AA

Schallenberg folgt Kurz als Bundeskanzler: Ein Portrait

Alexander Schallenberg folgt Sebastian Kurz als Bundeskanzler.
Alexander Schallenberg folgt Sebastian Kurz als Bundeskanzler. ©APA/ROBERT JAEGER
Nach den Korruptionsermittlungen gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündete dieser am Samstag seinen Rücktritt. Außenminister Alexander Schallenberg wird sein Nachfolger.
Kurz-Rücktritt: Eine Chronologie
Grüne wollen Koalition fortsetzen
Kurz tritt als Bundeskanzler zurück

Türkis-Grün ist gerettet. Voraussetzung dafür war Samstagabend der Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dessen Nachfolger Alexander Schallenberg wird. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) kündigte an, unter diesen Umständen die Koalition fortsetzen zu wollen - dies obwohl Kurz als künftiger Klubchef der ÖVP ein gewichtiger Machtfaktor in der Koalition bleibt.

Schallenberg folgt Kurz als Bundeskanzler

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wurde von allen Beteiligten bereits informiert. Kogler wird am Sonntag mit Schallenberg zusammentreffen. Wann dessen Angelobung ist, war noch unklar, vermutlich Anfang der Woche. Der Budgetrede am Mittwoch steht damit wohl nichts mehr im Weg. Kogler hob bereits die bisher sehr konstruktive Zusammenarbeit mit Schallenberg hervor, der als enger Kurz-Vertrauter gilt, mit der die Schlagzeilen dominierenden Inseraten-Affäre aber nach jetzigem Wissensstand nichts zu tun hat. Der Rest des VP-Regierungsteams bleibt, gesucht wird eine neue Person für das Außenamt.

Alexander Schallenberg im Portrait

Als Schuldeingeständnis gilt der Schritt von Kurz keineswegs. Ganz im Gegenteil kündigte er an, vom Parlament aus seine Unschuld beweisen zu wollen. Daher wird er auch selbst die Aufhebung seiner Immunität beantragen, um weitere Ermittlungen zu ermöglichen.

Schon das Außenministerium war nicht Teil seiner Lebensplanung, wenn man ihm glaubt. Nun wird es vielleicht sogar das Kanzleramt. Spitzen-Diplomat Alexander Schallenberg hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht, angeblich ohne das zu wollen. Dass mit ihm ein enger Vertrauter des baldigen Comeback-Altkanzlers Sebastian Kurz das Ruder übernehmen soll, macht eine weitere Zusammenarbeit von Türkis und Grün nicht unbedingt leichter.

Hardliner in der Flüchtlingspolitik

Freilich, Schallenberg ist an sich ein umgänglicher Typ, der sich allerdings bisher nur selten in die Tagespolitik verirrt hat. Wenn, dann tauchte er abseits von Auslandsreisen als Hardliner in der Flüchtlingspolitik auf, im In- wie im Ausland. Dabei überraschte er ab und an auch mit einer für einen Chefdiplomaten eher brachialen Rhetorik - etwa nach dem Brand im griechischen Lager Moria. Da kritisierte er das "Geschrei" nach Verteilung von Flüchtlingen. Hartherzig wollte sich der geschiedene vierfache Vater dann aber auch nicht nennen lassen.

Für Aufsehen sorgte Schallenberg in jüngerer Zeit auch mit dem Hissen der israelischen Fahne auf seinem Regierungsgebäude als Reaktion auf die Eskalation in Nahost vergangenen Mai. Wenig Freude hatte der Außenminister damit, jüngst Österreicher mit afghanischer Abstammung aus deren Herkunftsland zu holen, als die Taliban die Macht übernahmen. Auch die Rückholung der Österreicher zu Beginn der Corona-Pandemie gehörte zu seinen Herkulesleistungen.

Lebenslauf von Alexander Schallenberg

Die Diplomatie wurde dem 53-Jährigen quasi in die Wiege gelegt. 1969 in Bern als Sohn des Botschafters und späteren Generalsekretärs im Außenministerium Wolfgang Schallenberg, geboren, wuchs er in Indien, Spanien und Frankreich auf. Von 1989 bis 1994 studierte er Rechtswissenschaften in Wien und Paris, danach Europäisches Recht am Europacollege in der belgischen Stadt Brügge. Wurzeln hat er im Mühlviertel in Oberösterreich, sein nasaler Sprechstil steht aber wie seine Art von Humor eher fürs diplomatische Parkett.

Schallenbergs erste Auslandsstation war Brüssel, genauer die österreichische EU-Vertretung dort, wo er fünf Jahre lang die Rechtsabteilung leitete. Zurück in Österreich machte sich Schallenberg als Pressesprecher der früheren Außenministerin Ursula Plassnik sowie später von deren Nachfolger Michael Spindelegger (beide ÖVP) einen guten Namen.

Als Kurz die Agenden des Außenministers übernahm, beförderte er den Kommunikationsprofi zum Leiter für "strategische außenpolitische Planung". Auch in den Regierungsverhandlungen nach der Nationalratswahl 2017 zählte Kurz auf ihn. So folgte der ausgewiesene Europaexperte ihm auch ins Bundeskanzleramt, wo er während der türkis-blauen Regierungszeit die Stabsstelle Strategie und Planung leitete.

Zu Ministerehren kam er in der Experten-Regierung nach Ibiza, wo er das Außenamt für den Übergang leitete. Allerdings galt er damals schon als heimlicher Kanzler, der die in Regierungsgeschäften unerfahrene Brigitte Bierlein tatkräftig unterstützte, wohl auch mit einem leichten Seitenblick auf Nutzen für die Volkspartei.

Nunmehr dürfte Schallenberg - die Zustimmung der Grünen vorausgesetzt - auch ganz offiziell das Kommando übernehmen. Wie lange das gut geht, steht in den Sternen. Für eine längere Verweildauer wäre wohl auch ein gewisser Abnabelungsprozess von Kurz vonnöten. Auf Schallenberg wartet damit die ultimative Gelegenheit, diplomatisches Geschick zu beweisen.

Zur Person: Alexander Schallenberg, geboren am 20. Juni 1969 in Bern (Schweiz), geschieden, Vater von vier Kindern. Jurist. Seit 1997 im Außenministerium, u.a. an Österreichs Vertretung bei der EU in Brüssel, weist er eine lange Karriere in ÖVP-Kabinetten auf. Ab 2006 Pressesprecher von Außenministerin Ursula Plassnik und ab 2008 von ihrem Nachfolger Michael Spindelegger. Ab 2013 unter Außenminister Sebastian Kurz für "strategische außenpolitische Planung" zuständig. Ab 1. März 2018 Leiter der EU-Koordinationssektion des Bundeskanzleramts, ab 3. Juni 2019 Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres im Übergangskabinett von Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein, seit Jänner 2020 Außenminister im Kabinett Kurz II.

(APA/Red)

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Schallenberg folgt Kurz als Bundeskanzler: Ein Portrait
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen