Skepsis gegenüber EU wächst bei Wienern

Die Mitgliedschaft in der EU war für die Wienerinnen und Wiener lange Zeit eine Selbstverständlichkeit und wurde überwiegend positiv wahrgenommen. Doch laut einer aktuellen Umfrage im Auftrag der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik hat sich dies geändert.
Wiener EU-Stimmung von anderen Bundesländern abweichend
44 Prozent der befragten Wiener bemerken laut Umfrage "vor allem Positives" durch die EU-Mitgliedschaft. 34 Prozent gaben jedoch an, dass die negativen Seiten überwiegen würden. Für 23 Prozent macht es für Wien keinen Unterschied, ob Österreich EU-Mitglied ist oder nicht. In den vergangenen drei Jahren ist die Zahl jener, die positive Auswirkungen der EU-Mitgliedschaft auf die Bundeshauptstadt bemerken, um 12 Prozentpunkte gesunken, die Zahl jener, die vor allem negative Seiten sehen, ist um 13 Prozentpunkte gestiegen.
Gleichzeitig waren laut ÖGfE deutlich mehr Befragte als noch vor drei Jahren der Meinung, dass es in Zukunft "mehr nationalstaatliches Handeln innerhalb der EU" bräuchte. Waren es 2021 noch 32 Prozent, die der Meinung waren, dass die EU-Mitgliedstaaten öfter für sich selbst entscheiden sollten, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen, kletterte der Wert nun auf 41 Prozent. Gaben damals 61 Prozent an, dass dafür eher "mehr gemeinsames Handeln auf europäischer Ebene" notwendig wäre, waren es nun 49 Prozent.
Wie der ORF berichtet, zeigt die repräsentative Market-Umfrage unter 600 Personen zwischen 16 und 80 Jahren in Wien auch, dass das Interesse an der EU und europäischen Politik leicht abgenommen hat. Besonders auffällig ist jedoch, dass die Wiener EU-Stimmung von der der anderen Bundesländer abweicht. Während in Wien eine einheitliche Asyl- und Migrationspolitik als Topthema gilt, stehen in anderen Bundesländern soziale und sicherheitspolitische Themen im Vordergrund.
EU-Wahl am 9. Juni: Hohe Wahlbereitschaft in Wien
Paull Schmidt, Generalsekretär der österreichischen Gesellschaft für Europapolitik, betont, dass die Wahlbereitschaft in Wien im Vergleich zu anderen Bundesländern höher ist. 79 Prozent der Befragten geben an, bei der Europawahl am 9. Juni teilnehmen zu wollen.
Fast acht von zehn Wienerinnen und Wienern sagten in der Umfrage, dass sie "sicher" (56 Prozent) oder "eher schon" (23 Prozent) ihre Stimme bei den Europawahlen abgeben möchten. Insgesamt 16 Prozent wollen "eher nicht" (10 Prozent) oder "sicher nicht" (6 Prozent) an der Wahl teilnehmen. 5 Prozent deklarierten sich in dieser Frage nicht. Die Gesellschaft für Europapolitik verwies darauf, dass vor fünf Jahren die Wahlbeteiligung knapp 59 Prozent betrug. Die aktuellen Resultate würden darauf hindeuten, dass die Chancen auf eine hohe Wahlbeteiligung gut stünden.
Wissensstand der Wiener über Europawahl nicht groß
Was den Informationsstand über das Europäische Parlament anlangt, gibt es in Wien mit 52 Prozent einen leichten Überhang jener, die sich "eher schlecht" (35 Prozent) oder "sehr schlecht" (17 Prozent) informiert fühlen. Insgesamt 45 Prozent geben an, dass sie "sehr gut" (9 Prozent) bzw. "eher gut" (36 Prozent) über Arbeit und Aufgaben des EU-Parlaments Bescheid wissen. Der Informationsstand sei also "ausbaufähig", wurde konstatiert.
"Die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Krisen und die damit verbundene Unsicherheit machen sich im EU-Meinungsbild der Wienerinnen und Wiener deutlich bemerkbar. Aber auch die kontroverse bundespolitische Auseinandersetzung spielt für die Entwicklung des Meinungsbilds eine nicht zu unterschätzende Rolle. Wichtig wäre - gerade für eine europäische Hauptstadt wie Wien - eine Debatte, die nicht ausschließlich Probleme thematisiert, sondern auch die Chancen und schlussendlich auch konkrete Lösungen anbietet", befand Schmidt.
Migration und Armut wichtige Themen für Wien
An erster Stelle jener Themen, denen sich die Europäische Union annehmen sollte, wäre laut Umfrage eine einheitliche Migrations- und Asylpolitik. Auf dem zweiten Platz findet sich die Aufforderung, die "Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern". An dritter Stelle folgt der Wunsch nach einer "stärkeren Zusammenarbeit der EU-Mitgliedsländer bei Sicherheit und Verteidigung". Dieses Thema liegt vor dem Bereich Klima und Umweltschutz, der laut ÖGfE in der Prioritätsskala deutlich nach unten gerutscht ist.
(APA/Red)