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SPÖ-Chefin Rendi-Wagner braucht weiterhin einen langen Atem

Die Führungs-Debatte bleibt weiterhin in Bewegung.
Die Führungs-Debatte bleibt weiterhin in Bewegung. ©APA/MICHAEL GRUBER
Am gestrigen SPÖ-Parteitag erhielt Rendi-Wagner eine Zustimmung von 75 Prozent. Damit braucht sie als Partei-Chefin weiterhin einen langen Atem.
Wiederwahl mit historischem Tiefstand

Pamela Rendi-Wagner ist wieder einmal angezählt. Ihr Ergebnis von gerade 75 Prozent beim samstägigen SPÖ-Parteitag ist ein Misstrauensvotum von immerhin einem Viertel der Delegierten. Bisher hat sich die Parteivorsitzende als Steherin erwiesen. Am Parteitag selbst machte sie den Eindruck, die Partei auch diesmal nicht sitzen zu lassen. Ob sie mittelfristig nicht doch andere Optionen in Erwägung zieht, wird die disziplinierte Medizinerin wohl sorgfältig überlegen.

Rendi-Wagner immer wieder innerparteilich kritisiert

Auch wenn der 50-Jährigen innerparteilich schon lange, spätestens seit den Debakeln bei Europa- und Nationalratswahl kühler Wind entgegenweht, hatte man zuletzt den Eindruck, dass sich Rendi-Wagner und ihre Partei aneinander gewöhnt hätten. Selbst ihre schärfsten Kritiker gingen am Rande des Parteitags davon aus, dass sie ein akzeptables Ergebnis, das wohl bei 85 Prozent begonnen hätte, erreichen würde.

Freilich es kam anders. Im Nachhinein betrachtet hatte sich das schon bei Rendi-Wagners Rede angedeutet, die durchaus kantig war, mit dem in der Partei verhassten VP-Chef Sebastian Kurz abrechnete und inhaltlich den Linkskurs vertrat, der in der SPÖ aktuell durchaus en vogue ist. Wiewohl Rendi-Wagner großteils frei und souverän sprach, wollte der Funke nicht überspringen. Der Beifall war brav, die Standing Ovations zum Abschluss Pflichtübung.

Rendi-Wagner eigentlich Inkarnation des sozialdemokratischen Erfolgwegs

Zumindest gegenwärtig trifft die Vorsitzende das Herz ihrer Partei also nicht. Dabei ist sie eigentlich die Inkarnation des sozialdemokratischen Erfolgswegs. In finanziell schwachen Verhältnissen im Wiener Gemeindebau Per-Albin-Hansson-Siedlung groß geworden, ihre Mutter alleinerziehend, schaffte es Rendi-Wagner mit Fleiß und Ehrgeiz, zur erfolgreichen Ärztin, Spitzenbeamtin, Ministerin und letztlich sogar zur ersten weiblichen Vorsitzenden der SPÖ zu werden.

Das Problem ist nur, dass man ihr diese Vergangenheit nicht mehr anmerkt. Ihr Auftreten mutet bürgerlich an. Rendi-Wagner repräsentiert in den Augen vieler eher Oberschicht als Arbeiterklasse, da kann sie sozialdemokratisches Vokabular herunterklopfen, so oft sie will.

Politisch gesehen kommt Rendi-Wagner aus dem Medizinersektor. Als Generaldirektorin für die Öffentliche Gesundheit hoch geachtet, machte sie der damalige Kanzler Christian Kern (SPÖ) nach dem Tod Sabine Oberhausers zur Gesundheits- und Frauenministerin.

Rendi-Wagner erste weibliche SPÖ-Vorsitzende

Während Kerns andere Quereinsteiger verblassten, ging es für Rendi-Wagner weiter nach oben, und das obwohl sie als Ministerin (auch durch ihre kurze Amtszeit) wenig auffallen konnte. Bei der Nationalratswahl schaffte sie es schon auf Listenplatz zwei und als Kern überhastet den Hut draufhaute, zeigte sie als einzige auf und übernahm als erste Frau in der Geschichte der österreichischen Sozialdemokraten die Partei.

Wirklich warm wurde die SPÖ mit ihrer Vorsitzenden freilich nie und das wohl auch, weil ihr der Stallgeruch fehlte, war sie doch nicht einmal zwei Jahre vor ihrer Kür der Partei beigetreten. Flott machte sich Rendi-Wagner auch durch Personalentscheidungen Feinde, die ihr bis heute geblieben sind. Hätte es beim Wähler gepasst, wäre das wohl egal gewesen. Als dann das Debakel bei der Nationalratswahl jenem bei der EU-Wahl folgte und sie der Basis auch noch "Die Richtung stimmt" zurief, wurden die Messer gewetzt.

