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Viele Projekte der Regierung vor Nationalratswahl noch offen

Die Regierung hat im Wahljahr noch Arbeit vor sich.
Die Regierung hat im Wahljahr noch Arbeit vor sich. ©APA/FOLRIAN WIESER (Archivbild)
Die Bundesregierung legte bei Amtsantritt im Jahr 2020 eine umfangreiche Liste mit 232 Zielen vor. Bis zur Wahl im Herbst bleibt noch Zeit, offene Projekte umzusetzen.
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In ihrer Legislaturperiode, die von der Corona- und Teuerungskrise sowie einem Kanzlerwechsel geprägt war, hat sie bereits viele Projekte aus ihrem Regierungsprogramm umgesetzt, darunter die Förderung der Informationsfreiheit und die Abschaffung der Kalten Progression. Einige Vorhaben, insbesondere das Klimaschutzgesetz, warten jedoch noch vor der Nationalratswahl im Herbst auf die Umsetzung.

Weiter Streit um Klimaschutzgesetz und Bodenschutzstrategie in Regierung

Laut dem Abkommen soll Österreich bis 204 klimaneutral werden. Es wurde empfohlen, ein Klimaschutzgesetz zu erlassen, das verbindliche Reduktionspfade bis 204 sowie verbindliche Zwischenziele bis 203 festlegt. Seit Ende 202, als die alten Vorgaben abliefen, ist jedoch keine Entscheidung getroffen worden. Grüne Ministerinnen und Minister sind jedoch zuversichtlich, dass das Gesetz noch verabschiedet wird. Es ist jedoch auch offensichtlich, dass eine Einigung zwischen den Koalitionsparteien in Bezug auf den Klimaschutz nicht immer einfach ist. Aufgrund der Tatsache, dass Österreich keinen Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) - der ebenfalls Teil des Regierungsprogramms ist - an die EU-Kommission geschickt hat, wurde ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das Klimaministerium der Grünen hatte zwar einen Vorlageentwurf übermittelt, den die ÖVP-Europaministerin Karoline Edtstadler jedoch zurückgezogen hat.

Geplant ist eine Bodenschutzstrategie, die darauf abzielt, den Flächenverbrauch und die Bodenversiegelung zu reduzieren. Der Beschluss der Österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK), an der der Bund, die Länder, Städte und Gemeinden beteiligt sind, wurde im Juni vertagt. Ebenfalls im Regierungsprogramm enthalten ist die "Behaltefrist für die Kapitalertragsteuerbefreiung für Kursgewinne bei Wertpapieren und Fondsprodukten". Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hat kürzlich vorgeschlagen, ab 2024 ein Vorsorgedepot einzuführen, das nach einer Behaltefrist von zehn Jahren eine steuerfreie Auszahlung der Vorsorgegelder ermöglicht.

Regierung verhandelt auch über Pensionssplitting und Bildungspflicht

Das von der ÖVP befürwortete automatische Pensionssplitting ist bislang am Widerstand der Grünen gescheitert, die ein umfangreicheres Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Altersarmut von Frauen fordern. Auch die Einführung einer Bildungspflicht, welche Jugendlichen das Verlassen des Schulsystems erst nach Erreichen bestimmter Bildungsziele ermöglichen würde, sowie die Implementierung einer "Mittleren Reife" vor dem Abschluss der 9. Schulstufe sind bisher nicht realisiert worden. Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) äußerte gegenüber der APA zuletzt Zweifel, ob diese Pläne noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden können, betonte jedoch, dass intensive Gespräche stattfinden.

Nicht im Regierungsprogramm, aber schon länger auf der Wunschliste beider Koalitionsparteien findet sich eine Änderung der Weisungskette der Staatsanwälte, an deren Spitze derzeit die Justizministerin steht. Geht es nach den Grünen, soll ein Dreier-Senat an der Spitze einer Generalstaatsanwaltschaft entscheiden, die ÖVP will einen dem Parlament verantwortlichen Bundesstaatsanwalt.

Kopftuchverbot für Schülerinnen und Sicherungshaft vor Wahl wohl vom Tisch

Gänzlich vom Tisch ist indes das im Regierungsprogramm anvisierte Kopftuchverbot für Schülerinnen bis 14 Jahre. Im Dezember 2020 hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) das Kopftuchverbot an den Volksschulen aufgehoben, die Grünen schlossen danach sowohl einen neuerlichen Anlauf als auch die Ausweitung bis 14 Jahre aus. Nicht umgesetzt wurde auch die von der ÖVP gewünschte Sicherungshaft für Gefährder "zum Schutz der Allgemeinheit", wie es im Programm heißt. Die Grünen argumentierten damit, dass das im Rahmen der Verfassung nicht möglich sei. Die Lösung müsse per Regierungsprogramm aber verfassungskonform sein.

Nicht mehr als ein frommer Wunsch blieb die Absicht, die Schuldenquote Österreichs in Richtung des Maastricht-Ziels von 60 Prozent zu senken sowie ein Nulldefizit einzuhalten. Krisen von Corona bis Teuerung machten der Regierung einen Strich durch die Rechnung. 2024 sieht das Budget ein Defizit von 2,7 Prozent und eine Schuldenquote von 76,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) vor.

