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Polizei-Statistik: Sechs Tötungsdelikte in Wien 2022 geschahen im Privatbereich

Polizeipräsident Pürstl erläutert: Die Polizei stufte zehn Bluttaten im Vorjahr als Mord ein
Polizeipräsident Pürstl erläutert: Die Polizei stufte zehn Bluttaten im Vorjahr als Mord ein ©APA/HERBERT NEUBAUER
Statistik der Exekutive: Sechs der zehn von der Polizei als Mord klassifizierten Tötungsdelikte im Vorjahr in Wien sind auf Gewalt in der Privatsphäre zurückzuführen.
Forderung nach mehr Gewaltprävention
Waffenverbot für Gefährder fix

Das sagte Wiens Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl im Gespräch mit der APA. Wien liege hochgerechnet damit in etwa im bundesweiten Trend im Jahr 2021, was durchaus bemerkenswert sei. "Weil Wien eine Großstadt ist", begründete Pürstl.

Pürstl erläutert "verwunderliche" Zahlen zu Gewalt in der Privatsphäre

"Die anonyme Großstadt, wo die Polizei viel weniger Möglichkeiten hat, im Milieu präventiv tätig zu sein als irgendwo im ländlichen Bereich, wo die Polizeiinspektion sehr viele kennt, viel mehr zugetragen bekommt, viel mehr hört: Da hat es mich eigentlich gewundert, dass sich im Bereich der Gewalt in der Privatsphäre die Zahlen, was die schlimmsten Auswirkungen betrifft - nämlich dass es zum Tod kommt -, sich die Waage halten mit ganz Österreich", sagte Pürstl.

Die Polizei mache in Wien sehr viel in der Gewaltprävention. So seien die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so weit sensibilisiert worden, "dass die Betretungs- und Annäherungsverbote deutlich steigen", so der Polizeipräsident. 2019 gab es rund 2.500 derartige Maßnahmen, 2020 etwa 3.400, 2021 wurden rund 4.200 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen.

Support der Polizei bei heimischer Gewalt

Seit Mitte 2021 habe man einen Support für Gewalt in der Privatsphäre eingerichtet, wo Beamtinnen und Beamte der Polizeiinspektionen - die bei Gewaltdelikten in der Privatsphäre praktisch immer die ersten Ansprechpartner oder Einschreitenden sind - die Möglichkeit zu einem Anruf bei einem Journaldienst haben, der sie bei der Erstellung einer Gefährdungsprognose unterstützt. "Weil dort alle Daten schnell abrufbar sind, weil es dort gewisse Systeme oder Programme gibt, mit denen man anhand von Anhaltspunkten, die vor Ort gewonnen werden oder sich aus Akten ergeben, eine Prognose erstellen kann, wie gefährlich der mutmaßliche Täter wirklich ist", erläuterte Pürstl.

Gefährder sind zu sechs Stunden Gewaltberatung verpflichtet

Seit September ist jeder Gefährder zudem verpflichtet, sich innerhalb von fünf Tagen für eine insgesamt sechsstündige Gewaltberatung anzumelden. In Wien wird dies über den Verein Neustart abgewickelt. "Eine Betreuung des Täters oder des Gefährders kann helfen, Opfer zu vermeiden. Wenn der Betreffende nicht hinkommt, kann die Sicherheitsbehörde durch Bescheid eine Vorladung veranlassen. Ich glaube, das ist ein Meilenstein oder ein ganz wesentlicher Beitrag bei der Vorbeugung von Gewalt in der Privatsphäre", sagte Pürstl.

Steigende Zahlen zu Gewalt in der Privatsphäre

Die Zahl der Anzeigen wegen Gewalt in der Privatsphäre in Wien insgesamt stieg in den vergangenen Jahren an. 2018 wurden 5.314 derartige Delikte angezeigt, 2019 waren es 5.704 und 2020 gab es 6.409 derartige Delikte. Jeweils mehr als die Hälfte der Anzeigen betraf Körperverletzungen.

Pürstl wies auch darauf hin, dass es in diesem Deliktsbereich "einen hohen Migrationsanteil" unter den Gefährdern gebe. "Die Menschen in dem Bereich sind oft schwer für uns zu erreichen, aus dem Grund, dass sie aus Ländern kommen, wo sie ganz anders sozialisiert wurden und wo Gewalt oder eine Drohung gegen Frauen in den Herkunftsländern nicht unbedingt die große Straftat ist. In diesem Zusammenhang versuchen wir insbesondere bei Seminare des Referates Minderheitenkontakte der Landespolizeidirektion Wien, die wir in verschiedenen Communities durchführen, über die Rechte der Frauen in Österreich aufzuklären. Letztendlich ist das aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe - das kann nicht nur die Aufgabe der Polizei sein -, da alle Hebel in Bewegung zu setzen, dass da ein Umdenken stattfindet", forderte der Landespolizeipräsident.

