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"Um Chaos zu verhindern": Kanzler Kurz tritt zurück

Bundeskanzler Kurz gab seinen Rücktritt bekannt.
Bundeskanzler Kurz gab seinen Rücktritt bekannt. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Samstag gab Bundeskanzler Sebastian Kurz seinen Rücktritt bekannt. Der Schritt sei kein leichter für ihn, jedoch hätte sich der Koalitionspartner gegen ihn gewandt. Als seinen Nachfolger nannte Kurz den jetzigen Außenminister Alexander Schallenberg.

Bundeskanzler Sebastian Kurz tritt nach den Korruptionsvorwürfen gegen ihn zurück und wechselt als Klubchef der ÖVP in den Nationalrat. Als seinen Nachfolger schlägt er Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) vor.

Kurz wird Auslieferung beantragen

Ein Schuldeingeständnis bedeutet diese Ankündigung bei einem Presseauftritt Samstagabend nicht. Kurz bezeichnete die Vorwürfe gegen ihn neuerlich als falsch. Der Parlamentsklub der ÖVP kündigte gegenüber der APA an, dass Kurz eine Aufhebung der Immunität beantragen werde, damit die Ermittlungen gegen ihn fortgesetzt werden können und er seine Unschuld beweisen kann.

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Kurz und neun weitere Personen, teils aus seinem engsten Umfeld, wegen des Verdachts der Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Die Vorwürfe seien "falsch, und ich werde das auch aufklären können", bekräftigte Kurz. Einmal mehr verlangte er auch, dass die Unschuldsvermutung für alle im Land gelten müsse. Die bekanntgewordenen unappetitlichen SMS verteidigte Kurz damit, dass er sie "teilweise in der Hitze des Gefechts geschrieben" habe, manche würde er auch so nicht mehr schreiben. "Aber ich bin eben auch nur ein Mensch mit Emotionen und Fehlern." Viele Spitzenpolitiker hätten so etwas schon erlebt, doch nun sei es auch so gewesen, dass sich der Koalitionspartner entschlossen habe, "sich klar gegen mich zu positionieren", beklagte Kurz.

Rücktritt von Kurz: "Mein Land ist mir wichtiger als meine Person"

Er begründete seinen Abgang damit, dass er Monate des Chaos und des Stillstands vermeiden wolle. Auch wolle er ein Vier-Parteien-Experiment auf Gnaden von FPÖ-Obmann Herbert Kickl vermeiden: "Mein Land ist mir wichtiger als meine Person."

Es sollte in so einer Situation nicht um persönliche Interessen, Parteiinteressen oder politische Taktik gehen, sagte Kurz. "Mein Land ist mir wichtiger als meine Person." Er sprach in seiner Erklärung, bei der keine Fragen zugelassen waren, dennoch von Unterstützung "aus allen Bundesländern", Teilorganisationen der ÖVP und aus der Bevölkerung. Nichtsdestotrotz befinde man sich derzeit in einer "Zuspitzung" zwischen den beiden Koalitionspartnern und "damit in einer Pattsituation". Die Pandemie sei nicht vorbei, Budget und Steuerreform seien noch nicht beschlossen.

Für die Grünen ging sich ein Kanzler unter Korruptionsverdacht nicht mehr aus, weiterregieren wollte man aber sehr wohl. Vizekanzler Werner Kogler stellte quasi ein Ultimatum: Kurz sollte durch eine untadelige Person ersetzt werden. Andernfalls hätten die Grünen ziemlich sicher einen Misstrauensantrag der Opposition gegen Kurz im Nationalrat am Dienstag unterstützt - dann hätte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kurz des Amtes entheben müssen. Kurz hat sich in den vergangenen Tagen vehement gegen einen Rückzug gewehrt, zuletzt wurde nach Informationen der APA allerdings der Druck aus den ÖVP-Landesparteien zu groß. In einer Krisensitzung setzten die Länderspitzen schließlich Samstagabend ihren Willen durch, Kurz ließ eine kurzfristige Presseerklärung einberufen.

ÖVP-Regierungsteam soll Arbeit mit Schallenberg als Kanzler fortsetzen

Er habe das ÖVP-Regierungsteam ersucht, die Arbeit fortzusetzen und dem Bundespräsidenten Außenminister Alexander Schallenberg als neuen Bundeskanzler vorgeschlagen, erklärte Kurz. Schallenberg verfüge über das notwendige diplomatische Geschick, das Vertrauen zwischen den Parteien wieder aufzubauen.

Ganz zieht sich Kurz freilich nicht zurück: "Ich werde als Parteiobmann und Klubobmann ins Parlament zurückkehren und die Chance nutzen, um die Vorwürfe zu entkräften." Mit der Rückkehr in den Nationalrat wird er sein über die Bundesliste der ÖVP erworbenes Mandat annehmen. Für einen Kollegen bedeutet das den Verlust des Parlamentssitzes. Wird nicht auf den Listen herumgeschoben, trifft es den Oberösterreicher Werner Saxinger. Der Mediziner war erst im April des Vorjahres für den früheren Justizminister Josef Moser nachgerückt.

Kurz hatte sich tagelang dagegen gewehrt, zurückzutreten - zuletzt wurde der Druck aus seinen Landesparteien aber zu groß. Mit dem Schritt kommt man dem Koalitionspartner entgegen - die Grünen hatten betont, mit der ÖVP weiter regieren zu wollen, als Voraussetzung aber genannt, dass Kurz durch eine "untadelige Person" ersetzt werde. Kurz drohte im Nationalrat am Dienstag ein Misstrauensantrag der Opposition, der mithilfe der Grünen eine Mehrheit hätte finden können - dann hätte Bundespräsident Alexander Van der Bellen Kurz des Amtes entheben müssen.

Hofburg informiert, vorerst keine Stellungnahme

Bundespräsident Alexander Van der Bellen war vom Rücktritt des Bundeskanzlers informiert. Das hat sein Sprecher der APA am Samstagabend bestätigt. Bestätigt hat ein Sprecher Van der Bellens auch, dass Kurz Schallenberg als Nachfolger vorgeschlagen hat. Zur weiteren Vorgehensweise äußern wird sich das Staatsoberhaupt aber wohl frühestens am Sonntag. Für Samstag sei keine Stellungnahme zu erwarten, hieß es aus der Hofburg.

Rechtlich ist Van der Bellen bei der Ernennung des neuen Bundeskanzlers zwar nicht an Kurz' Vorschlag gebunden. In der Praxis muss allerdings jeder vom Bundespräsidenten angelobte Regierungschef über eine Mehrheit im Nationalrat verfügen. Formal nötig ist vor der Angelobung auch ein Rücktrittsschreiben des scheidenden Kanzlers Kurz. Damit dürfte dessen Amtsenthebung und die Angelobung seines Nachfolgers wohl erst am Montag zu erwarten sein.

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(APA/Red)

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