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Ukraine-Krieg dämpft Österreichs Wirtschaftswachstum

Ukraine-Krieg beeinflusst Österreichs Wirtschaftswachstum.
Ukraine-Krieg beeinflusst Österreichs Wirtschaftswachstum. ©AP (Symbolbild)
Russlands Krieg gegen die Ukraine geht an Österreichs Wirtschaft nicht spurlos vorüber, sie wird mit einem ordentlichen Dämpfer konfrontiert. Das Wachstum wird 2022 bei nur 3,9 bzw. 3,6 Prozent liegen, erwarten Wifo und IHS.
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Dämpfer durch Krieg

Kommendes Jahr dürften nur 2,0 bis 2,3 Prozent reales BIP-Plus drinnen sein, rechnen die Institute.

Ukraine-Krieg beeinflusst Österreichs Wirtschaftswachstum

Neben dem Krieg und den Sanktionen gegen Russland belasten auch die davon mitverursachten Energiepreisschocks und die verschärften Produktions- und Lieferprobleme die Konjunktur. Die Institute hoffen, dass Krieg und Inflation nicht die Konsumstimmung drücken und nur noch Lebensnotwendiges gekauft wird.

Im ersten Quartal dürfte die Wirtschaft noch kräftig gewachsen sein, fürs zweite und dritte Quartal erwartet das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) aber nur noch ganz geringe Zuwächse gegenüber dem Vorquartal. Stütze der Konjunktur werde heuer der Tourismus sein, für das Institut für Höhere Studien (IHS) der Privatkonsum insgesamt.

Gastronomie und Österreichs Wirtschaftswachstum

Wegen des Aufholpotenzials des Tourismus nach Corona dürfte heuer die Hälfte des Wirtschaftswachstums auf Beherbergung und Gastronomie entfallen, glaubt das Wifo. In der Industrie werde die Wertschöpfung nicht wachsen. Die länger hohe Inflation dämpfe die Expansion des Privatkonsums. Der Arbeitsmarkt entwickle sich gut.

Getrieben vom Energiepreisschock dürften die Verbraucherpreise dieses und nächstes Jahr mit 5,5 Prozent bzw. 2,3 Prozent deutlich stärker zulegen als bei der letzten Prognose im Dezember gedacht, erklärte das IHS am Freitag - das Wifo rechnet sogar mit Inflationsraten von 5,8 und 3,2 Prozent.

Österreichs Wirtschaft: Aufholprozess nach Dämpfer

Zu Jahresbeginn 2022 war die heimische Wirtschaft laut IHS noch in einem kräftigen Aufholprozess, nach einem kurzen Dämpfer durch den Corona-Lockdown Ende 2021. Im Jänner und Februar sei das Bruttoinlandsprodukt sogar wieder über dem Vorkrisenniveau gelegen, die Frühindikatoren hätten auf eine weitere Erholung hingedeutet.

Dann hätten aber der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und seine ökonomischen Folgen den Aufschwung gebremst. Die Dauer der militärischen Auseinandersetzung ist für das IHS gegenwärtig kaum abschätzbar, für die Prognose gehe man von weiter bestehenden Sanktionen aus, aber ohne Ausweitung auf den Rohstoffhandel.

Folge von Ausfall der Exportmärkte Russland, Ukraine und Belarus

Ein vollständiger Ausfall der Exportmärkte Russland, Ukraine und Belarus würde Österreichs Wertschöpfung laut IHS um rund ein Prozent dämpfen. In der Winter-Prognose war fürs zweite und dritte Quartal 2022 noch ein kräftiger Anstieg des BIP erwartet worden, nun sieht das Institut nur noch eine Zunahme um 0,1 bzw. 0,2 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vorquartal.

Gedämpft werden - nach dem Exportboom 2021 - die heimischen Ausfuhren durch die Produktionsprobleme wegen Lieferengpässe und Materialmangels. Neben dem überwiegenden Wegfall Russlands im Außenhandel sind auch andere Warengruppen betroffen, so das Wifo. Der kräftige Lageraufbau Vorprodukten und Energie stütze aber die Importdynamik. Dennoch hat das Wifo seine Erwartungen für den Zuwachs der Warenexporte für heuer gegenüber Dezember von 5,0 auf 3,0 Prozent gesenkt und für die Exporte insgesamt von 8,5 auf 6,1 Prozent real.

Privatkonsum als Treiber von Wachstum in Österreich?

Treiber des Wachstums in Österreich dürfte heuer der Privatkonsum bleiben. Durch die Corona-Nachholeffekte wird er zwar stärker als 2021 wachsen, dennoch haben Wifo und IHS ihre Erwartungen wegen der starken Teuerung deutlich gesenkt. Das Wifo sieht die privaten Konsumausgaben heuer real um 3,9 Prozent steigen - sofern gegen Covid gelindere Mittel als Lockdowns eingesetzt werden - im Dezember rechnete man noch mit 6,3 Prozent Plus. Beim IHS geht man von nur 4,7 statt 5,1 Prozent Zuwachs aus. 2021 gab es wegen Corona nur 3,3 Prozent Anstieg.

