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Ludwig sieht SPÖ bei Wien-Wahl im Nachteil wegen eingeschränkten Wahlkampfs

Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) beim Interview
Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) beim Interview ©APA/ROBERT JAEGER
Auch wenn Umfragen Anlass zur Siegessicherheit geben: Im APA-Interview zur bevorstehenden Wien-Wahl gibt sich der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig zurückhaltend und dämpft die Erwartungen.
Wien-Wahl: Günstige Ausgangsposition für SPÖ

Selbst wenn so manche Prognosen den Stadt-Roten Zuwächse prophezeien würden, sei er vorsichtig, wie er betonte: "Umfragen sind noch kein Ergebnis." Die Corona-Einschränkungen im Wahlkampf seien vor allem für die SPÖ schlecht, befand er.

Michael Ludwig über die Auswirkungen der Corona-Krise

Ludwig geht davon aus, dass die Krise das beherrschende Thema bleibt. Durch diese sei Wien gut gekommen, versicherte der Stadtchef. Es habe sich etwa gezeigt, dass das Gesundheits- und Spitalswesen gut funktioniere. Ludwig erinnerte daran, dass so manche Gesundheitsökonomen einst eine Reduktion der Kapazitäten gefordert haben: "Wir haben den gegenteiligen Weg gewählt, nämlich dass wir zusätzlich Krankenhäuser errichtet haben."

Wichtig sei nun vor allem, die Auswirkungen der Krise auf das Arbeits- und Bildungssystem zu bekämpfen, sagte Ludwig. Die Zusammenarbeit mit dem Bund ist seiner Ansicht nach zumindest anfangs ganz gut gelaufen - später hätte sich die Situation geändert: "Wir haben uns als Stadt Wien gerade auch in der schwierigen Anfangsphase der Coronakrise sehr danach orientiert, dass wir das Miteinander in den Vordergrund gestellt haben." Er habe als Bürgermeister und Landeshauptmann des öfteren für Einvernehmen zwischen den Ministerien und den Ländern bzw. der Stadt gesorgt.

Enttäuschung über "Wien-Bashing"

"Wir waren umso mehr enttäuscht, dass ab dem Zeitpunkt, wo sich die Krise in ruhigere Gewässer bewegt hat, sofort wieder das Wien-Bashing begonnen hat und man unnötigerweise versucht hat, Wien Schwierigkeiten zu machen." Ludwig verwies einmal mehr auf die Sperre der Bundesgärten, die er schon während es Lockdowns kritisiert hat. "Teile der Bundesregierung" hätten sich zudem auf Entwicklungen in Wien konzentriert, die in anderen Bundesländern stärker ausgeprägt gewesen seien.

Es sei in Wien "natürlich von Beginn an" aufgefallen, dass vieles nicht so gut gelaufen sei in der Bundesregierung. "Wir hätten das kommentieren können, haben das aber nicht getan. Von daher erwarten wir uns gerade jetzt bei den kommenden Themen Unterstützung und nicht Boykott oder Schwierigkeiten." Man sei immerhin der Wirtschaftsmotor Österreichs.

"Wie waren in der Vergangenheit angewiesen auf unsere eigene Stärke"

Wien fährt auch eine andere Coronavirus-Teststrategie und untersucht Kontaktpersonen ohne Symptome. Ob es sinnvoll sei, dass jedes Bundesland das auf seine Art und Weise mache? Diese Diskussion werde im Zusammenhang mit der Corona-Ampel gerade geführt, betonte Ludwig. Prinzipiell sehe er aber durchaus Vorteile, wenn man einen eigenen Weg gehen könne: "Wir haben in der Vergangenheit erlebt, dass vieles, was vom Bund angekündigt worden ist, sich in der Praxis nicht so wiedergefunden hat und wir deswegen angewiesen waren auf unsere eigene Stärke." Man habe etwa am internationalen Markt Schutzmaterial eingekauft.

Wenn man darauf gewartet hätte, so wie es angekündigt geworden sei in den "unzähligen Pressekonferenzen" der Bundesregierung, dann hätte man Wien und Teile der Ostregion nicht versorgen können, zeigte sich Ludwig überzeugt. Ob er schon wisse, was die jeweiligen Ampelfarben konkret bedeuten werden? Laut Ludwig gibt es noch Verhandlungen dazu - also über die Konsequenzen der jeweiligen Einstufung: "Da gibt es noch Diskussionsbedarf."

Wird sich Corona auf die Wien-Wahl auswirken?

Unklar ist laut dem Bürgermeister damit auch noch, ob es Auswirkungen auf die Abhaltung des Urnengangs am 11. Oktober geben wird. "Prinzipiell gehe ich davon aus, dass wir gewährleisten können, dass es eine sichere Wahl wird." Es werde mehr Personal im Einsatz sein, auch ein Ordnerdienst in den Wahllokalen ist vorgesehen, berichtete er. In manchen Fällen würden auch größere Lokale requiriert.

Ludwig rechnet jedenfalls mit einer starken Zunahme der Wahlkartenwähler. Ab 14. September sei es möglich die Stimme abzugeben - auch direkt in den Magistratischen Bezirksämtern, deren Öffnungszeiten ausgeweitet werden, wie der Stadtchef versprach. Man wolle die Möglichkeit, mit Wahlkarte zu wählen, auch bewerben.

