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Schweizer Franken-Sorgen: Ist die Euro-Untergrenze zu halten?

Frankenstärke: Schweizer Ökonomen uneins über Nationalbank-Strategie.
Frankenstärke: Schweizer Ökonomen uneins über Nationalbank-Strategie. ©AP
Die Diskussion um den von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) festgelegten Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken ist neu aufgeflammt.
Schweizer prüfen Maßnahmen für Euro-Pleite

Die Talfahrt der europäischen Gemeinschaftswährung hat in der Schweiz eine Diskussion um den Mindestkurs des Franken gegenüber dem Euro entfacht. Währungsexperten und konservative Politiker fordern einen schrittweisen Ausstieg aus der seit sechs Monaten von der Schweizerischen Nationalbank (SNB) garantierten Kursuntergrenze von 1,20 Franken pro Euro.

Ist Untergrenze zu halten?

Unter Schweizer Ökonomen herrscht Uneinigkeit darüber, ob die Untergrenze langfristig zu halten ist. Oswald Grübel, der ehemalige Chef der Großbanken Credit Suisse und UBS, hat mit seinem kritischen Kommentar zum Euro-Mindestkurs von 1,20 Franken eine hitzige Diskussion ausgelöst. Es sei “nur eine Frage der Zeit und der Entwicklung der Eurokrise”, bis die SNB den Mindestkurs aufgeben müsse, schrieb Grübel in der Zeitung “Sonntag”.

Die Kursuntergrenze könnte für die Schweiz langfristig zum Problem werden, findet auch Reiner Eichenberger, Ökonom an der Universität Freiburg. “Die Untergrenze von 1,20 Franken ist ein großes Risiko”, sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Solange man davon ausgehen könne, dass der Euro-Kurs irgendwann wieder über 1,20 Franken steigen wird, sei die Verteidigung der Untergrenze kein Problem, erklärt Eichenberger. Ob es dazu kommt, ist seiner Ansicht nach aber alles andere als sicher – vor allem wenn sich die europäische Schuldenkrise weiter verschärfen sollte.

Das Problem liegt gemäß Eichenberger in der Veränderung des realen Wechselkurses, der gemeinhin über die Kaufkraftparität definiert wird. Kaufkraftparität herrscht bei jenem Kurs, zu dem man mit Franken und Euro in den jeweiligen Währungsräumen genau gleichviel kaufen kann. Je nach Berechnungsgrundlage liegt der reale Wechselkurs des Euro gegenüber dem Franken zwischen 1,30 und 1,40. “Das Gemeine ist, dass die Kaufkraftparität sinkt”, sagt Reiner Eichenberger. Weil die Inflation in der Euro-Zone deutlich höher sei als in der Schweiz, bewege sich der reale Wechselkurs auf die Untergrenze der SNB zu. “In zwei Jahren liegt die Kaufkraftparität zwischen Euro und Franken bei 1,20”, prophezeit er.

Die Gefahr sieht Eichenberger darin, dass die SNB den Mindestkurs dann plötzlich aufgeben müsste. Um dieses Szenario abzuwenden, sollte die sollte die Notenbank im schlimmsten Fall die Untergrenze auf 1,15 oder gar 1,10 Franken absenken, um wieder Abstand zur Kaufkraftparität zu gewinnen, findet er. “Es wäre sinnvoll, mit dem Mindestkurs rechtzeitig herunterzugehen.”

“Schockartige Aufwertung des Frankens”

Weniger pessimistisch sieht die Situation Aymo Brunetti, ehemaliger Leiter des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) und heute Professor an der Universität Bern. Er teilt zwar die Einschätzung Eichenbergers, dass der reale Wechselkurs des Euro gegenüber dem Franken fällt. Dass die Kaufkraftparität aber derart rasch den Mindestkurs erreicht, glaubt er allerdings nicht. Die Kursuntergrenze der Nationalbank berge zwar Risiken, sagt Brunetti. Diese seien aber kleiner als die Risiken einer Freigabe des Wechselkurses. Diese würde zu einer “schockartigen Aufwertung des Frankens” führen, ist er überzeugt.

Auch Martin Brown, Bankenprofessor an der Universität St. Gallen, hält eine Strategieänderung für keine gute Idee. “Ein Aufheben der Untergrenze würde primär die Glaubwürdigkeit der SNB schädigen”, sagt er. Kurzfristig sieht er ohnehin keine Gefahr, dass der Mindestkurs nicht gehalten werden könnte. Dass sich die Kaufkraftparität zwischen Euro und Franken dem Mindestkurs annähern wird, ist nach Ansicht Browns nicht sicher. Denn die Ausweitung der Geldmenge durch die SNB berge auch die Gefahr einer steigenden Inflation in der Schweiz. Dies wiederum würde einem Absinken des realen Euro-Wechselkurses entgegenwirken.

“SNB darf keinen Zweifel aufkommen lassen”

Aus Sicht von Aymo Brunetti gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keinen Anlass für die SNB, an ihrer Politik etwas zu ändern. “Die SNB darf keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie die Untergrenze verteidigt und verteidigen kann”, erklärt er. Damit sichere sie sich gleichzeitig gegen hohe Verluste auf den gehaltenen Devisen ab. “Solange die Nationalbank den Mindestkurs hält, macht sie auf den Eurobeständen keine Währungsverluste.” Die Kritik am Mindestkurs hält Brunetti daher für unberechtigt. Sie sei zudem eine Gefahr für die Position der Notenbank. “Wenn der Mindestkurs infrage gestellt wird, steigt der Anreiz für Anleger, diesen Mindestkurs zu testen.” Damit könnte die Verteidigung der Untergrenze noch teurer werden.

(APA)

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