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Kopfschuss in Wien-Brigittenau: Mann wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt

Der Schuldspruch war einstimmig im Sinne der Anklage.
Der Schuldspruch war einstimmig im Sinne der Anklage. ©APA (Sujet)
Am Dienstag stand das Urteil gegen jenen 28-Jährigen fest, der im April 2017 einen Bekannten in Wien-Brigittenau auf offener Straße erschossen haben soll.
Mann durch Schuss getötet
Angeklagter plädiert unschuldig
Mordprozess-Auftakt
Die Zeugenaussagen

Nach vier Verhandlungstagen ist am Dienstag am Wiener Landesgericht im zweiten Anlauf ein 28-jähriger Mann wegen Mordes schuldig erkannt worden, weil er am 16. April 2017 einen 26 Jahre alten Bekannten in Tötungsabsicht in der Brigittenau auf offener Straße erschossen haben soll. Der Schuldspruch der Geschworenen fiel einstimmig aus. Das Schwurgericht verhängte über den Angeklagten 20 Jahre Haft.

Kopfschuss in Wien-Brigittenau: 20 Jahre Haft

Der Wahrspruch der Geschworenen wurde – der Gesetzeslage entsprechend – nicht näher begründet. Bei der Strafbemessung wurde die “kaltblütige Begehensweise aus nichtigem Anlass” erschwerend gewertet, wie die vorsitzende Richterin Andrea Wolfrum darlegte. Mildernd fiel die bisherige Unbescholtenheit des 28-Jährigen ins Gewicht.

Der Mann blieb während der Urteilsverkündung ruhig und gefasst und zeigte auch im Anschluss keine Emotionen. Dies war durchaus bemerkenswert – in der vorangegangen ersten Verhandlung war er Ende November noch einstimmig vom Mord freigesprochen worden. Damals akzeptierten allerdings die drei Berufsrichter den Wahrspruch der Laienrichter nicht und setzten das Urteil wegen Irrtums der Geschworenen aus. Das machte eine zweite Verhandlung erforderlich. In dieser machte der Angeklagte durchgängig vom Schweigerecht Gebrauch und äußerte sich weder zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen noch zu sonst einem Punkt.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verteidiger Werner Tomanek und Philipp Wolm meldeten Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Staatsanwalt Christoph Wancata gab vorerst keine Erklärung ab.

Kein Schießunfall, sondern Mord

Das inkriminierte Geschehen hatte sich am Ostersonntag des Vorjahrs abgespielt. Um 15.11 Uhr betrat der Angeklagte die Polizeiinspektion Pappenheimgasse und erklärte, er habe soeben “die Scheiße auf der Jägerstraße gemacht”. Der gebürtige Kosovare behauptete, er habe sich mit Igor Z. getroffen – offenbar ging es dabei um eine Frau, mit der beide Männer ein Naheverhältnis hatten. Der Darstellung des 28-Jährigen zufolge ging Igor Z. auf ihn los, beim Versuch, ihm mit seiner Pistole zwecks Verteidigung einen Schlag zu versetzen, hätte sich unabsichtlich der Schuss gelöst. Das erzählte der Verdächtige jedenfalls vor bzw. im Zug seiner Festnahme den Polizeibeamten. Später machte er zum Tatablauf keinerlei Angaben mehr.

Der Staatsanwalt war demgegenüber überzeugt, dass es kein Schießunfall, sondern Mord war. Der Schütze hätte unmittelbar zuvor ein SMS des späteren Opfers an die Frau mitbekommen, mit der er selbst eine außereheliche Affäre unterhielt, und diese Textnachricht so interpretiert, dass auch Igor Z. mit dieser mehr als nur bekannt war. Im Nu habe er sich mit dem vermeintlichen Nebenbuhler ein Treffen ausgemacht und dazu eine geladene Pistole mitgenommen.

Allerdings fanden sich an der Kleidung und an den Händen des Festgenommenen kaum Schmauchspuren, obwohl die Tatwaffe eine “Dreckschleuder” war, wie jene Beamtin des Bundeskriminalamts einräumen musste, die die Pistole untersucht hatte. Der Expertin zufolge zeigten sich insgesamt “deutlich zu wenig” Schmauchspuren, “um auf eine Schussabgabe schließen zu können”.

Widersprüche zwischen Gutachten und Zeugenaussagen

Unaufgelöst blieben in dem Verfahren auch die Widersprüche zwischen einem gerichtsmedizinischen Gutachten und den Angaben mehrerer Zeugen. Der Sachverständige ging davon aus, dass Igor Z. am Boden lag, als er von dem Projektil getroffen wurde. Das belegten nach seinem Dafürhalten die Blutspritzer am Tatort: “Wenn das Opfer die Schussverletzung im Stehen erfahren hätte, hätten die Partikel weit verstreut auf den Asphalt niederregnen müssen.”

Im gegenständlichen Fall sei das Blut am Boden aber sehr eng und keilförmig konfiguriert, was nach Ansicht des Gutachters auf folgenden Ablauf hindeutete: Igor Z. , dessen Leiche Prellmarken an der Schulter und an der Stirn aufwies, dürfte zunächst zwei Schläge mit dem Magazinknauf der Pistole kassiert haben, die ihn zu Fall brachten. Der 26-Jährige, der in rechter Seitenlage zu liegen kam, hätte sich noch aufzurichten versucht, wobei er den rechten Arm hob. Erst dann fiel der Überzeugung des Gerichtsmediziners zufolge der Schuss, der Igor Z. in den rechten Oberarm drang, diesen durchschlug, an der rechten Wange in den Kopf ein- und in der linken Schläfenregion wieder austrat.

Mehrere Zeugen sagten demgegenüber aus, die beiden Männer wären gestanden, als es krachte. Ein Zeuge, den Angehörige des Getöteten ausgeforscht hatten, schilderte am heutigen Verhandlungstag, ihm wären auf der gegenüberliegenden Straßenseite vier Männer aufgefallen. Plötzlich sei einer davongelaufen, die drei anderen hätten ihn verfolgt. Der Größte hätte ihn nach 35 bis 40 Meter eingeholt, festgehalten und ihm mit einer Waffe in der Hand “einen Handschlag auf den Kopf” versetzt, beschrieb der Zeuge. Der Mann habe “mit der Hand und der Waffe gleichzeitig” zugeschlagen, bekräftigte der Zeuge: “Ich habe so viel Angst gekriegt, dass ich mich gleich versteckt habe.” Nach “einer gewissen Zeit” hätte er einen Schuss gehört. Als er sich aus seinem Versteck wagte, hätte er den Toten auf der Straße liegen gesehen.

(APA/Red)

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