Aufgrund der Coronakrise ist für die SPÖ in der Finanzierung des Gesundheitswesens Feuer am Dach. Allein in Wien brauche es für 2020 rund 500 Mio. Euro vom Bund, um den niedergelassenen Bereich und die Spitäler am Laufen zu halten, sagte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker in einer Pressekonferenz. SP-Chefin Pamela Rendi-Wagner warnte vor drohenden Einschnitten zulasten der Patienten.
Stadtrat Hacker verlangt für Wien ein 500-Mio.-Euro-Rettungspaket
Die halbe Milliarde Euro für Wien, die in dem Rettungspaket benötigt würden, könne man für ganz Österreich mit dem Faktor 4 bis 4,5 multiplizieren, sagte Hacker: "Das ist jedenfalls die Dimension, über die wir reden müssen." Spätestens Anfang September müssten ernsthafte Gespräche des Finanzministers mit den Ländern beginn, drängte er. Eine Vereinbarung müsse noch heuer unterschrieben werden, denn die Gesundheitsfonds der Länder dürften nicht ins Minus rutschen.
Bereits im Mai hätten die Länder den Bund gedrängt, denn aufgrund der Wirtschaftsentwicklung drohe die bindende Vorgabe, dass die Gesundheitsausgaben statt (wie vor der Krise prognostiziert) um 3,7 Prozent steigen nun um 2,5 Prozent sinken müssten. In Wien drohe heuer in der Spitalsfinanzierung ein Minus von 140 Mio. Euro, im niedergelassenen Bereich von mindestens 170 bis 180 Mio. Euro, sagte Hacker. Das bedeute "in echt", 1.200 Spitalsmitarbeiter, davon 200 Ärzte, freizusetzen. Man müsste dafür etwa die Klinik Landstraße halbieren oder drei Ordensspitäler schließen. Auch 700 bis 800 Kassenverträge könne man dann nicht mehr bezahlen.
Ankündigungen wie zuletzt von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) rechen für Hacker nicht aus. "Schauen wir mal, machen wir schon, ist zu wenig", sagte er: "Gesetzeswerke sind nicht durch einfache Interviews aufzuheben." Ein Aufschieben sei nicht möglich, denn die kaufmännische Haftung sei eine klare Sache.
Gesundheitswesen bisher gut durch die Krise gekommen
Rendi-Wagner erinnerte daran, dass Österreich aufgrund seines gut finanzierten öffentlichen und solidarischen Gesundheitswesens bisher gut durch die Krise gekommen sei, obwohl es von konservativer und neoliberaler Seite jahrzehntelang schlecht geredet worden sei. Nun gebe es große Einnahmenverluste aufgrund der Arbeitslosigkeit, das Budgetloch werde immer größer. Allein der Krankenversicherung fehle bis zu eine Mrd. Euro, den Krankenhäusern bis zu einer halben Milliarde. Wenn nicht gegengesteuert werde, drohten massive Leistungskürzungen, Selbstbehalte, Beitragserhöhungen und Privatisierungen, zu denen die SPÖ ein klares Nein sage.
ÖVP-Lehner: Leistungen und Liquidität sichergestellt
Vor dem Schüren unbegründeter Ängste durch die Opposition hat am Mittwoch ÖVP-Kassenfunktionär Peter Lehner gewarnt. Leistungen und Liquidität der Sozialversicherung seien gesichert, betonte er anlässlich der Rufe der SPÖ nach einem Rettungspaket des Bundes für das Gesundheitswesen. Auch der ÖVP-Wirtschaftsbund warnte vor "Panikmache".
"Die Österreicher können sich auf ihre Sozialversicherung verlassen, und das Gesundheitssystem ist stabil und zuverlässig", versicherte Lehner, Chef der Selbstständigen-Kasse SVS und aktuell Vizevorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger, in einer Aussendung: "Die Stabilisierung und langsame Erholung der österreichischen Wirtschaft wird sich auch in der Stabilisierung der Einnahmensituation der Sozialversicherungsträger widerspiegeln."
Der laute Ruf nach Geld ist für ihn keine passende und konstruktive Vorgehensweise ist. "Es wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis wir eine echte Corona-Kostenwahrheit in der Sozialversicherung vorliegen haben. Erst dann werden wir sehen, wie groß das Corona-Budgetloch ist und ob und wie viel Geld die Träger vom Bund fordern müssen. Erst mit einer seriösen Kostenaufstellung werden wir die konkreten Gespräche mit den zuständigen Ministern führen", unterstrich Lehner.
Egger kritisiert SPÖ: Neuer Tiefpunkt erreicht
Auch Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger kritisierte die Sozialdemokraten. "Es gibt noch keine zuverlässige Corona-Kostenwahrheit in den Sozialversicherungsträgern. Aufgrund von unsicheren Prognosen im Gesundheitsbereich weitere Ängste zu schüren, ist ein neuer Tiefpunkt der SPÖ und einer staatstragenden Partei nicht würdig. Wenn sich die Wirtschaft wieder rasch erholt, werden sich auch die Einnahmen der Sozialversicherungsträger wieder stabilisieren", meinte er in einer Aussendung.
Anschober startet Gespräche mit der ÖGK
Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) startet kommende Woche erste offizielle Gespräche mit der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) über den Ausgleich für Corona-Finanzausfälle. Das hat der Minister am Mittwoch in einer Aussendung bekanntgegeben.
Man werde dies sachlich und konstruktiv tun, obwohl noch immer große Bandbreiten der tatsächlichen Abgänge für 2020 vorlägen, erklärte Anschober. Man werde im Laufe des Septembers Lösungen fixieren und damit, wie er erklärte, Sicherheit schaffen.
"Wenig hilfreich für die ÖGK hingegen ist es, diese jetzt mit Verunsicherungsparolen in den Wien-Wahlkampf zu ziehen. Das schadet den Betroffenen", so Anschober wohl in Richtung SPÖ.
"Die ÖGK ist ohne jedes Eigenverschulden durch Corona in eine schwierige finanzielle Situation geraten", erläuterte er: "Diese werden wir gemeinsam lösen. "
(APA/Red)