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Wird Kurz nervös?

Die Frage, wer hinter dem Ibiza-Video steckt, könnte noch wahlentscheidend werden. Umso bemerkenswerter ist das Verhalten von Sebastian Kurz.
Die Frage, wer hinter dem Ibiza-Video steckt, könnte noch wahlentscheidend werden. Umso bemerkenswerter ist das Verhalten von Sebastian Kurz. ©APA/Hans Punz
Gastkommentar von Johannes Huber. Die Frage, wer hinter dem Ibiza-Video steckt, könnte noch wahlentscheidend werden. Umso bemerkenswerter ist das Verhalten von Sebastian Kurz.

Wer steckt hinter dem Ibiza-Video? Gegenüber dem Wirtschaftsmagazin „Trend“ hat sich ein gewisser Werner Rydl als Auftraggeber bezeichnet. Das Magazin traut der Sache aber selbst nicht und meldet daher Zweifeln an: „Nur ein Selbstdarsteller oder hatte er tatsächlich die Finger im Spiel?“

Sagen wir also, Rydl war’s nicht. Wovon ganz offensichtlich auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz überzeugt ist: Schon vor einem Monat hat er mehrfach betont, dass das Video von Tal Silberstein stammen könnte; es erinnere jedenfalls sehr stark an dessen Stil. Beweisen ließ sich bisher jedoch gar nichts. Und so präsentierte Kurz diese Woche im Puls 4-Sommergespräch eine neue Idee: Drahtzieher soll demnach ein SPÖ-naher Anwalt gewesen sein. Genaueres konnte der ehemalige Kanzler jedoch wieder nicht belegen. Und weil der Anwalt umgehend erklärte, Kurz zu klagen, kann man auch in diesem Fall nicht davon ausgehen, dass das große Rätsel, wer hinter Ibiza steckt, gelöst ist.

Das Ganze wirft kein gutes Licht auf den ÖVP-Chef: Gerade von ihm als ehemaligem und wohl auch künftigem Regierungschef sollte man erwarten können, dass er bei einer gewissen Seriosität bleibt: Dass er keine G’schichtln druckt, sondern Fakten liefert. Sonst begünstigt er ein Klima, in dem auf Twitter zum Beispiel darüber spekuliert wird, warum ausgerechnet seit Bekanntwerden des Videos der eine oder andere Mann, der Kurz nahesteht, keinen Tweet mehr absetzt oder Tweets aus der Vergangenheit überhaupt gelöscht hat. Das heißt noch gar nichts, wohlgemerkt: Wenn Kurz selbst aber allerhand in den Raum stellt, darf er sich nicht wundern, wenn das auch andere tun.

Es ist also schon sehr seltsam, wie er sich in diesem Fall benimmt. Warum tut er das? Als das Video veröffentlicht wurde, war für einen Großteil der Österreicher klar, dass diese Koalition nicht fortgesetzt werden kann. Kurz ist den Erwartungen gerecht geworden und hat sie aufgekündigt. Außerdem hat er Neuwahlen ausgerufen mit dem Ziel, eine überwältigende Mehrheit für die ÖVP zu gewinnen.

Die Ausgangslage war zunächst vielversprechend für ihn. 40 Prozent waren nicht unrealistisch. Aus heutiger Sicht würde das jedoch mehr und mehr überraschen: Die SPÖ schwächelt zwar; was sie verliert, könnten aber die wiederauferstehenden Grünen gewinnen. Vor allem aber fällt die FPÖ nicht ins Bodenlose. Zumindest bei der EU-Wahl hat sie bemerkenswert gut abgeschnitten. Und das ist etwas Bedrohliches für Kurz und die ÖVP, was sie wirklich nervös machen und zu unvernünftigen Handlungen treiben könnte: Wenn die Freiheitlichen nicht abstürzen, können sie selbst nicht triumphieren.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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