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"Schreibaby"-Ambulanzen bieten Unterstützung für gestresste Eltern

Schreibabys bringen Eltern an ihre Grenzen: Pädiater warnen vor Schütteltrauma und dem Risiko von Depressionen für die Mutter
Schreibabys bringen Eltern an ihre Grenzen: Pädiater warnen vor Schütteltrauma und dem Risiko von Depressionen für die Mutter ©Pixabay (Sujet)
Rund zwei von zehn Babys schreien besonders viel. Die Ursachen sind noch weitgehend unbekannt, fest steht, dass der anhaltend schreiende Nachwuchs Eltern an ihre Belastungsgrenze bringen kann.
Neue Kinderambulanz eröffnet

In Österreich können stark belastete Familien in den ersten drei Lebensjahren Unterstützung in Ambulanzen und bei Frühe-Hilfen-Netzwerke erhalten, so der steirische Pädiater Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde am Montag.

Wann man es mit einem "Schreibaby" zu tun hat

In bestimmten Phasen der Entwicklung ihres Neugeborenen würden Eltern stählerne Nerven brauchen. "Es ist nicht ungewöhnlich, dass gesunde Babys im zweiten und dritten Lebensmonat auch mal zwei bis drei Stunden am Tag weinen - insbesondere in den Abendstunden", erklärte Primar Kerbl, der die Kinder- und Jugendabteilung am LKH Hochsteiermark in Leoben leitet.

Schreien Säuglinge aber täglich mehr als drei Stunden an mindestens drei Tagen der Woche über mehr als drei Wochen aus unerklärlichen Gründen und lassen sie sich kaum beruhigen, gelten sie als "Schreibabys". Diese Phase ist laut dem Kinderarzt anstrengend, aber eine vorübergehende. Das Phänomen könne ab dem Alter von etwa zwei Wochen beginnen und bis zum Alter von etwa drei bis vier Monaten andauern.

Überforderte Eltern: Pädiater warnen vor Schütteltrauma

In extremen Fällen beginnen überforderte Eltern das Baby zu schütteln und können es damit lebensgefährlich verletzen. "Beim Schütteln fällt der Kopf des Babys nach vorne und hinten. Denn die Nackenmuskulatur ist noch zu schwach, um den Kopf zu halten. Dieser macht zudem einen großen Teil des Körpergewichts aus. Bei diesem Vorgang bewegt sich die Gehirnmasse hin und her, wodurch Blutgefäße reißen können und es zu Hirnblutungen und Verletzungen kommen kann", erklärte der Mediziner.

Auch in der Augennetzhaut sind Blutungen möglich, die Sehstörungen oder sogar Blindheit zur Folge haben können. "Und wenn Eltern dem schreienden Baby den Mund zuhalten, kann daraus Lebensgefahr resultieren. Der Säugling bekommt dann zu wenig Sauerstoff und kann ersticken", warnte Kerbl eindringlich.

Corona-Situation kann Problem verschärfen

Die allgemein schwierige Situation durch die Covid-19 Pandemie könne zu einer Verstärkung des Problems beitragen. Manche Mütter hören stressbedingt frühzeitig mit dem Stillen auf, und einige würden sogar eine Depression entwickeln: Sie fühlen sich hilflos, wenn ihr Baby trotz aller Bemühungen unaufhörlich brüllt.

Wenn ein sonst gesund wirkendes Baby mehrere Tage hintereinander sehr lange und viel schreit und sich nicht beruhigen lässt, sollen sich die Eltern daher jedenfalls an den Kinder- und Jugendarzt wenden. "Der Pädiater kann dann sicherstellen, dass keine Krankheit die Ursache für das Schreien ist. In den meisten Fällen kann er Eltern beruhigen und sie in dieser schwierigen Zeit mit Empfehlungen und Informationen, unter anderem auch über Hilfsangebote, unterstützen", betonte der Pädiater. Um die tatsächliche Schreidauer des Kindes zu ermitteln, rät Kerbl zu Zeitaufzeichnungen.

Manche Säuglinge reagieren empfindlicher auf Reize

Früher sprachen Experten von "Dreimonatskoliken", da sie vermuteten, dass unter anderem Blähungen verantwortlich seien. Heute sprechen Fachleute von einer Regulationsstörung, wobei die genauen Mechanismen noch unklar sind. Experten vermuten heute, dass manche Säuglinge in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung empfindlicher auf Reize von außen, wie beispielsweise Gerüche, Geräusche und Schmerzen reagieren und sich dann schwer selbst beruhigen können. Aber auch die noch unvollständige Anpassung an den Tag-Nacht-Rhythmus könnte eine Rolle spielen.

Mehr zum Thema "Schreiambulanz" finden Sie hier.

(APA/Red)

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