VfGH gibt Regierung vor Nationalratswahl weitere Arbeit

Doch nicht nur das Regierungsprogramm muss abgearbeitet werden, hat doch auch der VfGH für Hausaufgaben gesorgt. Nur ein Beispiel ist das neue ORF-Gesetz, mit dem u.a. die GIS ab diesem Jahr durch eine Haushaltsabgabe ersetzt wurde. Die Neuregelung war notwendig geworden, nachdem das Höchstgericht die Gratisnutzung des ORF im Internet für verfassungswidrig erklärt hat. Und auch die ORF-Gremien müssen nach einem Entscheid des VfGH reformiert werden, hat die Regierung doch zu viel Einfluss bei der Besetzung von Publikums- und Stiftungsrat. Ob Türkis-Grün diese Reform vor der Wahl noch angehen wird, bleibt fraglich. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hatte kürzlich betont, sich dafür Zeit nehmen zu wollen.

Für verfassungswidrig befand das Gericht auch die Rechtsberatung für Asylwerber durch die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes stehende Bundesbetreuungsagentur (BBU) - die Unabhängigkeit sei nicht gesichert. Bis Juli 2025 ist für eine Neuregelung Zeit, auch hier ist also nicht mehr zwangsläufig Türkis-Grün am Zug.

Anders ist das wohl bei der Sicherstellung von Handys, die ebenfalls vom VfGH gekippt wurde. Gibt es keine richterliche Genehmigung, so ist die Sicherstellung laut einem Erkenntnis vom Dezember 2023 verfassungswidrig. Bis Ende 2024 muss eine Reparatur erfolgen. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) will diese Reform mit einer Überwachungsmöglichkeit von Messenger-Diensten verknüpfen, auf die er schon länger drängt. Auch im Regierungsabkommen ist davon die Rede, dass die Schaffung einer Regelung zur Überwachung von verschlüsselten Nachrichten im Internet geprüft werden soll. Derzeit hinke man hier ausländischen Diensten hinterher, so Karner, der den Koalitionspartner bis dato aber nicht von der Idee überzeugt hat. Die Grünen wiesen darauf hin, dass der VfGH die Überwachung von Computersystemen mittels "Bundestrojaner" bereits 2019 gekippt hat.

Nicht zuletzt stehen Personalia-Entscheidungen an. Schwierigkeiten macht offenbar die Besetzung der Leitung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), können sich ÖVP und Grüne doch seit mehr als einem Jahr nicht auf eine Person verständigen. Auch muss Österreich ein Mitglied für die EU-Kommission entsenden, gute Karten haben wohl Europaministerin Edtstadler und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP).

Regierung verweist auf bereits umgesetzte Projekte

Viele Projekte sind allerdings bereits umgesetzt, betonen Regierungsmitglieder doch immer wieder, ihr Regierungsprogramm abzuarbeiten. So einigte sich die Koalition vor weniger als einem Monat mit der SPÖ auf ein Informationsfreiheitsgesetz und somit auf die Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Geschafft ist auch die Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das nach einer Razzia im Februar 2018 mit Vertrauensverlusten auf internationaler Ebene zu kämpfen hatte. Die neue Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) gibt es seit Ende 2021.

Geschichte ist die Kalte Progression. Die Steuerstufen werden nun an die Teuerung angepasst, damit Steuerzahlerinnen und Steuerzahler mit den jährlichen Lohnerhöhungen nicht mehr in höhere Steuerstufen rutschen. Das Thema Klima, das sich durch das gesamte Regierungsprogramm zieht, stand im Mittelpunkt der ökosozialen Steuerreform, die u.a. die CO2-Bepreisung und den Klimabonus brachte.

Ebenso hat sich die Regierung einen neuen Finanzausgleich und damit ein neues Übereinkommen über die Verteilung der Steuergelder zwischen Bund, Ländern und Gemeinden vorgenommen. Im Zentrum des von heuer bis 2028 geltenden Pakts steht ein Zukunftsfonds, der jährlich mit gut einer Milliarde Euro dotiert ist und über den - ohne Sanktionsmöglichkeit - Vorgaben in den Bereichen Elementarpädagogik, Wohnen und Klimaschutz erreicht werden sollen.

Aus dem Fonds, aber auch aus anderen Quellen sollen auch die Mittel für den im Regierungsprogramm festgeschriebenen Ausbau der Kinderbetreuung stammen - insgesamt werden bis 2030 4,5 Milliarden Euro investiert. Auch mit der Gesundheitsreform - ebenfalls mit dem Finanzausgleich paktiert - sind Vorhaben umgesetzt worden. So werden etwa die Gründung von Gruppenpraxen und Primärversorgungseinheiten vereinfacht, die Gesundheitsberatung 1450 ausgebaut und Wahlärzte ab 2026 zur Teilnahme am E-Card-System verpflichtet. Die Pflegereform bringt etwa die Einführung einer Pflegelehre und Vereinfachungen bei der Nostrifikation.

(APA/Red)

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