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Anschlag in Wien: Derzeit keine Hinweise auf zweiten Täter, 14 Festnahmen

Nach Anschlag in Wien: 18 Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich.
Nach Anschlag in Wien: 18 Hausdurchsuchungen in Wien und Niederösterreich. ©APA/AFP/JOE KLAMAR
Nach dem islamistischen Terroranschlag in der Wiener Innenstadt gab es am Dienstag vorerst keine Hinweise auf einen zweiten Täter. Das sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Nachmittag.
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Vier Menschen und der Täter wurden getötet, insgesamt 22 weitere Menschen verletzt. Im Umfeld des Täters fanden in Wien und Niederösterreich 18 Hausdurchsuchungen statt, 14 Personen wurden vorläufig festgenommen.

Trotzdem wurde eine erhöhte Sicherheitswarnung aufrechterhalten. Der angeschossene Beamte befand sich laut dem Innenminister nach einer Operation in stabilem Zustand.

Nehammer übte Kritik an Justiz

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hat am Dienstagnachmittag deutliche Kritik an dem Umstand geübt, dass der von der Polizei erschossene Attentäter vorzeitig aus einer 22-monatigen Haftstrafe bedingt entlassen worden war. Der 20-Jährige habe es geschafft, "das Deradikalisierungsprogramm der Justiz zu täuschen", sagte Nehammer. Es bedürfe daher einer "Evaluierung und Optimierung des Systems".

Kujtim Fejzulai war im April 2019 in Wien wegen terroristischer Vereinigung (§ 278 b StGB) verurteilt worden, nachdem er beim Versuch aus dem Verkehr gezogen worden war, nach Syrien zu reisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Bereits Anfang Dezember wurde er gegen Auflagen auf freien Fuß gesetzt und bekam einen Bewährungshelfer sowie eine Betreuung des auf Deradikalisierung radikalislamistischer Straftäter spezialisierten Vereins Derad beigestellt. Geschickt dürfte er beiden die Abkehr von der IS-Ideologie vorgetäuscht haben. Gegenüber dem Bewährungshelfer habe er sich "besonders bemüht" gegeben, stellte Nehammer fest. Bei den Terminen mit Derad sei er bestrebt gewesen, nach außen hin dem Bild eines in die Gesellschaft integrierten jungen Mannes zu entsprechen. In Wahrheit habe der 20-Jährige "ganz bewusst das System zerstören" wollen, bemerkte Nehammer.

Dem Vernehmen nach soll der 20-Jährige vor wenigen Tagen - Ende Oktober - einen Termin bei Derad absolviert haben. Dabei habe er explizit die jüngsten Terroranschläge in Frankreich verurteilt, hieß es. In Wahrheit gebe es aber "eine Fülle von Hinweisen auf seine Radikalisierung", betonte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, bei der Pressekonferenz im Innenministerium.

Munitionsteile in Wohnung des Täters sichergestellt

In der Wohnung des Attentäters sind bei einer Hausdurchsuchung Munitionsteile sichergestellt worden. Zusätzlich wurde umfangreiches weiteres Beweismaterial beschlagnahmt, das erst ausgewertet werden muss. Es gebe aber bereits ein "klares Indiz zur Nähe zum Islamischen Staat (IS)", sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei einer Pressekonferenz. Der 20-Jährige habe ein dementsprechende Facebook-Posting veröffentlicht.

Nach Anschlag in Wien: 18 Hausdurchsuchungen und 14 Festnahmen

Insgesamt wurden am Dienstag 18 Hausdurchsuchungen im Umfeld des Täters in Wien und Niederösterreich durchgeführt. "Die Beweismittel werden aktuell gesichtet und ausgewertet", sagte der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. 14 Personen aus dem Umfeld des Täters wurden festgenommen. Sie wurden am Dienstagnachmittag noch einvernommen. Die Festgenommenen stammen aus dem Bekannten- und Freundeskreis des 20-Jährigen. Nach ersten Erkenntnissen gab es keine Hinweise, dass sie aktiv in den Anschlag involviert waren.

Nehammer betonte bei der Pressekonferenz auch, dass der angeschossene Polizist von zwei Österreichern mit Migrationshintergrund in Sicherheit gebracht worden war. "Toleranz ist ein unteilbares Gut", bekräftigte der Innenminister. "Wir lassen uns unsere Lebensfreude, unsere Freiheit, unsere Toleranz, unser gemeinsames Leben in Österreich und in der Bundeshauptstadt sicher nicht durch Gewalt zerstören", sagte Nehammer. "Alle, die glauben zu diesen Mitteln greifen zu müssen, müssen mit der vollen Konsequenz, Klarheit und Härte des Rechtsstaats rechnen."

Alle 14 Festgenommenen in U-Haft

Nach dem Anschlag mit mindestens vier Toten in Wien waren am Dienstag 14 Personen aus dem Umfeld des getöteten Täters festgenommen worden. Sie alle befinden sich mittlerweile in Untersuchungshaft, sagte Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) am Dienstagabend der APA. "Das zeigt das konsequente und kompromisslose Vorgehen von Polizei und Justiz im Kampf gegen Terror in unserem Land", konstatierte Nehammer.

Staatsbürgerschaftaberkennungsverfahren gescheitert

Nach seiner rechtskräftigen Verurteilung als IS-Terrorist wurde gegen Kujtim F. ein Verfahren zur Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft eingeleitet. Der Mann mit albanischen Wurzeln - er wurde in Österreich geboren - besaß neben der österreichischen auch die nordmazedonische Staatsbürgerschaft. Das Aberkennungsverfahren sei allerdings im Sand verlaufen, gab Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) bei der Pressekonferenz bekannt.

Nach Ansicht der zuständigen Wiener Behörde habe es "zu wenig Hinweise auf aktives Tun" in Richtung einer terroristischer Betätigung gegeben, erläuterte Nehammer. Der 20-Jährige dürfte es überzeugend geschafft haben, den Behörden, die mit ihm zu tun hatten, nach seiner Haftentlassung vorzumachen, er wäre geläutert. Termine beim Bewährungshelfer und Derad soll er stets brav eingehalten haben, er dürfte seitens des Verfassungsschutzes auch nicht als besonderer Gefährder gegolten haben.

Deshalb stand er auch nicht mehr unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. "Es gibt niemals einen absoluten Anspruch auf Sicherheit" und "keine absolute Sicherheit, eine Person richtig einschätzen zu können", konstatierte der Wiener Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl.

Anschlag in Wien: 14 Menschen noch schwer verletzt

Nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom Montagabend sind 22 Menschen in Krankenhäusern behandelt worden. Das sagte der Sprecher des Wiener Gesundheitsverbunds, Christoph Mierau, auf APA-Anfrage. 14 davon galten als schwer verletzt, einer von ihnen war der angeschossene Polizist. Seinen Zustand wie den von zwei weiteren Patienten klassifizierte Mierau am Dienstag als kritisch, aber stabil. Akute Lebensgefahr herrschte bei keinem der Patienten mehr.

Eine Frau war in der Nacht auf Dienstag gestorben. Sieben Opfer kamen mit leichteren Blessuren davon. Zur Art der Verletzungen bei den 14 Patienten äußerte sich Mierau nicht. Nach Informationen der APA handelt es sich aber nicht nur um Schussverletzungen. Einige Opfer wiesen Stich- und Schnittverletzungen auf. Dazu kamen typische Fluchtverletzungen wie Knochenbrüche und Rissquetschwunden.

Die Patienten stammten nach Informationen der APA aus Österreich und aus Deutschland. Eine Verletzte kam aus der Slowakei.

Zwei Festnahmen in St. Pölten

Im Zusammenhang mit dem Anschlag in Wien sind am Dienstag in St. Pölten zwei Festnahmen erfolgt. Ein Polizeisprecher bestätigte zudem, dass in der niederösterreichischen Landeshauptstadt zwei Hausdurchsuchungen durchgeführt worden seien.

Der "Kurier" berichtete online, dass Kontaktadressen des mutmaßlichen Attentäters in der Fuhrmannsgasse und in einem Wohnblock gegenüber des Universitätsklinikums St. Pölten "von Spezialkräften auf den Kopf gestellt" worden seien. Schwer bewaffnete Beamte der Cobra hätten gemeinsam mit dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) die Räumlichkeiten durchsucht.

Festnahme durch Cobra in Linz

Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) bestätigte in einer Pressekonferenz am Dienstag in Linz eine Hausdurchsuchung und eine Festnahme in Linz. Die Festnahme sei auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien durch ein Cobra-Kommando in Linz "ohne großes Aufsehen" vollzogen worden, berichtete Landespolizeidirektor Andreas Pilsl. Die Einvernahmen seien am Laufen.

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