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Wiener Bioanalyse-Firma im Zentrum von Coronavirus-Studie

Das Wiener Bioanalyse-Unternehmen Attoquant Diagnostics steht im Zentrum der Covid-19-Studie.
Das Wiener Bioanalyse-Unternehmen Attoquant Diagnostics steht im Zentrum der Covid-19-Studie. ©Pixabay.com (Sujet)
Einen wesentlichen Beitrag zur Behandlungsstudie an 24 schwererkrankten chinesischen Covid-19-Patienten mit gentechnisch hergestelltem humanen ACE2 aus Wien leistet auch das Wiener Bioanalyse-Unternehmen Attoquant Diagnostics. Hier werden begleitende Laboruntersuchungen zur wissenschaftlichen Auswertung der Daten in Wien durchgeführt, erklärte Geschäftsführer Marko Poglitsch.
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Vergangene Woche gab das Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron bekannt, dass ein Wissenschafterteam unter chinesischer Führung eine erste Studie an schwerstkranken Covid-19-Patienten mit rekombinantem Angiotensin Converting Enzym 2 (ACE2) durchführen wird. Von dem Wiener Unternehmen wird der Wirkstoff für die Tests kommen.

Details zu Laboruntersuchungen in Wien

Entscheidend für die Resultate sind spezielle Laborwerte, die zeigen sollen, welche molekularen Effekte ACE2 bei den Patienten bewirkt, und wie sich Covid-19 selbst auf wichtige, am Krankheitsverlauf beteiligte Hormonsysteme auswirkt. Ziel der Analysen ist es, mithilfe der gesammelten Laborwerte entscheidende Hinweise zu den Krankheitsmechanismen zu gewinnen, um in weiterer Folge den effizienten therapeutischen Einsatz von ACE2 zu gewährleisten. Die gesammelten Daten sollen damit die Basis für die weitere Entwicklung der potenziellen Therapieform liefern.

Attoquant-Geschäftsführer Marko Poglitsch: "Wir sind seit zehn Jahren auf dem Gebiet der Analyse des Renin-Angiotensin-Aldosteron-Systems, kurz RAAS genannt, im Menschen engagiert und haben da große Kompetenz aufgebaut. Wir führen unsere Analysen per Massenspektrometrie durch, wobei viele unterschiedliche Wirkstoffe dieses körpereigenen Regelsystems, wie Angiotensine und Aldosteron selbst, gleichzeitig gemessen werden können."

Das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System des Menschen ist ein hoch komplexes System mit vielen Stoffwechselprodukten, das bei vielen Funktionen mitwirkt: bei der Steuerung von Wasserhaushalt und Blutdruck, für Nieren- und Herzfunktionen, aber auch im Rahmen von Entzündungen. Das bei der Blutdruckerhöhung wirksame Enzym ACE ist zum Beispiel Zielpunkt wichtiger Blutdruckmedikamente. Das Enzym ACE2 hingegen ist ein Gegenspieler dazu.

Wirkung von ACE2

"ACE2 baut überschüssiges Angiotensin II in Metaboliten um, welche in vielen Krankheiten und Studien schützende und therapeutische Wirkungen zeigten. Als Eingangsrezeptor für SARS-CoV-2 steht ACE2 und dessen Funktion als wichtige Komponente des RAAS nun weltweiten Fokus", sagte der Attoquant-Geschäftsführer.

Hier setzt die Rolle von ACE2 bei Covid-19 bzw. beim neuen Coronavirus SARS-CoV-2 ein. Der Wiener Biotech-Pionier und Mitbegründer von Apeiron und Attoquant Hans Loibner: "Etwa 2003 hat es eine erste Publikation gegeben, wonach ACE2 die Eintrittspforte auf Zellen für das SARS-Virus ist." Josef Penninger, Co-Begründer von Apeiron, zeigte im Mausmodell zum akuten Lungenversagen (ARDS), dass Tiere ohne ACE2 vor ARDS geschützt waren. Gentechnisch hergestelltes ACE2 hatte einen positiven Effekt.

Apeiron führte Studien an verschiedenen Tiermodellen durch. 2010 wurde rhACE2 an den Pharmakonzern GSK (GlaxoSmithKline) auch für die Entwicklung gegen ARDS auslizensiert. 2019 gab GSK ACE2 nach einer Neuausrichtung seiner Forschungsstrategie an Apeiron zurück.

