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Was der Orkan übrig lässt: Richard Fords neuer Roman um Langzeit-Held "Frank"

Richard Ford schildert in seinem neuen Roman unter anderem die verheerenden Folgen von Hurrikan Sandy
Richard Ford schildert in seinem neuen Roman unter anderem die verheerenden Folgen von Hurrikan Sandy ©Hanser Verlag / AP / Peter-Andreas Hassiepen
Frank Bascombe, Richard Fords Langzeit-Held ist zurück: "Frank" ist das vierte Abenteuer des gleichnamigen Protagonisten des US-Erfolgsautors und Pulitzer-Preisträgers - und unser Buch-Tipp der Woche.

Richard Ford lässt in seinem neuen Roman Frank Bascombe beschreiben, wie er nach Hurrikan Sandy den Besitzer des in Schutt und Asche gelegten Hauses trifft, das früher mal sein eigenes war: “Bestimmt waren Sie versichert, sagte ich, meine zweite oder dritte idiotische Bemerkung in fünf Minuten.”

Vierter Roman um Frank Bascombe

Acht Jahre vorher hatte der arme Arnie ihm, dem Immobilienmakler, für die Villa ganz von selbst einen Überpreis gezahlt. Das war 2004, mitten im Boom. Irgendeine Verantwortung trage man schon für den Menschen, dem man ein Haus verkauft habe, denkt Bascombe, ehe er sich mit glasklarer Selbsterkenntnis, aber ohne irgendeine Konsequenz Richtung eigener Behausung in sturmgesicherter Lage aus dem Staub macht.

Der 71-jährige Richard Ford hat seine fast gleichaltrige, immer scharf beobachtende und lässig klar formulierende Roman-Hauptfigur zum vierten Mal zu literarischem Leben erweckt. Wie vorher im “Sportreporter” (1989), “Unabhängigkeitstag” (1995) und “Die Lage des Landes” (2007) liefert er neben dem Porträt der Titelperson im letzten Lebensabschnitt einen bilderreichen Zustandsbericht über das eigene Land in manchmal niederschmetternden und doch auch diskret aufrüttelndem Moll.

Riichard Fords Frank-Romane funktionieren für sich

Frank Heibert hat dieses Bild der USA und vor allem ihrer Mittelklasse in den Jahren nach der Bush-Ära mit Bankenkollaps und gescheiterten Kriegsabenteuern wunderbar übersetzt, klischeefreier als das Coverfoto des Buches. Es zeigt eine windschiefe, überschwemmte, kurvenreiche Achterbahn im Abendrot, kurz vor dem wohl unausweichlichen Zusammenbruch.

Große Worte sind Frank Bascombes Sache ganz und gar nicht. In vier eigenständigen Geschichten, die sich aber fast wie ein geschlossener Roman lesen, lässt Ford den Ex-Sportreporter, erfolglosen Buchautor und dann bis zur Rente erfolgreichen Immobilienhändler Personen und Stätten seines früheren Lebens begegnen. Eine Fremde sucht ihn auf, weil sie Stätten und Personen ihres früheren Lebens mit einem fürchterlichen Geheimnis in seinem Haus neu begegnen möchte, das mal ihres war.

Letztes Glück in liebevollem Umgang

Frank ist mit seiner zweiten Frau Sally wieder in die Kleinstadt der ersten Ehe gezogen. Vielleicht nicht ganz zufällig. Er kümmert sich um die mit Parkinson im Heim lebende Ex-Frau Ann, deren Partner ihm auf die Nerven geht. Der zwischen beiden unverarbeitet gebliebene Tod des gemeinsamen Sohnes und das gegenseitige “man durchschaut einander, was soll schon noch kommen?” werden beiläufig und doch messerscharf präsentiert. Alles schwarz? Frank registriert und reflektiert in alle Richtungen, es kann auch mal hell werden. Über eine Begegnung mit Ann erzählt er: “Nichts drängt uns zu einer Berührung, einem Kuss, einer Umarmung. Ich tu’s trotzdem. Es ist unser letztes Glück. Denn letzten Endes ist die Liebe nicht bloß ein Ding, sondern eine endlose Reihe einzelner Handlungen.”

Sallys große Frage nach dem “Lebensweg” und der Fälligkeit von “Memoiren” beantwortet er eher nebenbei, während ihn, kniend, die Reparatur des Küchenabflusses stärker zu beschäftigen scheint. Ein paar Dielen drohen zu verrotten. Doch, ja, zwischen der Aufgabe der erhofften Autorenkarriere und dem Job als Sportreporter habe er “ungefähr zwanzig Minuten” erwogen, etwas Autobiografisches über den Tod des kleinen Sohnes Ralph zu schreiben. In dieser Tonlage gibt der immer und immer unaufgeregt reflektierende Bascombe auch sein Erleben der US-Gesellschaft als inneren Monolog weiter.

Genauer Beobachter: Frank Bascombe

Bascombe beobachtet alles sehr genau: Die Verwüstungen durch einen Orkan und die gnadenlosen Konsequenzen nach Marktmechanismen. Die eigenen Rentner-Aktivitäten als Freiwilliger beim Empfang heimkehrender Kriegsveteranen aus sehr fremden arabischen Ländern. Die der Hautfarbe wegen viel größeren Probleme einer Besucherin.

Er stapelt ziemlich tief: “Ich bin in Rente. Ich warte nur auf den Tod oder auf die Rückkehr meiner Frau aus Mantoloking – wer immer zuerst kommt.” Das ist auch kokett. Näher kommt er der Wahrheit mit: “Dies ist ein ziemlich überschaubarer Dienst an seinen Nächsten – ihnen bei der Sortierung ihres eigenen Narrativs zu helfen. Danach sehnen wir uns doch alle, wenn ich mich nicht irre.” Klarer kann man den Sinn von Literatur nicht ausdrücken, den Richard Ford als begnadeter Erzähler und als Schlitzohr auch mit Witz füllt.

Richard Ford: “Frank”, Hanser Berlin, 224 Seiten, 20,50 Euro

(apa/red)

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