Die heimische Güterproduktion wird heuer stark beeinträchtigt. Das Wifo befürchtet eine Stagnation. Im Dezember glaubte es für heuer noch an 3,2 Prozent Zuwachs - nach einer kräftigen Erholung um 8,7 Prozent im vorigen Jahr.

Wifo: Arbeitsmarkt in Hochkonjunkturphase

Der Arbeitsmarkt befindet sich laut Wifo schon in einer Hochkonjunktur-Phase. Im Prognosezeitraum bis 2023 dürfte die Arbeitslosenquote weiter zurückgehen, weil die Industrie auf Kurzarbeit setzen werde: Arbeitslosigkeit und Beschäftigung würden also schwächer auf den Ukraine-Konflikt reagieren als die Produktion. Vor allem aus Sicht des IHS erholt sich der Arbeitsmarkt rascher: Heuer glaubt man an einen Rückgang der nationalen Arbeitslosenquote von 8,0 auf 6,5 Prozent, im Dezember rechnete man erst mit 7,1 Prozent. Beim Wifo verbesserte man die Erwartung auf 6,7 nach zuvor 7,2 Prozent. Zudem würden hoher Arbeitskräftebedarf plus die sehr hohe Inflation 2023 zu einem kräftigen Anstieg der Pro-Kopf-Löhne um knapp 5 Prozent führen.

Das Defizit des Gesamtstaates sehen die Fachleute nun höher als zuletzt - das Wifo bei 2,4 bzw. 1,1 Prozent des BIP, das IHS bei 2,3 bzw. 1,7 Prozent. Das IHS verweist auf den langsameren Aufschwung und Mehrausgaben durch den Ukraine-Krieg, das Wifo auf Mehrausgaben aus dem regionalen Klimabonus, der Grundversorgung und Integration der Flüchtlinge, Maßnahmen zur Abfederung der stark gestiegenen Inflation und der Covid-19-Investitionsprämie.

Österreichische Konjunktur: IHS ortet Abwärtsrisiken

Für die heimische Konjunktur sieht das IHS in seiner Prognose Abwärtsrisiken, etwa falls die Privathaushalte nicht mit einer Senkung der Sparquote reagieren, sondern sich die Konsum- und Investitionsneigung durch hohe politische und wirtschaftliche Unsicherheit verringern sollte. "Die Stimmung der heimischen Bevölkerung könnte erneut in eine Art Krisenmodus wechseln", meint das Wifo, falls kräftige Preisanstiege das Verhalten ändern. Es könnten dann die Ausgaben für nicht unmittelbar lebensnotwendige Güter und Dienstleistungen, etwa Tourismus, sinken und nur die Nachfrage nach Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs steigen.

Ein kompletter Wegfall der russischen Gaslieferungen würde mit hoher Wahrscheinlichkeit die heimische Industrieproduktion stark beeinträchtigen, warnt das IHS. Eine spürbare Drosselung oder Unterbrechung könnte laut Wifo neben disruptiven Folgen für die Produktion auch die Erzeuger- und Verbraucherpreise kräftig steigen lassen. 2023 könnte die Inflation höher als erwartet sein, so das IHS. Eine stärkere Abgeltung in der kommenden Lohnrunde könnte die Lohnstückkosten und den Preisdruck erhöhen, also zu einer Lohn-Preis-Spirale führen.

Risiken durch Corona

Weiterhin Risiken sieht das Wifo auch durch Covid. Es sei nicht auszuschließen, dass sich das Infektionsgeschehen im Herbst wieder deutlich beschleunigt und gefährlichere Virusvarianten auftreten. Das könnte erneut Einschränkungen nach sich ziehen, bis hin zu weltweit immer wieder lokalen Produktionsstopps. Auch das IHS warnt, dass ein erneutes Corona-Aufflammen Eindämmungsmaßnahmen erforderlich machen könnte.

Auch die Weltwirtschaft steht ganz im Banne des Ukraine-Krieges und den Sanktionen gegen Russland. Die Energie- und Rohstoffpreise haben kräftig angezogen - bis hin zu Nahrungsmitteln. Zudem hätten die Sanktionen von EU und USA zu Einschränkungen im Warenhandel und Produktionsbehinderungen geführt, so das Wifo. Die globalen Lieferketten-Probleme, die sich eigentlich Anfang 2022 schon etwas entschärft hätten, dürfte durch die Sanktionen und Produktionsausfälle in der Ukraine "wieder zunehmen und länger anhalten als bisher erwartet". Die EU-27 sieht das Wifo heuer um 3,3 Prozent wachsen, die Eurozone um 3,2 und Deutschland um 2,6 Prozent.

