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Rendi-Wagner: Wiederwahl mit historischem Tiefstand

Rendi-Wagner hat sich selbst 72 Prozent als Ziel gesetzt.
Rendi-Wagner hat sich selbst 72 Prozent als Ziel gesetzt. ©APA/MICHAEL GRUBER
Mit nur 75,3 Prozent wurde am Samstag Pamela Rendi-Wagner zur Parteivorsitzenden der SPÖ wiedergewählt. Das ist das schlechteste Ergebnis bei einer SPÖ-Wahl ohne Gegenkandidaten.
Rendi-Wagner rechnet mit "System Kurz" ab

Der SPÖ-Bundesparteitag ist am Samstag der Regie entglitten. Nicht nur bescherten die Delegierten ihrer Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner mit 75,3 Prozent ein enttäuschendes Ergebnis, durch mangelnde Anwesenheitsdisziplin musste die Veranstaltung in der Wiener Messe sogar abgebrochen werden. Die Anträge zur Statutenreform konnten nicht abgestimmt werden, da nicht einmal mehr die Hälfte der Delegierten anwesend war. Sie verfallen nun.

Schlechtestes Ergebnis seit 1967 für Vorsitzenden

Im Zentrum des Parteitags, der das Motto "sozial.demokratisch.gerade.jetzt" trug, stand die Vorsitzende, die vor drei Jahren zwar von 98 Prozent zur ersten Chefin der SPÖ gewählt worden war, seither aber einiges an internem Gegenwind auszuhalten hatte. Fast kokett erschien trotzdem im Vorfeld ihre Aussage, wonach ihre Messlatte jene gut 71 Prozent seien, die sie bei einer Vertrauensfrage an die Basis im Vorjahr erhalten hatte.

Beinahe wäre selbst diese defensive Ansage zu hoch gegriffen gewesen. Denn zwar wählten mehr als 90 Prozent Rendi-Wagner in den Parteivorstand, bei der Kür der Parteivorsitzenden bekam sie aber nur 75,3 Prozent. Das war das schlechteste Ergebnis seit Bruno Kreisky, den 1967 nach dem erbitterten Duell mit Bruno Pittermann im Vorfeld nur 69,8 Prozent der Delegierten unterstützt hatten.

Abrechnung mit der ÖVP

Angesichts des schwachen Ergebnisses, das vom Vorsitzenden der Wahlkommission möglichst rasch runtergerattert wurde, war auch das weitere Prozedere ungewöhnlich. Weder wurde Rendi-Wagner auf die Bühne gerufen noch gab es Geschenke oder wurde das Ergebnis auf der Video-Wall eingeblendet. Sie selbst ergriff erst wieder am Ende des Parteitags das Wort und gab sich unbeirrt. "Gerade jetzt" wolle sie für sozialdemokratische Inhalte und gegen das "System Kurz" "weiter kämpfen".

Die Abrechnung mit dem "türkisen System" nahm breiten Raum in der kantigen, großteils frei vorgetragenen Rede ein. Ein nie da gewesener moralischer Tiefstand sei erreicht worden, konstatierte die SPÖ-Chefin in ihrer dreiviertelstündigen Ansprache. Von "zügellosem Treiben" und "Hochmut" war die Rede. Justiz, Medien, Kunst und Kultur und katholische Kirche würden von einer "türkisen Führungstruppe" unter Druck gesetzt, "die eine ehemals staatstragende Partei gekidnappt hat". "Wie weit soll dieses zügellose Treiben noch gehen", fragte sich Rendi-Wagner und versicherte begleitet von freundlichem Applaus: "Wir werden uns diesem Hochmut mit aller Kraft entgegenstellen." Eine Koalition mit einer ÖVP unter Sebastian Kurz schloss Rendi-Wagner de facto aus.

