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Ausschluss von Schülern: Schulen sollen Suspendierungen selbst regeln können

Suspendierungs-Entscheidungen sollen am Schulstandort getroffen werden.
Suspendierungs-Entscheidungen sollen am Schulstandort getroffen werden. ©pixabay.com (Sujet)
Die Verfahren zu Schul-Suspendierungen könnten neu geregelt werden. Schüler und Lehrer fordern nicht nur schnellere Ausschlüsse, sondern "dass hier auch die Schule autonom handeln kann".
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Nach den handgreiflichen Auseinandersetzungen an einer HTL in Wien-Ottakring stehen nun die Verfahren zur Schul-Suspendierung in der Diskussion. Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte in den vergangenen Tagen bereits für schnellere Verfahren plädiert.

Schüler und Lehrer für raschere Ausschlüsse

Am Dienstag fordern Schüler- und Lehrervertreter im “Ö1-Morgenjournal” die Option, einen Ausschluss direkt am Schulstandort zu beschließen. Aktuell kann eine Schule im Rahmen einer Disziplinarkonferenz eine Suspendierung nur beantragen. Im Fall der Wiener HTL geschieht dies in sechs Fällen, wie der Minister am Sonntag erklärte. Über den tatsächlichen Ausschluss entscheidet dann die Schulbehörde, also die jeweilige Bildungsdirektion (früher Landesschulrat).

Bundesschulsprecher Timo Steyer von der ÖVP-nahen Schülerunion plädiert nun dafür, “dass hier auch die Schule autonom handeln kann”. Man müsse dem Betroffenen dann jedoch andere Optionen im Bildungssystem aufzeigen, so Steyer, um sie nicht ohne Perspektive dastehen zu lassen. Einer Entscheidung am Schulstandort könnte auch der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Paul Kimberger von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG), etwas abgewinnen, wie es im ORF-Radio heißt.

Als “letzte aller denkbaren Maßnahmen” möchte auch die AHS-Direktoren-Sprecherin, Isabella Zins, diese Option durch die Schulkonferenz an Ort und Stelle. Aktuell habe man am Schulstandort eher “Zahnloses” an der Hand, wie etwa Gespräche, die Versetzung in eine Parallelklasse oder die Androhung eines Ausschlusses.

Minister für “Double Check” bei Ausschlüssen

Faßmann kann der Forderung, dass Schulen alleine über Ausschlüsse von Schülern entscheiden sollen, wenig abgewinnen. “Ich halte es für besser, dass es eine Art ‘Double Check’ gibt”, betont er im Gespräch mit der APA. Es sei sinnvoll, wenn eine zweite Stelle eingebunden sei, die einen größeren Überblick hat und garantiert, dass alle Schüler gleich behandelt werden. Das könne eine Einrichtung wie die Bildungsdirektion (früher Landesschulrat) leisten, eine einzelne Schule hingegen nicht. Er wolle das Zusammenspiel optimieren zwischen den Schulen, wo die Disziplinarkonferenz über Sanktionen wie Suspendierungen oder Ausschlüsse von Schülern entscheidet, und den Bildungsdirektionen, die diese bestätigen müssen.

Deshalb soll nun erhoben werden, ob es hier zu einseitigen Verschiebungen komme, indem die Bildungsdirektion “Ambitionen der Schule unterbindet”. “Wenn das besteht, dann habe ich meine Zweifel an der Funktionstüchtigkeit des Verfahrens”, so der Minister.

Schulen sollen Lage beurteilen

Aus Faßmanns Sicht ist für die Beurteilung der Lage die Schule zuständig. Aufgabe der Bildungsdirektionen sei es sicherzustellen, dass die Entscheidungen rechtlich einwandfrei sind und die Bescheide bei möglichen rechtlichen Einsprüchen halten. Auch Zeit ist für den Minister ein Faktor, wie er mit Blick auf die handgreiflichen Auseinandersetzungen an einer HTL in Wien-Ottakring betont. “Der Fall hat eindeutig gezeigt: Wenn man zu lange zuwartet, eskalieren Konflikte.”

Der Ausschluss einen Schülers ist im Paragraph 49 des Schulunterrichtsgesetzes geregelt. Vorgesehen ist er, wenn ein Schüler seine Pflichten schwerwiegend verletzt, andere Maßnahmen erfolglos bleiben oder er mit seinem Verhalten die Sittlichkeit, körperliche Sicherheit oder das Eigentum von Mitschülern oder anderen an der Schule tätigen Personen dauerhaft gefährdet. Die Bildungsdirektion muss dann nach einem Ermittlungsverfahren den Ausschluss des Schülers per Bescheid aussprechen, der sich auf eine Schule oder sogar alle Schulen in einem bestimmten Umkreis erstrecken kann. Liegen ihrer Einschätzung nach die Voraussetzungen für einen Ausschluss allerdings nicht vor, kann sie das Verfahren beenden und gegebenenfalls dem Schüler eine Rüge erteilen oder ihn “aus erzieherischen Gründen oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung” in eine Parallelklasse versetzen.

Sanktionen für Hälfte der Lehrer zu zahnlos

Fast jeder zweite Lehrer in Wien und Niederösterreich leidet darunter, dass es zu wenig Sanktionsmöglichkeiten für undisziplinierte Schüler gibt. Das zeigt eine aktuelle Studie, über die die “Krone” (Dienstagausgabe) berichtet und die der APA vorliegt. Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass ihr schlechtes Image, häufige Reformen und Bürokratie Lehrer mehr belasten als Konflikte und Gewalt.

Für die Studie “Under presssure” wurden fast 4.600 Lehrer in Wien und Niederösterreich von Forschern der Pädagogischen Hochschule (PH) Niederösterreich und der Uni Wien befragt. Der Untersuchung zufolge leidet jeweils deutlich mehr als die Hälfte der Befragten darunter, dass ihre Schüler nicht motiviert oder unkooperativ sind, den Unterricht durch Disziplinlosigkeit stören, auf Ermahnungen nicht reagieren oder Verhaltensstörungen aufweisen. Viele Lehrer litten unter einem “scheinbar zahnlosen Repertoire an Sanktionsmöglichkeiten”, um der “durchaus belastenden Schülerverhaltensweisen Herr zu werden”, schreiben die Autoren. Sie sehen einen “erhöhten Handlungsauftrag” an die Verantwortlichen, Lehrern mehr Sanktionsmöglichkeiten zu geben.

Die stärksten “Stressoren” für Lehrer aller Schultypen sind der Untersuchung zufolge allerdings in ganz anderen Bereichen zu finden: Demnach stellen “ständige Reformen” die größte Belastung für Lehrer dar, über 80 Prozent fühlen sich dadurch gestresst. In der Liste folgen Kritik an Schule und Lehrern durch Politik und “sogenannte ‘Schulexperten'”, “Lehrerbashing” und mangelndes Prestige in der Gesellschaft – sieben von zehn Lehrern fühlen sich dadurch belastet. Dahinter folgen gleichauf “Papierkram” und “Abwälzung der Erziehungsaufgabe an die Schule”, die zwei Drittel als stressig empfinden.

(APA/Red)

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