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Rot-Grün lässt Recht der Politik folgen

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. Was Kickl gesagt hat, will Wien bei der Mindestsicherung ganz konkret machen. Nur dass sich in diesem Fall kaum jemand empört.

Was wird Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) nicht dafür gescholten, Menschenrechte mit der Bemerkung infrage gestellt zu haben, dass Recht der Politik und nicht Politik dem Recht zu folgen habe. Wobei die Kritik gut begründet ist: Selbst der schwarz-blauen Mehrheit sind Grenzen gesetzt, gerade wenn es um universelle Menschenrechte geht. Doch dazu ist schon viel geschrieben worden.

Ziemlich unterbelichtet bleibt dagegen sehr konkrete Politik, die nicht gewillt ist, dem Recht zu folgen. Die Rede ist vom rot-grünen Wien, das vertreten durch Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und Grünen-Sozialsprecherin Birgit Hebein verkündet hat, die vorliegenden Mindestsicherungspläne der Bundesregierung „in dieser Form“ nicht umzusetzen. Das wäre kein Kavaliersdelikt, wohlgemerkt; es würde sich vielmehr um Gesetzesbruch handeln. Was der Bund in diesem Bereich vorlegt, müssen Länder wie Wien ganz grundsätzlich befolgen. Auch wenn es ihnen nicht gefällt; das können sie sich nicht aussuchen.

Jetzt mag vielleicht eingewendet werden, dass diese Mindestsicherungsreform ja wirklich ungerecht ist. Und dass kinderreiche Familien vor unzumutbaren Kürzungen stehen. Wenn das von der schwarz-blauen Mehrheit auf parlamentarischer Ebene jedoch genau so beschlossen wird, dann ist es zunächst zu akzeptieren. Und Punkt.

Sonst ist es aus und vorbei mit dem Rechtsstaat, in dem die Verwaltung nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden darf. Das wäre bedrohlich. Denn dann könnten es sich nicht nur linke Verantwortungsträger angewöhnen, Sparvorgaben zu ignorieren. Bei nächstbester Gelegenheit könnten genauso gut rechte dazu übergehen, z.B. auf Vorschriften zu pfeifen, die im Sinne von Flüchtlingen sind. Dann würde Politik Recht schaffen, wie es ihr gefällt. Wobei moralische Bewertungen, ob etwas gut oder böse ist, nichts zu Sache tun. Es geht vielmehr darum, dass Willkür Tür und Tor geöffnet wäre.

Doch zurück zur Vorgangsweise von Hacker und Hebein in Bezug auf die Mindestsicherung: Sie begründen ihre Verweigerung unter anderem damit, dass die Bundesvorgaben einerseits zu detailliert und überbestimmt und anderseits zu missverständlich und unklar sind. Das ist gut möglich. Nicht einmal das aber ist ein Argument.

Die Reform müsste ganz offensichtliche Verfassungswidrigkeiten enthalten. Was das betrifft, sind die beiden jedoch vorsichtig. Sie berichten zwar von 17 potenziellen Verfassungswidrigkeiten oder Widersprüchen zu europarechtlichen Bestimmungen. Das aber heißt nichts. Die Frage ist: Gibt es Verfassungswidrigkeiten oder gibt es keine? Und beurteilen kann das einzig und allein der Verfassungsgerichtshof. Sonst niemand.

Also hätten Hacker und Hebein ihre Ankündigung, die Mindestsicherungsreform zu ignorieren, zumindest mit der Ansage verbinden müssen, bei erstbester Gelegenheit den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Das jedoch haben sie offengelassen und sich damit vollends in einen rechtsfreien Raum aufgemacht.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Hintergründe und Analysen zur Politik

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