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Wohlstand: Vorkrisenniveau noch nicht wieder erreicht

Der Wohlstandsbericht der Arbeiterkammer sieht Österreich noch nicht auf dem Niveau vor Corona.
Der Wohlstandsbericht der Arbeiterkammer sieht Österreich noch nicht auf dem Niveau vor Corona. ©APA/BARBARA GINDL
Der neueste Wohlstandsbericht der Arbeiterkammer sieht zwar einen Aufschwung im Vergleich mit dem letzten Jahr, das Vorkrisenniveau sei aber noch nicht erreicht.

Die Arbeiterkammer (AK) hat zum vierten Mal ihren "Wohlstandsbericht" veröffentlicht, mit dem sie einen zur Messung von Wohlstand und Wohlergehen in Österreich beitragen will. Bewertet werden insgesamt 30 Indikatoren aus fünf übergeordneten Zielen wie etwa Lebensqualität oder ökonomische Stabilität. Die aktuelle Bewertung fällt zwar etwas besser aus als jene des Vorjahres kurz nach Beginn der Coronakrise. Das Vorkrisenniveau ist aber noch nicht wieder erreicht.

Wohlstand als Ziel der Wirtschaftspolitik

"Für uns ist Wohlstand das Ziel der Wirtschaftspolitik, nicht das Wirtschaftswachstum", sagte AK-Chefökonom Markus Marterbauer am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Lediglich zehn der 30 Indikatoren werden aktuell positiv bewertet, voriges Jahr waren es überhaupt nur acht. Im Gegensatz zum Vorjahr gibt es zumindest bei zwei der fünf übergeordneten Ziele einen leichten Fortschritt. Diese sind "Lebensqualität" und "Intakte Umwelt", hieß es bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Das weitere übergeordnete Ziel "Vollbeschäftigung und gute Arbeit" schneidet heuer zwar besser ab als 2020, liegt aber weiterhin im negativen Bereich.

Um die Covid-19-Pandemie zu überwinden und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen bestmöglich abzufedern, fordert die AK Maßnahmen in diesen Bereichen. Sie will durch eine Nutzung des aktuellen Aufschwungs eine aktive Arbeits- und Beschäftigungspolitik, öffentliche Investitionen in den Klimaschutz, eine öffentliche Daseinsvorsorge gesichert und einen stärkeren Fokus auf gerechte Verteilung sowie einen neuen Steuerungsprozess umgesetzt wissen, der von einem Rat aus Experten und Expertinnen begleitet werden solle.

"Jobgarantie" gefordert

Etwa in der geforderten Arbeits- und Beschäftigungsoffensive geht es den Arbeitnehmervertretern um innovative Arbeitszeitmodelle und Formen der Arbeitszeitverkürzung. Langzeitarbeitslosigkeit müsse abgebaut werden, es brauche zudem eine "Jobgarantie". Arbeitslose sollen eine höhere Existenzsicherung bekommen. Soziale Dienstleistungen müssten für mehr Lebensqualität und neue Jobs ausgebaut werden, auch brauche es eine Qualifizierungsoffensive. Die Arbeitskräfte-Knappheit könne laut Marterbauer aber auch zu Fortschritt führen, sollten die Unternehmen deswegen mehr in die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter investieren. Insgesamt sei Österreich stabil, es gebe aber zu wenig Bemühungen für Fortschritt, sagte der AK-Chefökonom.

Trotz des Aufschwungs blieb die Bewertung des Punktes "Vollbeschäftigung und gute Arbeit" im negativen Bereich. Denn so habe sich etwa ein Teil der Arbeitslosigkeit verfestigt. Zudem seien strukturelle Problem weiter ungelöst: Benachteiligte Gruppen wie ältere und gesundheitlich beeinträchtigte Arbeitssuchende, Frauen, Menschen mit Behinderung sowie Niedrigqualifizierte nur sehr schwer am Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Oder auch, dass einige mehr arbeiten als sie wollen und andere in prekären Teilzeit-Jobs feststecken. Und dass Frauen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit wie Kinderbetreuung und Pflege leisten.

AK sieht "unnötiges Milliardengeschenk" an Firmen

Bei der Präsentation wurde im Zusammenhang mit Wohlstandszielen nicht mit Kritik an der "ökosozialen Steuerreform" gespart. "Größtes Manko" der geplanten Reform ist für AK-Chefökonom Markus Marterbauer, "dass es wieder nicht gelungen ist, das Thema der Erbschafts- und Vermögenssteuern anzugehen", wie er am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien sagte. Selbiges gelte für "progressive Abgaben auf Spitzeneinkommen". Der Familienbonus würde Familien, die ihn tatsächlich bräuchten, "nicht helfen". "Eigentlich ist die Steuerreform nur der tendenzielle Ausgleich der kalten Progression für Arbeitnehmer und ein unnötiges Milliarden-Steuergeschenk an große Unternehmen", kritisierte Marterbauer.

Viele Fragezeichen

"Fragezeichen" der Steuerreform sei, was an Budgetmitteln übrig bleibe, "um dringenden Investitionen in Pflege, Kindergärten, Schulen, Armutsbekämpfung und Klimaschutz zu tätigen", so der AK-Ökonom. "Alleine die KöSt-Senkung für Unternehmen könnte die Armut halbieren."

Die Senkung der Körperschaftssteuer (KöSt) bringt Unternehmen rund 800 Mio. Euro. "Die Effekte daraus sind gering. Es gäbe bessere Wege, die Mittel einzusetzen", sagte Marterbauer. Auf die Frage danach, wie das Geld besser eingesetzt wäre, sagte er, dass etwa die Sozialhilfe wieder zu einer bedarfsorientierten Mindestsicherung gemacht werden könne. Aber auch soziale und Gesundheitsvorsorge-bezogene Sachleistungen für Kinder aus bildungsfernen Haushalten würde mittelfristig helfen, um armutsgefährdeten Kindern Chancen zu ermöglichen und zu verhindern, dass sie ein Leben lang sozial schlechter gestellt blieben.

Lohnverrechnung wird verkompliziert

Die Steuerreduktion in der zweiten und dritten Tarifstufe und die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge "hilft natürlich", sagte Marterbauer. "Aber das gewählte Instrument ist schlecht ausgewählt." Die Lohnverrechnung in Firmen würde verkompliziert und die Abschmelzung des Krankenversicherungsbeitrags bedeute auch einen höheren Aufwand in der staatlichen Verwaltung. Marterbauer gab grundsätzlich auch zu bedenken, dass die Mittel für andere Leistungen - etwa soziale Sachleistungen - geringer würden, wenn es immer nur um Steuersenkungen gehe; die Senkung der Abgabequote sei ideologisch bedingt, spielte er auf die große Regierungspartei ÖVP an.

Der Ökobonus habe eine positive Verteilungswirkung "auch wenn man regional diskutieren kann", sagte Marterbauer. Auch Silvia Hruška-Frank von der AK-Sozialpolitik lobte beim Ökobonus, dass er eine soziale Dimension in der CO2-Bepreisung adressiere. In Städten und hier vor allem in Wien brauche es aber noch Änderungen. Unbedingt müssten aber Vermieter einbezogen werden. "Denn Mieter haben keine Möglichkeit, das Heizsystem zu ändern."

(APA/Red)

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