Doppelt gedruckte Banknoten, von deren Existenz niemand erfahren darf, ein gigantischer Finanzskandal, der um jeden Preis vertuscht werden muss, und ein Geheimklub, der unauffällig verhindert, dass die “große Seifenblase” des Geldwirtschaftssystems platzt – das sind die zentralen Themen in “Montecristo”.
Schlechtes Licht auf die Schweiz
Der Schweizer Bestsellerautor lässt seinen Thriller in der Schweiz spielen. Der Bank- und Finanzplatz Schweiz kommt jedoch ganz schlecht weg. Banknotendrucker, die ganze Geldschein-Serien doppelt drucken, um Spekulationsverluste abzudecken, höchste Bankenchefs und Regierungsbeamte, die das Ganze nicht nur decken, sondern dabei auch vor kriminellen Taten nicht zurückschrecken, sind nicht gerade als vertrauensbildende Maßnahmen einzustufen. Und dass Wertsachen nicht einmal in Schweizer Bank-Safes sicher sind, schlägt dem Fass den Boden aus.
Die auch in den realen Schlagzeilen allgegenwärtige Finanzkrise ist freilich nur der Hintergrund für einen ganz unkonkreten, allgemeinen Kern: Suter spielt durch, was passieren kann, wenn der Zufall Regie führt. In einem Ausmaß allerdings, der den Leser irritiert: Ist das noch (pseudo-)philosophisches Experiment oder schon ganz banale Chuzpe?
Journalist erhält falschen Geldschein
Der Video-Journalist Jonas Brand bekommt jedenfalls zufällig zwei Geldscheine mit exakt derselben Seriennummer in die Hand und bemerkt dies auch noch. Zufällig hat er auch einen fingierten Selbstmord im Zug miterlebt, der im engen Zusammenhang mit dieser Affäre steht. Und ebenso zufällig gelingt es ihm immer wieder, den Nachstellungen jener, die auf ihn angesetzt werden, um ihn auszuschalten, zu entkommen. Seinem Freund, einem zum Messie verkommenen brillanten Wirtschaftsjournalisten, der ihm beim Aufdecken der Verschwörung die entscheidenden Hinweise gibt, kommt der Zufall nicht zu Hilfe. Er kommt bei einem fingierten Wohnungsbrand ums Leben.
“Wir hätten es mit einer Weltwirtschaftskrise zu tun, wie sie der Planet noch nie gesehen hat”, erläutert der Präsident der Schweizer Nationalbank höchstpersönlich die Folgen einer Veröffentlichung des von Brand gesammelten Materials, “Arbeitslosigkeit, Nahrungskrisen, Hungersnöte, Krieg.” So dick Suter aufträgt, so schnörkellos und geradlinig er seine Geschichte erzählt, so elegant mutet der Twist an, der Brand davon abhält, sich und die Welt ins Verderben zu stürzen: Er wird mit einer Filmförderung gekauft.
Martin Suter-Roman mit Happy End
Hinter den 1,6 Mio. Franken, die eine Kulturstiftung plötzlich locker macht, um sein längst von allen Förderinstanzen abgelehntes Drehbuch zu seinem Erstlings-Film “Montecristo” (“Wir alle fanden das Buch scheiße”, gesteht ein Mitglied des Fördergremiums) doch noch zu unterstützen, steckt jene Bank, die als erstes pleiteginge, kämen Brands Recherchen an die Öffentlichkeit. Und so sind zu guter Letzt alle glücklich und lassen sich am Ende des Romans gemeinsam vor der Filmpremiere feiern.
Ob der Film gut geworden ist, lässt Martin Suter offen. Aber längst hat er klar gemacht: Darauf kommt es nun nicht mehr an. Und ein wenig geht es Suters eigenen Büchern mittlerweile wohl auch so. Die Startauflage von “Montecristo” beträgt jedenfalls 150.000 Exemplare.
Martin Suter: “Montecristo”, Diogenes, 310 S., 23,60 Euro
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(apa/red)