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Reaktion auf Frauenmordserie: SPÖ fordert Regierung zum Handeln auf

Heinisch-Hosek (SPÖ) verlangt nach der aktuellen Frauenmordserie eine Einbindung der Opferschutzeinrichtungen und mehr Mittel
Heinisch-Hosek (SPÖ) verlangt nach der aktuellen Frauenmordserie eine Einbindung der Opferschutzeinrichtungen und mehr Mittel ©APA/ROBERT JAEGER
Allein im heurigen Jahr sind in Österreich neun Frauen von ihren Ex-Partnern getötet worden, zuletzt eine 35-Jährige am Donnerstag in Wien. Nun hat die SPÖ die Regierung zum Handeln aufgefordert.
Mückstein: Kampagne gegen Männergewalt
Nehammer und Raab planen Sicherheitsgipfel

Nach der aktuellen Frauenmordserie wurde für Montag ein Sicherheitsgipfel im Innenministerium angesetzt. "Schöne Worte alleine reichen nicht", sagte SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek im Vorfeld des Sicherheitsgipfels. In einer Petition fordert die SPÖ u.a. die Wiedereinführung der sogenannten "Fallkonferenzen".

SPÖ-Petition "Stopp Femizide" vorgestellt

Kritik übte Heinisch-Hosek bei der Vorstellung der SPÖ-Petition "Stopp Femizide" Montagfrüh vor dem Parlament-Ersatzquartier in der Hofburg auch an der Zusammensetzung des geplanten Gipfels, an dem Frauenministerin Susanne Raab, Innenminister Karl Nehammer (beide ÖVP) und die neun Landespolizeidirektoren und Landeskriminalamtsleitern teilnehmen werden. Heinisch-Hosek verlangte etwa auch die Einbindung von Opferschutzeinrichtungen. Auch solle ein solcher Gipfel künftig zweimal im Jahr stattfinden, so ihre Forderung. Darüber hinaus brauche es einen "institutionalisierten Krisenstab", der sich ständig mit dem Thema beschäftigt, sagte sie zur APA.

Heinisch-Hosek stellte SPÖ-Unterschriftenaktion vor

Bei dem von den SPÖ-Frauen organisierten Gedenken an die Opfer der jüngsten Frauenmorde, aber auch an all jene der letzten Jahrzehnte, stellte Heinisch-Hosek auch die SPÖ-Unterschriftenaktion "Stopp Femizide. Endlich ein Ende der Gewalt gegen Frauen" vor. Seit dem Vortag habe man bereits 2.100 Unterschriften gesammelt, sagte sie. Gefordert werden neben der Wiedereinführung der "Hochrisikofallkonferenzen" und einem bundesweiten Gewaltschutzgipfel mit Experten-Beteiligung auch mehr Mittel für den Gewaltschutz, der Ausbau der Frauen- und Mädchenberatungsstellen, mehr Frauenhausplätze und Übergangswohnungen in allen Bundesländern. Auch müsse Österreich seinen Verpflichtungen im Rahmen der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen gegen Gewalt nachkommen.

SPÖ ruft Regierung zum Handeln auf

"Die Regierung muss handeln", sagte Heinisch-Hosek bei der Protestaktion, an der u.a. auch SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner teilnahm. Bei der Sondersitzung des Nationalrates am Montag bringt die SPÖ auch einen entsprechenden Antrag auf ein Paket für Gewaltschutz ein. Mit diesem sollen sofort fünf Millionen Euro für Gewaltschutz und Prävention zur Verfügung gestellt werden. Im Antrag enthalten sind auch die Forderungen nach einer sofortigen Einrichtung eines ständigen Krisenstabes von Frauen-, Innen- und Justizministerium sowie im Gewaltschutz tätiger Organisationen sowie jene nach einem zweimal pro Jahr abzuhaltenden Gewaltschutzgipfel und der Wunsch nach einer Wiedereinsetzung der Hochrisikofallkonferenzen.

Intensivierung des Instruments der Fallkonferenzen thematisiert

Bei dem bereits letzte Woche angekündigte Gipfel im Innenministerium wollen Frauenministerin Raab und Innenminister Nehammer eine weitere Intensivierung des Instruments der Fallkonferenzen thematisieren. Das Frauenministerium und das Bundeskriminalamt werden außerdem eine qualitative Untersuchung aller Tötungsdelikte an Frauen in den vergangenen zehn Jahren in Auftrag geben, hieß es im Vorfeld aus dem Innenministerium.

Nach Frauenmordserie: 228 Mio. jährlich für Gewaltschutz gefordert

Gewaltschutzorganisationen fordern 228 Millionen Euro im Jahr für eine Ausweitung und längerfristige Absicherung ihrer Arbeit und zusätzlich rund 3.000 neue Arbeitsstellen im Opferschutz. Die dringend nötige Aufstockung wäre auch als Teil der Joboffensive in der Coronakrise zu sehen, hieß es beim Online-Pressegespräch "Femizide stoppen" von Österreichischem Frauenring (ÖFR), Verein Österreichische Autonome Frauenhäuser (AÖF) und Wiener Interventionsstelle am Montag.

Es müsse immer erst "etwas sehr Schlimmes passieren", oder wie im Fall des jüngsten Tötungsdelikts an einer Frau durch ihren (Ex-)Partner, dem bereits neunten seit Jahresbeginn, der Täter mehr oder weniger prominent sein, "bis gehandelt wird", kritisierte AÖF-Geschäftsführerin Maria Rösslhumer. Gerade in letzter Zeit seien die Opferschutzeinrichtungen von politischer Seite "nicht gehört und nicht einbezogen worden".

