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Werden telefonische Krankenstände ausgenutzt?

Ärzte verschreiben derzeit Krankenstände über das Telefon.
Ärzte verschreiben derzeit Krankenstände über das Telefon. ©APA (Themenbild)
Aufgrund der aktuellen Situation können Ärzte Krankenstände im Moment auch telefonisch aussprechen.
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Von Günther Bitschnau (wpa)

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Der Umstand, dass Ärzte derzeit vor allem telefonisch Krankenstände bestätigen, ohne die Patienten gesehen zu haben, animiert offenbar einige Arbeitnehmer, sich so die "freiwillige Selbstisolation" bezahlen zu lassen - denn normalerweise müssten Arbeitnehmer dafür ihre Überstunden und Urlaubsansprüche abbauen - bei bestätigtem Krankenstand mit Nicht-COVID-19-Diagnose hat der Arbeitgeber die Kosten zu tragen.

In jeder Krise gibt es Menschen, die so etwas für ihren persönlichen Vorteil ausnützen und davon profitieren wollen. Das gilt etwa in der Wirtschaft wohl für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer gleichermaßen. Jetzt erreichen die wpa-Redaktion Informationen von zwei Vorarlberger Unternehmen aus der Baubranche, die möglicherweise nicht die einzigen Betriebe mit solchen Erfahrungen sind. Auf Bitten der Unternehmen werden deren Namen nicht genannt.

Im ersten Fall berichtet eine Firma aus dem Baunebengewerbe, dass drei ihrer Mitarbeiter aus Angst vor einer möglichen COVID-19-Ansteckung auf der Baustelle nicht mehr zur Arbeit kommen wollten. Als der Arbeitgeber darauf hinwies, dass derzeit eine rechtliche Möglichkeit fehle, um Baustellen einfach so zu schließen, obwohl Sicherheitsabstände eingehalten werden können, sei die Idee mit der freiwilligen Selbstisolation vorgebracht worden. Diese wird weder behördlich erfasst noch kontrolliert.

Krankmeldung mit "Grippe" und "Erkältung"

Allerdings sei den drei Arbeitnehmern noch nicht klar gewesen, dass man bei einer freiwilligen Selbstisolation dafür Überstunden und Urlaubsansprüche abbauen muss. Am nächsten Tag habe der Arbeitgeber dann von zwei verschiedenen Vorarlberger Ärzten die Krankenstandsbestätigungen für die drei Mitarbeiter bekommen. Die den Arbeitnehmern rein telefonisch erteilte Diagnose lautete allerdings nicht auf COVID-19-Verdacht, sondern auf "Grippe" und "Erkältung". Jetzt liegen die Kosten für die "freiwillige Selbstisolation" beim Arbeitgeber.

Kontakt zu einem Skifahrer

In einem zweiten Fall berichtet ein Arbeitgeber aus der Baubranche, dass ein Mitarbeiter angegeben habe, Kontakt zu einer Person gehabt zu haben, die im fraglichen Zeitraum in der Arlbergregion zum Skifahren war. Deshalb wolle er sich in freiwillige Selbstisolation begeben und nicht mehr auf der Baustelle erscheinen. Auf die Nachfrage, wie genau der Kontakt zustande gekommen sei, wollte der Mitarbeiter keine detaillierte Auskunft geben. Der Arbeitgeber stimmte folglich trotzdem zu und wies den Mitarbeiter darauf hin, dass er dafür Überstunden und Urlaubsansprüche heranziehen müsse. Etwas später habe der Arbeitgeber dann eine Krankenstandsbestätigung von einem Arzt für diesen Mitarbeiter erhalten. Auch hier erfolgte die Diagnose (nicht COVID-19) offenbar nur über das Telefon. Die Kosten für die Nicht-Anwesenheit des Arbeitnehmers trägt jetzt der Arbeitgeber.

Rechtliche Situation eindeutig

Gemäß Wirtschaftskammer Österreich ist die rechtliche Situation (Montag, 23.3.2020, mittags) eindeutig geregelt: "Wenn der Mitarbeiter sich freiwillig in Quarantäne begibt, ist keine Entschädigung vorgesehen. Für diesen Fall wird der Abbau von Urlaub bzw. Zeitguthaben zu vereinbaren sein."

Ärzte sollen Patienten nicht in die Ordination holen

Allerdings kann man den Ärzten in diesen Tagen keinen Vorwurf für telefonische Krankenstandsbestätigungen ohne persönliche Begutachtung des Patienten machen, sind sie doch dazu angehalten, direkten Patientenkontakt so oft es geht zu vermeiden und mögliche COVID-19-Verdachtsfälle sofort an die zuständigen Stellen weiterzuvermitteln. So soll der Ausfall von ganzen Arztpraxen so gering wie möglich gehalten werden. 

Dass diese Corona-bedingt sehr eingeschränkte Begutachtungsmöglichkeit durch niedergelassene Ärzte mitunter Personen auf solche Ideen bringt, war zu erwarten. Beide Arbeitgeber betonen jedoch, dass es sich bislang um Einzelfälle oder eine Minderheit in der Belegschaft handle. (WPA)

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