Rendi-Wagner trotzte Rücktritts-Gerüchten

Ab da wurde wellenartig lanciert, dass Rendi-Wagner wohl bald das Weite suchen würde. Das scheint ihren Trotz angestachelt zu haben. Mit dem Kunstgriff einer Vertrauensfrage an die Basis, die von der positiv beantwortet wurde, richtete sich die Chefin wieder im Sattel auf. Corona kam Rendi-Wagner zur Hilfe. Mit epidemiologischer Kompetenz wusste sie zu punkten. Die oppositionelle Schmutzarbeit im Untersuchungsausschuss überließ sie lieber anderen.

Damit war eigentlich alles angerichtet für einen friedlichen Parteitag. Eine Entscheidung über die Spitzenkandidatur stand ohnehin nicht an, man hätte erwartet, dass Rendi-Wagner noch Zeit gegeben wird, in den Umfragen gegenüber der Kurz-ÖVP weiter aufzuholen.

Mit dem schwachen Votum gibt man Rendi-Wagner nun auf andere Art und Weise das Heft in die Hand. Die innerparteilichen Gegner harren zunächst interessiert, ob sich die Mutter zweier Töchter das ganze wirklich weiter antun will - im Wissen, dass sie beruflich auch ganz andere Möglichkeiten hätte.

Für Rendi-Wagner mag es verführerisch sein, Politik und vor allem Parteifreunde hinter sich zu lassen. Dass es keine mehrheitsfähigen Nachfolger gibt und Chaos droht, könnte ihr egal sein. Doch sicher ist es keineswegs, dass sie es bleiben lässt. So gut hat man Rendi-Wagner mittlerweile kennengelernt, dass sie sich höchst ungern verdrängen lässt. Will jemand anderer Sebastian Kurz herausfordern, wird er sich möglicherweise aus der Hecke herauswagen müssen.

Rendi-Wagner: Zur Person

Zur Person: Joy Pamela Rendi-Wagner, geboren am 7. Mai 1971 in Wien, verheiratet mit dem Diplomaten Michael Rendi, zwei Töchter, 1996 Promotion an der Medizinischen Universität Wien, Facharztausbildung in London, wissenschaftliche Arbeit am Institut für Tropenmedizin der Med-Uni Wien, 2008 Habilitation, Gastprofessur an der Universität Tel Aviv, ab 1. März 2011 Sektionschefin und Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit im Gesundheitsministerium, ab 8. März 2017 Gesundheits- und Frauenministerin, seit der Regierungsbildung von ÖVP und FPÖ Abgeordnete zum Nationalrat und Gesundheitssprecherin der SPÖ. Seit 25. September 2018 Vorsitzende der SPÖ, zunächst geschäftsführend.

NÖ Landesparteichef Schnabl: "Bedaure das Ergebnis"

Wenig zufrieden hat sich Niederösterreichs SPÖ-Chef LHStv. Franz Schnabl am Tag nach dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten gezeigt. Die Delegierten hatten der Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner mit 75,3 Prozent ein enttäuschendes Resultat beschert. "Ich bedaure das Ergebnis, hätte mir eigentlich mehr Reife des Bundesparteitags gewünscht", sagte Schnabl, der Rendi-Wagner seine "einhundertprozentige Unterstützung" versprach.

"Jegliche Gerüchte, dass ich nicht für Rendi-Wagner gestimmt hätte, weise ich entschieden zurück", betonte der Landesvize auf APA-Anfrage. Im Schlussstatement sei "klar zu erkennen" gewesen, "dass sie weiterkämpft". Gestreute Gerüchte aus der eigenen Partei seien kontraproduktiv, betonte Schnabl. Gleichlautend hatte auch "Heute" online den SPÖ-Politiker am Sonntag zitiert.

"Wir brauchen als Landespartei eine superstarke Bundespartei", betonte Niederösterreichs SPÖ-Chef mit Verweis auf die ÖVP und eine "sehr instabile bundespolitische Lage" im Bund. Die Sozialdemokratie müsse sich nun "geeint zeigen und nach vorne schauen".

Schnabl selbst liegt am Herzen, "die Situation der Menschen in Österreich zu verbessern und nicht nur Ergebnisse zu diskutieren". Als thematische Schwerpunkte nannte er Arbeit, Wirtschaft, Pflege und Bildung.

(APA/Red)

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