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Prozess um IS-Heimkehrer: Zweieinhalb Jahre unbedingte Haft für 17-Jährigen

Der Prozess rund um den IS-Heimkehrer endete mit einem Urteil von zweieinhalb Jahren Haft.
Der Prozess rund um den IS-Heimkehrer endete mit einem Urteil von zweieinhalb Jahren Haft. ©APA
Am Mittwoch endete der Prozess gegen den 17-jährigen Jugendlichen, der sich der Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) angeschlossen hatte und nach Österreich zurückgekehrt war, mit einer unbedingten Haftstrafe von zweieinhalb Jahren.
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Er wurde wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten schuldig erkannt.

Urteil im Prozess um IS-Heimkehrer

Freigesprochen wurde der Jugendliche vom Vorwurf, aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen zu haben. Diesbezüglich sei die Beweislage “nicht ausreichend”, legte die vorsitzende Richterin Alexandra Skrdla in der Urteilsbegründung dar. Der Senat ging davon aus, dass der 17-Jährige – wie von ihm behauptet – vom IS als Rettungsfahrer im Kampfgebiet eingesetzt wurde. Demgegenüber freigesprochen wurde der Bursch von der inkriminierten Ausbildung für terroristische Zwecke. Es sei im Zweifel nicht erwiesen, dass der Jugendliche eine Ausbildung in einem Terror-Camp durchlaufen hatte, erklärte Skrdla.

Der Jugendliche wurde wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und Aufforderung zu terroristischen Straftaten schuldig erkannt, wobei sich letzteres vor allem auf ein über Youtube verbreitetes Propaganda-Video bezog, in dem der 17-Jährige zum “Abschlachten von Ungläubigen” aufforderte. Den Anklagepunkt Ausbildung für terroristische Zwecke ließ der Schöffensenat fallen. Es sei im Zweifel nicht erwiesen, dass der Jugendliche – wie von der Staatsanwaltschaft angenommen – tatsächlich eine Ausbildung in einem Terror-Camp durchlaufen habe, erklärte die vorsitzende Richterin Alexandra Skrdla.

Keine Teilnahme an Kampfhandlungen

Das Gericht glaubte dem Jugendlichen im Zweifel auch, dass er nicht aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen hatte. Diesbezüglich sei die Beweislage “nicht ausreichend”, stellte Skrdla fest. Der Senat ging davon aus, dass der 17-Jährige – wie von ihm behauptet – vom IS als Rettungsfahrer im Kampfgebiet eingesetzt wurde und Verletzte aus der Kampfzone brachte.

Dennoch war bei der Strafbemessung ungeachtet der bisherigen Unbescholtenheit des Jugendlichen kein Platz für eine bedingte oder teilbedingte Strafnachsicht. Die Richterin begründete das mit generalpräventiven Erwägungen: “Vor allem Jugendliche wie Sie sind anfällig für radikalislamistische Ideologien und laufen Gefahr, dasselbe zu tun wie Sie. Dem muss auf jeden Fall Einhalt geboten werden.” Außerdem sei auch der lange Deliktszeitraum (“Sie waren immerhin ein halbes Jahr im IS-Gebiet und haben sich dort betätigt”) erschwerend zu werten. Skrdla betonte darüber hinaus, aus Sicht des Gerichts sei der Jugendliche nicht unbedingt freiwillig im Sinne einer inneren Abkehr vom IS zurückgekehrt: “So freiwillig war die Rückkehr nicht. Grundlage war Ihre Verletzung. Da ist es für Sie ungemütlich geworden.”

Urteil nicht rechtskräftig

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der 17-Jährige bat nach Rücksprache mit Verteidiger Wolfgang Blaschitz um drei Tage Bedenkzeit. Staatsanwältin Stefanie Schön, die bei einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren eine Sanktion “im obersten Bereich” gefordert hatte (“Das sind Verbrechen mit ganz, ganz schweren Folgen für die Zivilgesellschaft”), gab vorerst keine Erklärung ab.

Der Bursch, der keinen Migrationshintergrund aufweist, war im Vorjahr zum Islam konvertiert und hatte sich in jüngster Zeit radikalisiert. Er reiste schließlich nach Syrien und schloss sich dem IS an. Der Bursch hätte sich aufgrund seiner speziellen Persönlichkeitsstruktur “für den Kampf in Syrien verführen lassen”, erläuterte dazu die Gerichtspsychiaterin Gabriele Wörgötter. Sie skizzierte in diesem Zusammenhang die Kindheit und frühe Jugend des 17-Jährigen, der in “äußerst desolaten” Verhältnissen aufgewachsen sei und nie die Geborgenheit einer Familie erfahren habe. Dieses Aufwachsen habe eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung zur Folge gehabt. Der Jugendliche suche nach Halt und Bindung, die ihm die Familie verwehrt habe. Er sehne sich nach emotionalen Beziehungen. Seine Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle kompensiere er mit Gewalt und Aggressionen. “Das war die Grundlage für seine Radikalisierung”, betonte Wörgötter. Die radikalislamistische Ideologie habe dem “massiv entwurzelten” Burschen Halt und Anerkennung versprochen.

Bei diesen Voraussetzungen hielt es die Expertin für “ausgeschlossen, dass in einem halben Jahr oder einem Jahr eine Läuterung eintritt”. Der 17-Jährige habe sich nur deswegen vom IS abgewandt, weil er bei einem Bombenangriff schwer verletzt worden sei: “Es waren seine Schmerzen und seine Todesängste. Es waren nicht die Schmerzen der anderen, dass er Leichen eingesammelt und Tote gesehen hat. Ein Einfühlungsvermögen in die Schmerzen anderer hat er nicht.”

IS-Heimkehrer bekannte sich teilweise schuldig

Der 17-Jährige hatte sich in dem zweitägigen Verfahren teilweise schuldig bekannt. Am Mittwoch berichtete er dem Senat von einer Art Selektion, der er sich stellen musste, nachdem er beim IS angekommen war. Demnach wurden die 300 bis 400 Neuankömmlinge in zwei Gruppen eingeteilt. Die vorwiegend jungen Männer konnten sich entweder als Kämpfer oder als Selbstmord-Attentäter melden. Er habe sich als Kämpfer gemeldet, berichtete der 17-Jährige: “Ich wollte leben und das Leben genießen.”

“Und wie viele haben sich als Selbstmord-Attentäter gemeldet? Damit wir wissen, was auf uns zukommt”, warf der beisitzende Richter Norbert Gerstberger ein. “60 bis 70”, beschied ihm der Angeklagte. Darunter hätte sich ein Mexikaner befunden, mit dem er sich näher unterhalten habe: “Er hat mir erklärt, er will sterben, er will zu den Jungfrauen.” Selbstmord-Attentätern habe man nämlich versprochen, im Jenseits würden sie mit 72 Jungfrauen “belohnt” werden: “Damals habe ich daran geglaubt. Mittlerweile nicht mehr.”

Der Angeklagte versicherte erneut, er habe keine Waffenausbildung erfahren und an keinen Kampfhandlungen teilgenommen. Man habe ihm nur einmal kurz gezeigt, wie man eine Kalaschnikow entsichert, repetiert und abfeuert. Schießübungen habe es keine gegeben. Er habe einmal mit einer Kalaschnikow in die Luft geschossen, “weil ich ausprobieren wollte, wie das ist”. Er habe an einem einzigen “Fronteinsatz” teilgenommen, und zwar als Rettungsfahrer bei der Schlacht um Kobane. Wäre er allerdings gefragt worden, ob er kämpfen wolle, hätte er dies bejaht, räumte der 17-Jährige ein.

(APA)

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