Herausforderung: Die Maschen der Trickbetrüger

Ebenfalls schwierig ist es für Kriminalpräventionsbeamte, potenzielle Opfer - praktisch ausschließlich ältere Menschen - von Trickbetrügern zu erreichen. "Wir haben die verschiedensten Erscheinungsformen, ob sich jemand als Polizist, als Gaskassier oder Hellseher ausgibt. Besonders schlimm ist es, wenn sich die Täter als Polizisten ausgeben, weil viele Menschen insofern obrigkeitshörig sind, als sie dazu neigen, das zu tun, was ihnen von der Polizei gesagt wird", so Pürstl. Bei Menschen, die leichtgläubig oder gar nicht mehr in der Lage seien, die Situation zu beurteilen, würden die Täter auf fruchtbaren Boden stoßen.

"Wir können nur Präventionsarbeit im ersten Moment betreiben, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit allgemein auf das Problem aufmerksam machen. Wir gehen im Zuge des Projektes 'Gemeinsam Sicher' auch in die Seniorenresidenzen. Man schaut, dass man in Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen, wo ältere Menschen hinkommen, Folder auflegt bzw. dort auch mit dem Personal spricht, weil sehr oft das Personal in derartigen Einrichtungen mit solchen Dingen konfrontiert wird", schilderte Pürstl. "Genauso schauen wir, dass wir mit den Banken immer wieder in Kontakt treten. Wenn ältere Menschen kommen und einen höheren Betrag abheben oder den Safe komplett ausräumen, hoffen wir, dass die Angestellten hellhörig werden, sich denken, dass da etwas nicht stimmt, und die Polizei anrufen."

Cybercrime als große Herausforderung

Die große Herausforderung in der Kriminalitätsbekämpfung sei "Cybercrime, das ist gar keine Frage", sagte der Landespolizeipräsident. Bei Cybercrime im engeren Sinn, wo es gegen Systeme selbst gehe, sei es primär Sache der Betreiber selbst, die Systeme entsprechend fit zu machen. "Für die Polizei ist Cybercrime im weiteren Sinne relevant, wo der Computer dazu genützt wird, Straftaten zu begehen, die sonst konventionell auch begangen werden, sprich, der große Bereich des Internetbetruges", sagte Pürstl. "Beim Internetbetrug haben wir Steigerungsraten von 25 bis 30 Prozent, und das wird weitergehen." Immer mehr Menschen würden Handys, Tablets und Computer für alle möglichen Zwecke nutzen, auch den Einkauf. "Man darf hier die Augen nicht verschließen, das ist eine Herausforderung für die nächsten Jahrzehnte."

Pürstl zu Banküberfällen und Straßenrauben

Bei Banküberfällen wird das eher weniger der Fall sein. Im Vorjahr gab es in Wien noch drei - in den Bezirken Floridsdorf, Landstraße und Ottakring. Bei zwei davon wurden Tatverdächtige ausgeforscht. "Was im Steigen begriffen ist, ist der Raub im Straßenbereich, weil das Leben auf der Straße wieder mehr und mehr zunimmt", sagte Pürstl. Hier werde ein Großteil der Straftaten aufgeklärt. Insgesamt lag die Aufklärungsquote bei 44,8 Prozent im Jahr 2020. "Wie ich Polizeipräsident wurde, waren es 27 Prozent." Pürstl führte das unter anderem darauf zurück, dass alle Polizeidienststellen auch kriminalpolizeiliche Arbeit machen und dass die Tatortarbeit und Spurensicherung professionalisiert wurden. "Es gibt keinen Täter, der keine Spuren hinterlässt." Ganz wichtig sei auch die hohe Anzahl von Videoüberwachungsanlagen im öffentlichen Raum.

Wiener Polizei hat Pandemie bisher gut durchgestanden - hohe Impfquote

Die Wiener Polizei selbst ist ihrem Präsidenten zufolge bisher übrigens gut durch die Pandemie gekommen. 180 Infizierte zugleich waren es im November 2020 - bisher der Höchstwert bei der Wiener Exekutive. Die Impfquote im Bereich der Landespolizeidirektion liege bei "weit über 80 Prozent", sagte Pürstl. Mit den Genesenen seien rund 90 Prozent der Beamtinnen und Beamten geschützt.

(APA/Red)

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