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Van der Bellen fand klare Worte
Van der Bellen fand klare Worte ©APA

Van der Bellen äußerte Kritik an Kickl-Aussagen

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Freitag Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) wegen dessen Aussagen zum Rechtsstaat kritisiert. "Der Innenminister hat, wenn ich ihn richtig verstanden habe, die Europäische Menschenrechtskonvention infrage gestellt", sagte Van der Bellen bei einem Pressegespräch in Wien. "Das geht natürlich gar nicht." Die EMRK sei ein Grundkonsens der Zweiten Republik.
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Die EMRK stehe in Österreich seit rund 60 Jahren im Verfassungsrang, betonte der Bundespräsident. “Daran wird sicher nicht gerüttelt.” Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sei eine “Antwort auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust” gewesen, erinnerte Van der Bellen. Dieser völkerrechtlicher Vertrag sei aber auch “schlicht europäisches Recht.” Daran könne Österreich von sich aus gar nichts ändern. “Da wäre das Einvernehmen der anderen Vertragsstaaten erforderlich, und europäisches Recht kann nicht vom einzelnen Mitgliedstaat geändert werden.”

Ein “Rütteln” an diesen Grundrechten (“Minderheitenrechte wie Freiheitsrechte”) sei nicht akzeptabel, weil damit ein Grundkonsens der Zweiten Republik infrage gestellt werde, sagte Van der Bellen und nahm – ohne es explizit auszuführen – auch die ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz in die Pflicht: “Ich nehme an, dass sich alle Mitglieder der Bundesregierung dieser Tatsachen bewusst sind.”

Van der Bellen zitierte Innenminister zu sich

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bereits heute wegen dessen Aussagen zum Rechtsstaat und den Menschenrechten zur Brust genommen. Wie das Kabinett Kickls Freitagnachmittag mitteilte, fand das Gespräch heute Nachmittag in der Präsidentschaftskanzlei statt. Man habe “die Standpunkte zur aktuellen Debatte ausgetauscht”. Darüber hinaus sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es.

Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, in der “ZIB 2” zum Rechtsstaat

Kickl relativierte unterdessen seine heftig kritisierten Aussagen ein wenig. “Ich habe zu keinem Zeitpunkt die Europäische Menschenrechtskonvention oder die Menschenrechte als solche in Frage gestellt”, schreibt Kickl in einer Stellungnahme auf Facebook. “Genauso wenig geht aus meinen kritisierten Aussagen hervor, dass irgendjemandem die Menschenrechte abgesprochen werden sollen oder Österreich aus internationalen Verträgen austreten soll. Das hält auch das Regierungsprogramm fest, das ich nie in Zweifel gezogen habe”, so der Innenminister.

Ihm ginge es einzig und allein darum, dafür zu sorgen, “dass bestimmte Aufenthaltstitel – im konkreten Fall der Status von Asylberechtigten oder Asylwerbern – bei Straftaten aberkannt werden können, ohne dass davor erst Morde, Vergewaltigungen oder andere schwere Straftaten passieren müssen, wie es jetzt der Fall ist”. Beim Ziel, “diesen Straftätern den Aufenthaltstitel abzuerkennen und sie außer Landes zu bringen, wollen wir alle Möglichkeiten im Rahmen des Rechtsstaates ausschöpfen”, so Kickl.

Seine Aussagen, wonach das Recht der Politik zu folgen habe, sei “der Hinweis auf die Veränderbarkeit von bestehenden gesetzlichen Regeln durch einen demokratischen Gesetzgebungsprozess mit entsprechenden Mehrheiten, wie er innerstaatlich und ebenso auf der Ebene der Europäischen Union vorgesehen ist”.

Kickl hatte am Dienstagabend im ORF-Report angekündigt, Grundregeln wie die Menschenrechtskonvention hinterfragen zu wollen. Mit Blick auf rechtliche Hürden bei Abschiebungen forderte er, dass das Recht der Politik folgen müssen und nicht umgekehrt. Auf die Frage, ob Kickl als Innenminister “tragbar” sei, ging Van der Bellen nicht ein. Er erklärte jedoch, mit Kickl noch ein klärendes Gespräch führen zu wollen. Solche Gespräche seien aber nur sinnvoll, “wenn sie vertraulich bleiben.”

SPÖ-Chefin für Rücktritt von Innenminister Kickl

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner forderte indes Kickls-Rücktritt aufgrund seiner Aussagen zum Rechtsstaat. Sie erhofft sich aber auch rasch klare Worte von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und mehr als ein “vermeintlich klärendes” Gespräch mit Kickl. “Ich werde nicht müde zu sagen, hätte er einen Funken von Anstand und einen Funken von Respekt unserer Demokratie gegenüber, müsste er hier und heute sofort zurücktreten”, forderte Rendi-Wagner von Kickl im Rahmen ihrer Grundsatzrede bei der SPÖ-Klausur.

Die FPÖ wies die Forderung von Rendi-Wagner zurück. Der geschäftsführende Klubobmann Johann Gudenus erklärte: “Wenn Rendi-Wagner einen Funken Anstand hätte, dann würde sie sich dafür entschuldigen, dass die SPÖ-Regierung im Jahr 2015 Rechtsbruch begangen hat, indem sie Zigtausende Migranten völlig rechtswidrig nach Österreich einwandern ließ.”

Die Zahl jener prominenter Autoren und Kunstschaffenden, die in einem gemeinsamen Schreiben den Rücktritt von Kickl fordert, wächst. Mit Freitag hatten nun bereits 215 heimische Schriftsteller respektive Künstler den Aufruf unter dem Titel “Kickl muss gehen” unterzeichnet. Zu den prominenten Stimmen gehören Literaten wie Daniel Kehlmann, Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek oder Michael Köhlmeier. Auch Josef Hader, Erika Pluhar, die Theatermacher Peter Turrini und Paulus Manker oder David Schalko finden sich auf der Liste jener, die fordern: “Die Politik hat in der Demokratie das Recht ohne Wenn und Aber zu respektieren, die in der Verfassung festgelegten Prinzipien der Gewaltentrennung und Rechtsstaatlichkeit sind zu garantieren.”

Van der Bellen äußerte sich am Freitag überdies zur kommenden EU-Wahl im Mai, die er als richtungsweisend bezeichnete. Es gehe darum, welchen Kurs Europa künftig einschlagen werde, sagte der Bundespräsident. Eine geeinte EU sei wichtig. Für die Wirtschaft. Aber auch um gegen Großmächte wie USA und Russland bestehen zu können, die an einem starken Europa gar nicht interessiert seien.

Die Europawahl mit der anschließenden Bildung einer neuen EU-Kommission werde eine Antwort bringen, orakelte Van der Bellen: “Gehen wir in Richtung Nationalismus und Abschottung und schwächen uns damit selbst? Oder erkennen wir, dass das gemeinsame Europa die einzig richtige Antwort auf die Entwicklung auf der Welt insgesamt ist?” Letztere sei unter anderem davon gekennzeichnet, dass “einige Nachbarn” diesseits und jenseits des Atlantiks “kein Interesse” hätten, dass sich die EU stark präsentiere.

(APA)

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