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Zu EU-Niveau ist’s noch weit

Schwarzach - Skoda-Vorstand Martin Jahn: Tschechische Facharbeiter zieht’s nicht nach Westen. "Es ist notwendig, dass die Produktivität tschechischer Unternehmen schneller wächst als das Einkommen ihrer Belegschaften.

Unsere Volkswirtschaft muss schließlich noch ein respektables Stück aufholen, um auf EU-Niveau aufzuschließen. Mit 12,7 Prozent Gesamtlohnerhöhung für zwei Jahre liegt unser Abschluss aber doch deutlich z. B. über jenem der deutschen Metaller.”

Das erklärte der einzige nicht-deutsche Vorstand des tschechischen Autobauers Skoda – Personalvorstandsdirektor Martin Jahn – auf die Frage, ob der auch im Westen mit Interesse verfolgte, wochenlange Tarifkonflikt bei Skoda auch ein „Preis“ dafür ist, dass sich sein Land zusehends den in EU-Europa gültigen Wirtschafts-Spielregeln unterordnet. Jahn, der von 2004 bis 2005 Vize-Regierungschef und Wirtschaftsminister unter Premier Stanislav Gross gewesen war, sieht sein Land mit diesem EU-Kurs auf dem richtigen Weg: „Unser BIP wird heuer um über sechs Prozent zulegen, die Arbeitslosenrate betrug im letzten Quartal 6,3 Prozent, die Inflation wird heuer unter drei Prozent bleiben. Viel schwerer wird es, die Löhne an westeuropäisches Niveau heranzuführen“, verwies der 37jährige Dipl.Wirtsch.Ing. und MBA, der in Prag und Chicago studierte, auf das Beispiel Skoda. Nach besagter Lohnrunde verdienen Arbeiter dort durchschnittlich 850 Euro monatlich brutto, Arbeiter und Angestellte im Schnitt 950, die Skoda-Mannschaft inklusive der Führungskräfte im Schnitt 1100 Euro. „In vielleicht zehn Jahren werden die Tschechen spanisch-protugiesisches, in ca. 20 Jahren österreichisches Einkommensniveau erreicht haben“, kalkulierte der Experte emotionslos.

Jahn glaubt nicht, dass unter den 800 Fachkräften, die Österreichs Firmen aus Osteuropa zur Bewältigung des Auftragsbooms abwerben wollen, viele Tschechen sein werden. „Wir selbst brauchen sie dringend, wir heuern ja selbst Rumänen, Bulgaren und Ukrainer an. Außerdem beträgt die Mobilitätsbereitschaft der Tschechen einen Bruchteil z. B. der Polen. Wir sorgen schon heute für die Fachkräfte von morgen vor – so bildet Skoda nicht nur 1000 Lehrlinge aus, sondern gründete mit der Skoda-Fachhochschule auch die erste Firmen-Uni mit aktuell 400 Studenten. Tschechen sind auch sparsam, schätzen die höhere Kaufkraft in der Heimat“, listete Jahn etliche Faktoren auf, weshalb ein Exodus seiner Landsleute unwahrscheinlich ist.

Jahn differenzierte, dass deutsche Unternehmen/Konzerne in Tschechien zwar kräftig investieren, im „klassischen Export“ jedoch die Österreicher – und hier auch Vorarlberger wie Doppelmayr, Pfanner, Rauch, Blum, Haberkorn-Ulmer, Gebrüder Weiss u. a. – sehr gut im Rennen liegen. Auch Vorarlberger Mittelständler machten dort „exzellente Geschäfte“ (Jahn).

Und zum – im doppelten Sinne – „Dauerbrenner“ Temelin: Europa sei auf Nuklearenergie angewiesen, ein Zusperren komme „auch aus dem Unabhängigkeitsbestreben gegenüber Russland“ nie in Frage. Die „Melker Vereinbarung“ verletze sein Land aber nicht, so Jahn.

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