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Siebenjährige in Wien-Döbling getötet: Urteil wurde aufgehoben

Das Urteil gegen den Jugendlichen wurde aufgehoben.
Das Urteil gegen den Jugendlichen wurde aufgehoben. ©APA/Helmut Fohringer
Im Mai 2018 hatte ein damals 16 Jahre alter Bursche ein Siebenjähriges Mädchen in Wien-Döbling getötet. Er wurde im Dezember zu 13 Jahren Haft verurteilt. Dieser Prozess muss aufgrund eines Verfahrensfehlers aufgehoben werden.
Bilder vom Tatort
Täter nicht zurechnungsfähig
Befragung der Eltern
16-Jähriger in U-Haft
Kinderleiche in Mistkübel gefunden
7-jährige wurde erstochen
Kein Sexualdelikt
Vater äußert sich
13 Jahre Haft für den Täter
16-Jähriger geständig
"Allgemein Wut" als Tatmotiv

Der Prozess gegen einen 16 Jahre alten Burschen, der am 11. Mai 2018 im Ditteshof in Wien-Döbling eine Siebenjährige getötet hatte, muss wiederholt werden. Das hat der Oberste Gerichtshof (OGH ) entschieden. Ausschlaggebend dafür war ein Verfahrensfehler des Erstgerichts. Zur Klärung der Zurechnungsfähigkeit des Schülers hätte ein "Obergutachten" eines dritten Psychiaters eingeholt werden müssen.

Jugendlicher wurde zu 13 Jahren Haft verurteilt

Der Jugendliche war im vergangenen Dezember vom Wiener Landesgericht für Strafsachen wegen Mordes zu 13 Jahren Haft verurteilt und als zurechnungsfähig eingestuft worden. Er wurde aufgrund einer psychiatrisch erstellten Gefährlichkeitsprognose gemäß § 21 Absatz 2 StGB zusätzlich zur Strafe in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Dieses Urteil wurde nun aufgehoben, berichtete der OGH am Mittwochnachmittag. Der 16-Jährige hatte das Mädchen aus der Nachbarschaft in der elterlichen Wohnung zuerst gewürgt, in eine Duschkabine gedrängt und ihr mit einem Messer unter anderem einen Halsschnitt zugefügt. Die Kleine verblutete. Vor den Geschworenen hatte sich der 16-Jährige damit verantwortet, er hätte die Anweisungen innerer Stimmen befolgt.

Zurechnungsfähigkeit stand im Mittelpunkt der Hauptverhandlung

Verteidigerin Liane Hirschbrich hatte keine Zweifel, dass ihr junger Mandant psychisch derart krank ist, dass bei ihm keine Zurechnungsfähigkeit und damit keine Schuldfähigkeit gegeben war. Straftäter, die in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand handeln, können der österreichischen Rechtsordnung zufolge nicht bestraft werden. Sie sind gemäß § 21 Absatz 1 StGB allenfalls in einer Anstalt für abnorme Rechtsbrecher unterzubringen.

Die Frage der Zurechnungsfähigkeit stand auch im Mittelpunkt des gerichtlichen Hauptverhandlung, zumal der 17-Jährige die Tat grundsätzlich nicht bestritten hatte. "Eine Stimme im Kopf hat gesagt, dass ich sie würgen soll. Das tat ich auch. Ich habe weitere Anweisungen gehört. Dass ich sie in die Duschkabine bringen soll, ein Messer holen und zustechen soll", gab der Angeklagte zu Protokoll. Weitere Details wollte er nicht preisgeben: "Ich kann es nicht noch näher schildern." Während der von der Staatsanwaltschaft beigezogene Gerichtspsychiater Peter Hofmann dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bescheinigte, zeigte sich der Linzer Kinder- und Neuropsychiater Werner Gerstl überzeugt, dass das nicht der Fall war. Eine innere Stimme hätte den 16-Jährigen "blitzartig überfallen" und ihm "Pack zu!" gesagt. Da habe der Bursch "in einem übermäßigen Aggressionsstau diesen ganz schlimmen Mord begangen" argumentierte Gerstl.

Antrag auf drittes Gutachten blitze beim Gericht ab

Angesichts dieser zwei einander widersprechenden Gutachten beantragte die Staatsanwaltschaft die Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen, blitzte damit aber beim Gericht ab. Von einem "Obergutachten" sei keine "Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen" zu erwarten, begründete der vorsitzende Richter Daniel Rechenmacher die Abweisung dieses Antrags. Damit oblag die Entscheidung, welchem Sachverständigen zu folgen war, den Geschworenen und damit juristischen Laien. Sie schlossen sich Hofmanns Expertise an, der ihnen erklärt hatte, der Bursche habe eine narzisstisch-schizoide Persönlichkeitsstörung aufgewiesen, die sich aber erst "im Vorstadium" befunden hätte. Die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Schülers wären nicht aufgehoben gewesen.

Termin für den zweiten Prozess steht noch nicht fest

Für den OGH war der Verzicht auf ein drittes Gutachten ein fundamentaler Verfahrensfehler, der zur Klärung, ob der Bursch zurechnungsfähig ist oder nicht, eine Neudurchführung des Verfahrens am Landesgericht für Strafsachen nötig macht. "Falls ein Schuldausschließungsgrund vorliegt, kann keine Freiheitsstrafe verhängt werden. Zulässig ist aber, gleich ob Zurechnungsunfähigkeit vorliegt oder nicht, bei Gefährlichkeit des Angeklagten die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher", erläuterte der OGH in einer Pressemitteilung. Dass das Opfer vorsätzlich getötet wurde, "steht bereits aufgrund des bisherigen Verfahrens fest und bildet den Ausgangspunkt der neuen Hauptverhandlung", hielt der OGH fest.

Termin für den zweiten Prozess gibt es noch keinen. Die Verhandlung wird Richter Norbert Gerstberger leiten.

(APA/Red)

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