Deshalb sind jetzt Apeiron und Attoquant mitten in der chinesischen Studie engagiert. Von Apeiron kommt der Wirkstoff. Attoquant liefert ein Testkit-System und vieles mehr inklusive der Analyse von Angiotensin-Markern mittels Massenspektrometrie und deren Interpretation.

Zentraler Aspekt der Coronavirus-Studie

Geschäftsführer Poglitsch: "Wir entwickeln speziell für die Studie in China einen Prozess zur Gewinnung von Patientenproben zur Messung von Angiotensinen. Zentraler Aspekt dabei ist ein Protokoll, wie die Vorbehandlung der Heparin-Plasmaproben aus dem Blut der Patienten erfolgen soll. Dabei wird auch das Virus durch eine intensive Hitzebehandlung in Gegenwart von chemischen Substanzen in einem kontrollierten Verfahren zerstört, ohne dadurch die späteren Messungen zu verfälschen. "

Dann folgt das Einfrieren. Poglitsch: "Die inaktivierten Proben der Covid-19-Patienten aus der Studie werden dann gesammelt zu uns nach Wien geschickt. Wir messen dann die enthaltenen Angiotensin-Metaboliten." Aus deren Verhältnis soll dann abgeleitet werden, ob die Gabe von rekombinant produziertem menschlichen ACE2-Enzym bei den Erkrankten einen positiven Effekt auf die Laborparameter hat und wie sich das Virus selbst auf das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System auswirkt.

Gegen Covid-19: Zwei Mechanismen

Der Einsatz von ACE2 soll bei Kranken mit schwerer Covid-19-Erkrankung über zwei Mechanismen wirken. Attoquant Geschäftsführer Marko Poglitsch und Biotech-Pionier Hans Loibner erklärten praktisch unisono: "ACE2 soll das Andocken des Virus an die Zellen verhindern."

Die "Stacheln" an der Oberfläche der SARS-CoV-2-Partikel, die an Zellen der Lunge binden könnten, sollen so mit den durch die Behandlung zugeführten ACE2-Rezeptoren "besetzt" werden. Damit soll vermieden werden, dass das Virus in die Zelle eindringt. Hinzu kommt, dass ACE2 einen entzündungshemmenden und Lungenödem-dämpfenden Effekt hat, der in direkter Verbindung mit der Funktion von ACE2 im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System steht. Das alles ist in der Behandlung von akutem Lungenversagen (ARDS) höchst erwünscht.

Schnell zu Resultaten

Die Experten von Attoquant dürften sehr bald in der Interpretation der Studiendaten aus China aktiv werden. Poglitsch: "Wir rechnen jeden Moment damit, dass der erste Patient in die Studie in China eingeschlossen wird. Abhängig von der Anzahl an schweren Covid-19 Fällen im betreffenden Einzugsbereich der Klinik könnte die Behandlung der Patienten bereits in einigen Wochen abgeschlossen werden. Die inaktivierten Proben sollen dann binnen ein bis zwei Wochen verschickt werden. Die Messung selbst ist vergleichsweise schnell und sollte innerhalb einer Woche nach Probeneingang bei uns abgeschlossen sein. Die Daten werden dann im Rahmen eines internationalen Forscherteams in Verbindung mit den klinischen Daten ausgewertet." Somit dürften die ersten Ergebnisse auch schon in naher Zukunft vorliegen.

Für das Wiener Bioanalyseunternehmen sind Covid-19 bzw. ACE2 allerdings nicht Kernpunkte seiner Aktivitäten. "Nach nunmehr zehn Jahren Forschung und Entwicklung bringen wir einen neuen Bluttest auf den Markt, mit dem man die Blutdrucktherapie individualisieren kann. Als weltweite Neuheit, wird der "RAAS Triple-A" Test bereits in den nächsten Wochen für Patienten in Wien und Umgebung zur Verfügung stehen. Das könnte die Therapie von Bluthochdruck revolutionieren und zu einer deutlichen Reduktion von blutdruckbedingten Folgeerkrankungen führen", so Geschäftsführer Poglitsch.

(APA/Red.)

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