NR-Wahl: Der Weg der Grünen im Rückspiegel

2017 aus dem Nationalrat geflogen, kehrten sie 2019 triumphal ins Parlament zurück und fanden sich umgehend in ihrer ersten Regierungsbeteiligung auf Bundesebene wieder. Die Koalition mit der ÖVP erwies sich als überraschend solide, und die Grünen konnten mit Öko- und Transparenzthemen punkten. Das "Beste aus beiden Welten" dürfte nun aber zu Ende gehen, die grüne Zukunft scheint ungewiss.
Grünes Hoch 2019
Das Hoch der Grünen vor fünf Jahren war einerseits durch das blaue Sittenbild der Ibiza-Affäre samt Zerbrechens der ÖVP/FPÖ-Koalition 2019 bedingt, andererseits durch die internationale Klimabewegung, die nicht nur in Österreich das Bewusstsein für dringliche Umweltthemen befeuerte. Kaum in der Regierung, kamen erst die Corona-Krise, dann der russische Angriff auf die Ukraine und als Folge davon die Teuerung - alles Themen, die die Dringlichkeit der Klimakrisenbekämpfung im öffentlichen Bewusstsein in den Hintergrund rücken ließ.
Dennoch gingen die Grünen im Vergleich zum viel größeren und in Machterhaltungsfragen weit routinierteren Koalitionspartner ÖVP nicht unter, erlebten als Antikorruptionspartei den Abgang von ÖVP-Shootingstar Sebastian Kurz und konnten eine Reihe von Erfolgen verbuchen. Die Grünen zählen hier gerne das Klimaticket, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, gläserne Parteikassen und diverse Gesetze zum Fossilenergieausstieg auf. Beim Klimaschutzgesetz, das der Nation klare Emissionsreduktionsvorgaben gemacht hätte, bissen sie sich an der bauern- und industriefreundlichen ÖVP aber die Zähne aus. Dafür konnten sie Straßenprojekte wie den Wiener Lobautunnel blockieren und das Renaturierungsgesetz der EU ermöglichen; durchaus trickreich und unbeeindruckt vom Zorn der Volkspartei.
Minus bei EU-Wahl
Bei den diversen Urnengängen seit 2019 schnitten die Grünen trotz des viel beschworenen Regierungsmalus gut ab. Bei fast allen Landtagswahlen setzte es Zugewinne, lediglich in Tirol und zuletzt in Salzburg gab es ein Minus. Die EU-Wahl 2024 brachte dann mit einem Verlust von drei Prozentpunkten den größten Rückgang. Geschuldet war dies aber vor allem der medial befeuerten Diskussion um den Charakter von Spitzenkandidatin Lena Schilling.
Wie es nun weitergeht ist offen, die Umfragen prophezeien durchaus dramatische Verluste im Ausmaß von rund fünf Prozentpunkten im Vergleich zu den 13,9 Prozent 2019. Vordergründig geben sich die Grünen für alle Szenarien gerüstet, wollen zwar weiter regieren, sehen sich aber auch für die Oppositionsrolle und weniger Mandate (und damit verbunden weniger Gelder und weniger Mitarbeiter) bereit. Personell steht noch immer Parteienretter Werner Kogler (62) an der Spitze. Die Frage, wann er das Zepter an Jüngere abgeben wird, ist in der Partei fast ein Tabuthema. Als Favoritin für die Nachfolge sehen viele die streitbare Umweltministerin Leonore Gewessler.
Erstmaliger NR-Einzug
Erstmals in den Nationalrat gekommen waren die Grünen im Jahr 1986. Mit Wurzeln in der Anti-Atomkraft-Bewegung und im Widerstand gegen das Donaukraftwerk in Hainburg schafften sie geeint unter Freda Meissner-Blau den Sprung über die Vier-Prozent-Hürde. Die Anfangsjahre waren von personellen Querelen und dem Aufeinanderprallen des linken und bürgerlichen Flügels - Fundis und Realos - gekennzeichnet.
Gleich mit vier Spitzenkandidaten, darunter die nun gegen die Grünen aktive Madeleine Petrovic, trat die Partei 1990 an. Geführt wurden die Grünen zu dieser Zeit noch von Bundesgeschäftsführern, weil das Prinzip der Unvereinbarkeit von politischem Mandat und Partei galt. Ironie der Geschichte: Erster eigentlicher Parteichef war Peter Pilz, der 1992 die Funktion des Bundessprechers übernahm. 2017 gründete er die "Liste Pilz", die den Grünen fast das endgültige Aus beschert hätte.
Grüne Achterbahnfahrt
In den 1990er-Jahren übernahm nach Pilz für zwei Jahre Petrovic allein die Parteiführung. Im Jahr 1994 setzte es 7,3 Prozent bei der Nationalratswahl, ein Jahr später folgte aber der Absturz auf die Ausgangsbasis von 4,8 Prozent. Petrovic' Nachfolger Christoph Chorherr übergab schon vor der nächsten Wahl 1997 an Alexander Van der Bellen. Der jetzige Bundespräsident blieb elf Jahre an der Spitze der Grünen und verhalf ihnen zunächst zu einem kontinuierlichen Aufstieg. Nach der Nationalratswahl 2002 kam es beinahe zu einer ersten Koalition mit der ÖVP, die Gespräche scheiterten aber.
2008 übernahm die lange zur Nachfolgerin Van der Bellens aufgebaute Eva Glawischnig die Partei. Sie trat nur einmal als Spitzenkandidatin an, schaffte 2013 aber mit 12,4 Prozent das bis dahin beste Ergebnis bei einer Nationalratswahl. Ins Tief fielen die Grünen dann im Jahr 2017. Der Abgang Glawischnigs brachte tiefe Risse zutage. Pilz legte es beim Bundeskongress auf eine Ablehnung bei der Listenerstellung an, gründete seine eigene Gruppierung und saugte (ebenso wie die SPÖ unter Christian Kern) viele Stammwähler auf. Ein eskalierender Streit mit der eigenen Parteijugend richtete ebenfalls Schaden an. Mit dem Horrorergebnis von nur 3,8 Prozent Stimmanteil erhielten die Grünen unter dem Duo Ingrid Felipe und Ulrike Lunacek bei der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 die Rechnung dafür präsentiert.
Koalition ÖVP-Grüne
Doch Werner Kogler holte die Grünen aus der Versenkung. Er öffnete die Partei Richtung Zivilgesellschaft, erreichte - getragen von der "Fridays For Future"-Bewegung - ein fulminantes Ergebnis bei der Nationalratswahl 2019 und stellte sich der Aufgabe von Regierungsverhandlungen mit der anfangs noch als "türkise Schnöseltruppe" geschmähten Volkspartei. Aus der Skepsis ob der weit auseinanderliegenden Programme von Grünen und ÖVP wurde doch eine Einigung - und die hielt die volle Legislaturperiode lang.
(APA/Red)