Forderung nach "echtem Gewaltschutzgipfel"

An die Kritik schließt eine der weiteren Forderungen an: Ein "echter Gewaltschutzgipfel" sei nötig, man solle nicht Maßnahmen "ohne die Expertinnen setzen", denn "die Politik ist ahnungslos", sagte ÖFR-Vorsitzende Klaudia Frieben. Der nach der Tötung einer 35-Jährigen in Wien-Brigittenau in der vergangenen Woche für Montag einberufene Sicherheitsgipfel im Innenministerium finde ohne die Opferschutzeinrichtungen statt.

Dort sollen auch die Sicherheitspolizeilichen Fallkonferenzen thematisiert werden, für deren sofortige Umsetzung "mit allen im Gewaltschutz tätigen Organisationen" sich die Rösslhumer, Frieben und Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie ebenfalls stark machten. Das in der Bundeshauptstadt von 2011 bis 2017 aufgebaute Projekt der Zusammenarbeit, in dem mehr als 80 Hochrisikofälle behandelt worden waren, sei vonseiten der Polizei mit dem Argument aufgekündigt worden, es sei nicht effizient. Im Gewaltschutzpaket, das nach einem starken Anstieg der Frauenmorde für Anfang 2020 geschnürt worden war, wurden die Fallkonferenzen wieder aufgegriffen, könnten seither aber nur durch die Polizei einberufen werden, erläuterte Logar. Seither habe es "sehr wenige" gegeben, heuer noch keine.

"Frauen brauchen Personenschutz in einer Risikosituation"

Eine Forderung bezieht sich auf direkten persönlichen Schutz von Betroffenen: "Frauen brauchen Personenschutz, wenn sie in einer Risikosituation sind und der Täter frei herumläuft", sagte Rösslhumer. Zudem seien mehr verpflichtende Schulungen für Polizei und Justiz nötig. Wegweisungen seien grundsätzlich ein wichtiges Instrument, sie würden aber nicht immer, wenn nötig, verhängt und sollten "bei jeder strafbaren Handlung und auch bei Stalking" eingesetzt werden, meinte Logar. Zudem urgierten die Gewaltschutzorganisationen eine "echte Regierungskampagne gegen Gewalt in der Familie", die sich auch gegen frauenverachtendes Verhalten richten müsse.

Van der Bellen lädt zu Expertengespräch

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer laden am Dienstagnachmittag zu einem Expertengespräch in die Hofburg. Bei dem nicht medienöffentlichen Termin besprechen sie sich unter anderem mit Logar, Bettina Zehetner von der Frauenberatung und Erich Lehner vom Dachverband Männerarbeit Österreich (DMÖ), hieß es aus der Präsidentschaftskanzlei zur APA.

NEOS kritisieren fehlende Einladung von Frauengewaltschutzorganisationen

Dass Frauengewaltschutzorganisationen nicht zum Sicherheitsgipfel der Bundesregierung geladen seien, spreche Bände, sagte NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter. Die von Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) angekündigten und über den EU-Wiederaufbaufonds finanzierten Pläne würden verdeutlichen, dass "Frauenpolitik immer noch lediglich als Querschnittsmaterie gehandhabt wird".

Frauen würden von der ÖVP ständig im Zusammenhang mit Kindererziehung und einkommensschwachen Menschen genannt, von "echtem Empowerment keine Spur". Brandstötter forderte mehr Budget und Hilfseinrichtungen: "Vor allem Frauen mit Behinderungen, Asylwerberinnen und auch Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt werden, bekommen nicht die notwendige Unterstützung und Betreuung." Weiters brauche es Prävention bereits ab dem Kindergarten, Bewusstseinsbildung, Schulungen der Erstanlaufstellen in Medizin, Exekutive und Judikative sowie in Betrieben.

Gewaltschutz beinhaltet Kinderschutz

Männer, die Gewalt gegen Mütter ausüben, nehmen mit ihrer Tat nicht nur in Kauf, dass sie der Frau das Leben nehmen, sondern auch, dass sie das Leben ihrer Kinder damit dauerhaft schädigen. Darauf machten die Österreichischen Kinderschutzzentren aufmerksam. Kinder und Jugendliche, die Gewalt in der Familie erleben, seien in der Regel nicht nur nicht geschützt, sondern würden mit ihren Erfahrungen sehr oft allein blieben. "Wenn wir von Gewaltschutz reden, müssen wir dringend auch von Kinderschutz sprechen und hier Mädchen und Buben gleichermaßen im Blick haben, deren Entwicklung und Zukunft durch Partnergewalt gefährdet ist", betonte Martina Wolf, Geschäftsführerin im Bundesverband Österreichischer Kinderschutzzentren. Wolf wünscht sich in der Debatte um präventive und schützende Maßnahmen den Kinderschutz separat zu diskutieren "und dabei die Buben nicht aus dem Blick zu verlieren, die ja die Männer von morgen sind".

MJÖ will mehr Mittel für Opferschutz und Prävention

Die Muslimische Jugend Österreich (MJÖ) forderte ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Frauen und eine Aufstockung der finanziellen Mittel für Opferschutz und Prävention. Zudem erfolgte ein Aufruf gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen zu einer Gedenkkundgebung am Dienstag (17.00 Uhr, Platz der Menschenrechte, 1070 Wien). "Femizide sind keine Einzelfälle, sondern ein strukturelles Problem, welches in allen Gesellschaftsformen vorhanden ist. Femizide dürfen nicht für die Befeuerung von rassistischen Diskursen instrumentalisiert werden", forderte der MJÖ. "Der Schutz von Frauen vor Mord und Gewalt kann nur mit wirksamen Gewaltschutzmaßnahmen und mehr finanziellen Mitteln für den Opferschutz gelingen", sagte Bundesvorsitzende Nermina Mumic.

(APA/Red)

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