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"Würde der Mindestkurs jetzt aufgehoben, gäbe es ein Blutbad"

Kampf um Mindestkurs
Kampf um Mindestkurs ©Shourot
Sorge um starken Franken: Die Diskussionen um den Euro-Mindestkurs in der Schweiz gehen weiter.
Schweizer Franken-Sorgen: Ist die Euro-Untergrenze zu halten?

Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) fällt der Nationalbank (SNB) in den Rücken. Grund ist der festgelegte Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken. SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler fordert eine Exit-Strategie, schreibt die Sonntagspresse unter Berufung auf ein 10-Punkte-Papier. Zugleich berichten die Medien, eine Aufhebung der Kursuntergrenze würde Schweizer Vermögen im Ausland gefährden.

“Mit einer Blase zu vergleichen”

Für Bigler ist die “aufgeblähte Bilanz” der SNB “mit einer Blase zu vergleichen”, weshalb die Notenbank heute die größte Bürde für die Öffentlichkeit darstelle. Zudem sei das Haus zu einem “eigenkapitallosen Ungetüm” geworden und bedrohe die Schweizer Wirtschaft. “Wir gehen beträchtliche Inflations- und Rezessionsrisiken ein”, so Bigler weiter.

Selbst in den eigenen Reihen stößt der SGV-Präsident mit seinen Thesen auf Widerstand. “Für den Tourismus wäre es verheerend, wenn man die Untergrenze aufgeben würde”, sagt Guglielmo Brentel, SGV-Vorstand und Präsident von Hotelleriesuisse.

Vor einem Monat schrieb die “Handelszeitung”, dass der starke Franken und die weltweite Wirtschaftskrise bereits kräftig auf das Tourismusgeschäft drücken. Beispielsweise seien im März die Übernachtungen in Schweizer Hotels um 8 Prozent eingebrochen. Bei ausländischen Gästen insbesondere aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden ging die Zahl der Logiernächte gar um 12 Prozent zurück.

Auf wenig Verständnis stößt Bigler auch bei der Exportindustrie. Für Siemens-Schweiz-Chef Siegfried Gerlach ist “das Gerede von der Aufhebung des Mindestkurses dummes Zeug”. Für die Exportwirtschaft sei die Untergrenze von 1,20 Franken überlebenswichtig. Andere Stimmen warnen vor Produktionsverlagerungen, sollte der Mindestkurs fallen.

“Exportwirtschaft und Tourismus wären tot”

SVP-Nationalrat und Bahnbauer Peter Spuhler (Stadler Rail) nahm gegenüber der Zeitung “Sonntag” kein Blatt vor den Mund: “Würde der Mindestkurs jetzt aufgehoben, gäbe es ein Blutbad.” Seine Vermutung: Der Euro würde von 1,20 auf 1 Franken oder gar auf 90 Rappen stürzen. “Das würde bedeuten: Die Exportwirtschaft und der Tourismus wären tot.”

Obwohl die Zahl der Kritiker an der Euro-Kursuntergrenze trotz dieser Stimmen wächst, verteidigt Bundesrätin (Ministerin) Doris Leuthard das Handeln der Nationalbank. Auf die Frage, ob die SNB nicht eine Exit-Strategie für einen Ausstieg aus der Kursbindung haben müsse, sagte Leuthard gegenüber der Zeitung “Sonntag”: “Vielleicht hat ja die Nationalbank eine Exit-Strategie, aber dazu sollte man besser schweigen.” Ein dazu passender Kommentar der “NZZ am Sonntag”: “Leichtfertig fordern die Kritiker ein ‘Ausstiegsszenario’ zur Euro-Anbindung – also eine Anleitung für alle Hedge-Funds, gegen die SNB zu wetten.”

Zudem warnt das Blatt vor enorm hohen Kosten durch die Franken-Freigabe. Die erhebliche Aufwertung der Landeswährung hätte demnach massive Folgen für die Schweiz, die gemessen an ihrer Größe zu den bedeutendsten Gläubigern der Welt gehört. Cedric Tille vom Graduate Institute for International and Development Studies in Genf rechnet vor: Wenn der Franken von 1,20 auf 1,00 je Euro sinken würde, müssten bei Schweizer Auslandsguthaben, die in Euro gehalten werden, netto mit einem reinen Wertverlust von 106,6 Mrd. Franken (rund 88,8 Mrd. Euro) gerechnet werden.

(APA)

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