Inhaltlich positionierte sich die Parteichefin deutlich links der Mitte: "Mehr privat, weniger Staat ist gescheitert." Folgerichtig warb sie für staatliche Beteiligungen. "Made in Austria" sollte wieder in den Vordergrund rücken. Auch kürzere Arbeitszeiten stehen weit oben auf Rendi-Wagners aktueller Agenda. Die Massenarbeitslosigkeit sei ein "Skandal für das Land". Das Gegenrezept der SPÖ-Vorsitzenden: "Es gibt keinen wirksameren Jobmotor als die Verkürzung der Arbeitszeit, warb sie für die staatlich geförderte Vier-Tage-Woche.

Die Krisenkosten dürften nicht an den Arbeitenden hängen bleiben, verlangte Rendi-Wagner. Stattdessen müssten die Online-Multis ihren "gerechten Beitrag" leisten, auch die Millionäre und Milliardäre über Vermögens- und Erbschaftssteuern: "Breite Schultern müssen schwerere Lasten tragen können."

SPÖ-Parteitag am Ende nicht mehr beschlussfähig

Nach der Debatte über das Statut hätte sogar über einen entsprechenden Antrag abgestimmt werden sollen, auch wenn der von der Parteispitze im Vorfeld nicht unterstützt worden war. Was die Delegierten davon hielten, erfuhr man aber nicht. Denn da etliche den sonnigen Tag am Nachmittag lieber sonstwo als in der Messe verbrachten, wurde die Mindestanwesenheit sogar recht deutlich verfehlt. Alle Anträge zu diesem Punkt, unter anderem auch zur Direktwahl der Vorsitzenden, konnten daher nicht mehr abgestimmt werden. Sie können erst im Vorfeld des nächsten Parteitags, der plangemäß 2024 stattfindet, wieder eingebracht werden. Der Event am Samstag ging überstürzt mit kurzen Rendi-Dankesworten und dem "Lied der Arbeit" zu Ende.

Die Stimmung war da freilich schon einige Stunden getrübt. Weniger wurde dem Rede-Marathon zu den Anträgen gelauscht als überlegt, wie es zum schwachen Ergebnis für Rendi-Wagner gekommen war. Denn kein einziger Delegierter hatte auf der Bühne Kritik an der Vorsitzenden geübt. Verdächtigt wurden vor allem Niederösterreicher, Steirer und Burgenländer. Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, Rendi-Wagners prominentester Kritiker, hatte sich ja mit dem Parteitag aus allen Bundesfunktionen zurückgezogen. In einer schlanken Aussendung nahm sein burgenländischer Landesgeschäftsführer Robert Fuchs das Votum für die Gremien "zur Kenntnis" und wünschte den Gewählten "alles Gute und viel Glück."

Schwächstes Ergebnis ohne Gegenkandidaten

Die Delegierten - 589 gaben die Stimme ab - belohnten die Rede letztlich nicht. Doch auch andere Präsidiumsmitglieder konnten nicht sonderlich reüssieren, darunter mit dem niederösterreichischen Landesvorsitzenden Franz Schnabl (83,5 Prozent) ein Rendi-Wagner-Kritiker. Ebenfalls die 90 Prozent verpassten der Tiroler Parteichef Georg Dornauer (86 Prozent) und die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (knapp 89). Im Vorstand blieben alle Kandidaten über 90 Prozent. Das beste Ergebnis der Stellvertreter erzielte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser mit 98,1 Prozent. Knapp dahinter folgte Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (97,1), der in seiner Rede ausdrücklich Rendi-Wagner unterstützt hatte.

Inhaltlich stehen zehn Leitanträge im Mittelpunkt, in denen unter anderem eben eine Arbeitszeit-Verkürzung, Reichen- und Erbschaftssteuern sowie die Abschaffung von Selbstbehalten im Gesundheitswesen gefordert werden. Die Anträge gibt es übrigens erstmals nicht in Papierform, sie sind nur auf einer eigens eingerichteten Website parteitag.spoe.at abrufbar.

(APA/red)

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