Beim IHS geht man von 3,4 Prozent BIP-Plus in den EU-27 für heuer aus, von 3,3 Prozent im Euroraum und 2,5 Prozent in Deutschland. Der Welthandel werde heuer nur um 3,0 Prozent expandieren, nach noch über 10 Prozent im vergangenen Jahr. Den Rohölpreis sieht man heuer im Jahresschnitt bei 104 Dollar pro Fass, nach 71 Dollar 2021.

Rezession bei Importstopp für russisches Gas und Öl

Bei einem Importstopp für russisches Gas und Öl würde Österreich in eine Rezession mit möglicherweise zwei, drei oder vier Prozent Rückgang der Wirtschaftsleistung fallen. Davor warnte Wifo-Chef Gabriel Felbermayr am Freitag. Der Schaden insbesondere bei einem Gasboykott gegenüber Russland wäre also enorm, stellte er sich hinter die Ablehnung eines solchen Schritts durch die Regierungschefs von Österreich und Deutschland, die Bundeskanzler Karl Nehammer und Olaf Scholz.

Die Gasversorgung von Österreich und Deutschland hängt bekanntlich zu rund 80 bzw. gut 50 Prozent von Erdgas aus Russland ab. Ein Gasboykott könnte die Anti-Putin-Allianz in Europa auseinanderdividieren, indem eine weitere Einigkeit schwierig würde, so der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) vor Journalisten. In der gegenüber Dezember deutlich zurückgenommenen Konjunkturprognose gehe man jedoch nicht von einem Importstopp aus.

Kurzfristig wären die Effekte eines solchen Schrittes sehr groß, wiewohl man keine exakten Zahlen dazu habe. Längerfristig könnte ein Wechsel zu anderen Lieferanten teuer werden. "Kriegen wir kein günstiges russisches Gas mehr, sind ganze Industriezweige infrage gestellt", verwies Felbermayr etwa auf die in Oberösterreich starke Kunststoffindustrie und andere Sektoren. Das könnte ein halbes BIP-Prozent kosten, deutete er an.

Russland-Ukraine-Krieg und Sanktionen

Müsste es im Russland-Ukraine-Krieg zu einer neuen Sanktionsrunde gegen Moskau kommen, "muss Gas das Allerletzte sein", so der Wifo-Chef. Bei Öl sei die Substitutionsmöglichkeit einfacher. Bei Erdgas wären die Verwerfungen viel größer, weil es hier eigentlich keinen echten Weltmarkt gebe. Die Future-Märkte würden zeigen, dass man noch für einen längeren Zeitraum mit hohen Gaspreisen rechnen müsse. Erst ab 2023 würden sie spürbar sinken, aber mit weiterhin enormen Schwankungsbreiten.

Man sei "zutiefst betroffen von diesem barbarischen Angriffskrieg", deshalb habe man am Sitz des Wifo im Wiener Arsenal die ukrainischen Flaggen aufgezogen, so Felbermayr: "Ein Krieg in Europa macht uns alle ärmer - das sehen wir bei den Reallöhnen." Die wegen der Energie- und Rohstoffverteuerungen gekletterte Inflation lasse in Österreich die Bruttoreallöhne heuer um 2,3 Prozent fallen. Das sei der stärkste bisher gemessene Rückgang der Pro-Kopf-Löhne, seit es dazu Statistiken gebe, sagte der Wifo-Chef im Prognose-Pressegespräch. Dass die Nettolöhne nur um 1,1 Prozent fallen, sei den Entlastungseffekten der Steuerreform zu verdanken.

Inflationsrate 2022

Das Wifo sieht die Inflationsrate heuer punktuell bis auf 7 Prozent klettern, das Institut für Höhere Studien (IHS) auf 6 1/2 Prozent. Im Gesamtjahr dürfte der Verbraucherpreisindex heuer laut Wifo um 5,8 Prozent steigen, laut IHS um 5,5 Prozent. In den Lohnverhandlungen sollte man aber besser nicht auf den VPI, sondern den BIP-Preisdeflator abstellen, da hierin nicht die - etwa via Energie - importierte Inflation dabei sei, hieß es von beiden Instituten. Das IHS etwa erwartet den Preisindex des BIP heuer bei 3,1 Prozent, deutlich unter dem VPI-Anstieg. Eine Lohn-Preis-Spirale, also "ein Replay der 70er-Jahre", sieht Felbermayr vorderhand nicht, "wenn die EZB weiter klar kommuniziert".

Einen Zeitpunkt für ein Ende des Krieges oder der Sanktionen haben weder Wifo noch IHS parat. Deshalb rechne man 2023 noch nicht mit einem Rebound-Effekt in der Konjunktur, so der Prognoseverantwortliche Helmut Hofer.

(APA/Red)

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