehen, viele individuelle Möglichkeiten aufzuzeigen und Angebote zu machen, mit der Situation umzugehen." Diese sollten dann auch mit den Experten der Bundesregierung diskutiert werden. "Wir brauchen einen professionellen Dialog, um zu sinnvollen und lebbaren Erlässen zu kommen."

Großer Kultur-Rettungsschirm nach Schweizer Vorbild

"Es wartet in den nächsten Monaten eine enorme Arbeit auf alle. Aber wir wissen, dass wir das ganze Feld zerstören, wenn wir keinen Weg durch diesen Dschungel finden", so Kaup-Hasler über die Herausforderungen beim Wieder-Hochfahren des Veranstaltungs-Angebotes. "Das Publikum braucht es, und die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf."

Wie hoch die zusätzlichen Kosten aus diesen Maßnahmen sowie aus der Unterstützung von Künstlern und Kulturschaffenden sein werden, ließe sich derzeit noch gar nicht abschätzen. Es brauche einen großen Kultur-Rettungsschirm, etwa nach Schweizer Vorbild, wo alle Einnahmenausfälle ausgeglichen würden. "Ich bestehe darauf, dass der Bund seinen Verpflichtungen nachkommt. Und den Kulturbetrieb dabei als Bittsteller zu behandeln, geht gar nicht."

aktionstheater ensemble probt einzeln und virtuell

Das Wiener aktionstheater ensemble, das in den vergangenen Wochen mit der Reihe "Streamen gegen die Einsamkeit" nach eigenen Angaben über 60.000 Aufrufe von früheren Produktionen erzielt hat, geht in die nächste Runde. Die kommende Produktion "Bürgerliches Trauerspiel - Wann beginnt das Leben" soll "höchstwahrscheinlich" im September zur Uraufführung kommen. Geprobt wird einzeln und virtuell.

"Neben einer realen Veränderung des Corona-Alltages weist die aktuelle Krise auf ein Faktum, dass etwa soziale Missstände nicht aus einer plötzlichen Not entstanden, welche der Covid-19-Pandemie geschuldet sind", so Ensemble-Leiter Martin Gruber. "Vielmehr nimmt sich die derzeitige Krise wie ein Brennglas aus, das gesellschaftliche Ungleichheiten zutage fördert, die verkürzt gesagt, immer schon da waren. Die Aufgabe des Theaters wird wohl sein, die persönlichen Geschichten der Menschen in ihrer ganzen Vielfalt an die Oberfläche zu spülen." Dies will das aktionstheater ensemble mit "Bürgerliches Trauerspiel" versuchen.

Derzeit werde via Zoom-Meetings und in Einzelproben mit Schauspielern und Musikern an der Koproduktion mit dem Landestheater Linz und dem Bregenzer Frühling in Kooperation mit Werk X gearbeitet. "Neben dem Ansinnen des Ensembles, die derzeitige Stimmungslage in Sprache und Atmosphäre zu fassen, gilt es u.a. herauszufinden, welche Ängste hinter Hoffnungen liegen, welche Hoffnungen hinter Ängsten und wie diese sich verdichtet haben."

(apa/red)

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