Vorsicht statt Optimismus fürs Ergebnis der SPÖ

Ob er optimistisch sei für den 11. Oktober? Denn inzwischen werden ja auch Zuwächse in den Umfragen nicht mehr ausgeschlossen. "Ich bin vorsichtig, denn Meinungsumfragen sind noch kein Wahlergebnis." Es werde eine große Herausforderung sein, das Ergebnis aus 2015 von 39,5 Prozent zu erreichen. Aber coronabedingt wisse niemand, wie hoch die Wahlbeteiligung sein werde, auch die Wahlauseinandersetzung werde anders ablaufen, gab er zu bedenken. Laut Ludwig ist dies ein besonderer Nachteil für die SPÖ: "Weil wir gewohnt waren, mit den Menschen direkt in Kontakt zu treten."

Michael Ludwig über die Zusammenarbeit mit den Grünen

Die Zusammenarbeit mit den Grünen beurteilt er im Großen und Ganzen positiv: "Es hat sehr viele erfolgreiche Projekte gegeben in dieser Koalition." Dass umso näher der Wahltermin rückt, sich manche stärker profilieren wollen, wie er befand, möchte er "nicht überbewerten". Zwischen Rot und Grün wurden zuletzt etwa Verkehrsthemen diskutiert - zum Beispiel die sogenannte autofreie Innenstadt. Die möchte er angesichts zahlreicher Ausnahmen aber nicht als solche bezeichnen, wie er klarstellte: "Ich sehe keine autofreie Innenstadt, die Wahrheit ist den Menschen zumutbar."

Die SPÖ setze sich seit Jahrzehnten für Verkehrsberuhigung ein, betonte er. Man habe versucht, den fließenden Verkehrs zu reduzieren, auch in der Innenstadt: "Das ist prinzipiell auch in der DNA der SPÖ Wien, aber es muss auch funktionieren und es muss einen Ausgleich geben" zwischen allen Verkehrsteilnehmern. Was gelungen sei, sei die Verlagerung des Individualverkehrs auf die öffentlichen Verkehrsmittel.

Wahlkampf-Pläne des Wiener Bürgermeisters

In der City will Ludwig demnächst noch Gespräche mit Anrainern, Wirtschaftstreibenden und Interessensvertretern führen. Die rechtliche Prüfung laufe ebenfalls noch. Lange wird man aber auf seine Entscheidung nicht mehr warten, versprach der Bürgermeister. Sie soll noch vor der Wahl getroffen werden.

Anders als 2015 ist heuer Zuwanderung kein beherrschendes Thema. Kritik an der Rathauspolitik gab es jedoch nach Angriffen von türkischen Nationalisten auf Kundgebungen in Favoriten. Ob die Stadt selbst hier auch für Versäumnisse verantwortlich sei? "Integration ist immer eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung", gab Ludwig zu bedenken. Bei der Agitation von rechtsradikalen Gruppen erwarte er sich aber Informationen durch die Polizei. Er sei diesbezüglich vom Innenministerium "nicht verwöhnt worden".

"Ganze Bevölkerungsgruppen nicht wegen Einzelpersonen diskriminieren"

"Ich war einer der ersten, der verlangt hat, dass IS-Rückkehrern die Staatsbürgerschaft aberkannt wird", betonte Ludwig. Er sei aber dagegen, dass Einzelpersonen herangezogen werden, um ganze Bevölkerungsgruppen zu diskriminieren. "Denn man muss schon sagen, dass der Großteil der Bevölkerung, auch jene die zugewandert sind, sehr interessiert sind an Integration. Sie stellen auch wichtigen Teil des gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftsleben dar. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie wir die Coronakrise gemeistern hätten, wenn wir nicht viele Menschen hätten, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind und die insbesondere im Gesundheits- und Pflegebreich tätig sind oder auch im Handel und Gewerbe."

Ob die ÖVP als Koalitionspartnerin infrage kommt, deren Chef Gernot Blümel für eine "Mitte-Rechts-Politik mit Anstand" plädiert? "Tatsache scheint zu sein, dass jetzt drei Parteien um das Wählerpotenzial rittern, das die FPÖ bietet, also neben dem Team HC Strache und der FPÖ mischt hier auch die ÖVP mit. Ich finde es deshalb bedauerlich, weil es gerade auch in der ÖVP Wien einen sehr starken christlich-sozialen, einen liberalen Flügel gegeben hat", meinte Ludwig.

Koalitionsüberlegungen im Interview

Mit der Hinwendung zu "besonders rechtspopulistischen Themen" werde das traditionelle bürgerliche Lager der ÖVP nur in geringem Ausmaß angesprochen, vermutete der Wiener Chef-Rote - der in der ÖVP-Politik Prinzipien wie Nächstenliebe und Solidarität derzeit vermisst. "Ich sehe allerdings die ÖVP immer als eine breiter aufgestellte Partei, und es gibt durchaus in der ÖVP-Wien auch Kräfte, die interessiert sind an einem konstruktiven Miteinander in der Stadt", erklärte Ludwig: "Die ÖVP muss auch ihre Haltung zur Stadt Wien ordnen. Bis jetzt haben wir sehr viel meiner Meinung nach unnötige Kritik vonseiten eines Teils der Bundesregierung erlebt."

Wen er zuerst zu Koalitionsgesprächen einladen wollen, sei noch offen, beteuerte er. Ob er eine Koalition gegen die SPÖ noch immer für möglich halte, obwohl etwa Grüne und NEOS hier bereits abgewunken haben? Er zeigte sich von den Absagen wenig beeindruckt: "Ich halte das nach wie vor für ein Thema", versicherte der Bürgermeister.

(Das Interview führte Gerald Mackinger/APA)

(APA/Red)

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