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Prozess um geplanten Amoklauf: Urteil

Der 18-Jährige wurde heute zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Der 18-Jährige wurde heute zu sechs Jahren Haft verurteilt. ©APA/Herbert Pfarrhofer
Beim heutigen Prozess um den geplanten Amoklauf wurde heute das Urteil für den 18-jährigen Angeklagten gesprochen. Es ist nicht rechtskräftig.
Beim Prozessstart
19-Jähriger getroffen und verletzt
Schütze ist geständig
Amoklauf war geplant
Prozess gestartet

Ein 18-Jähriger, der im Mai einen Amoklauf an seiner ehemaligen Schule in Mistelbach geplant und bereits den ersten Schuss abgegeben hatte, ist Mittwochnachmittag am Landesgericht Korneuburg zu sechs Jahren Haft wegen Mordversuchs verurteilt worden. Zudem wird er aufgrund einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Urteil ist nicht rechtskräftig

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Staatsanwalt Friedrich Köhl gab keine Erklärung ab. Der Angeklagte, der von Anwalt Werner Tomanek vertreten wurde, nahm das Urteil an. Die Geschworenen erkannten den 18-Jährigen des Mordversuchs an dem 19-Jährigen Schüler, der das Schussattentat schwer überlebte, einstimmig für schuldig. Freigesprochen wurde der Grundwehrdiener aber vom Vorwurf des mehrfachen Mordversuchs an den anderen Schülern der Einrichtung. Dass nicht mehr passiert ist, war der Tatsache zu verdanken, dass sich das Gewehr nicht mehr laden ließ.

Angeklagter war selbst Schüler an Mistelbacher Schule

Der gebürtige Wiener, der im Alter von elf Jahren mit der Familie nach Niederösterreich gezogen ist, war selbst einmal Schüler in Mistelbach und es sei ihm dort laut Anklage “ziemlich schlecht gegangen”. “Ich habe mich dort fehl am Platz, ungewollt gefühlt. Ich habe keine Freunde gefunden”, sagte der 18-Jährige in seiner Befragung durch den Schwurgerichtsvorsitzenden, Richter Franz Furtner. “Man hat sich über mich lustig gemacht und ich bin nicht so akzeptiert worden, wie ich bin”, so der Angeklagte.

Seit dem Frühjahr hegte er aus diesem Grund Interesse an Amokläufen an US-Schulen. Seine großen Vorbilder waren Eric Harris und Dylan Klebold, die vor fast 20 Jahren an der Columbine High School ein blutiges Massaker angerichtet hatten, und überlegte, es ihnen gleichzutun. In einer Art Tagebuch – laut Anklage dem “Journal des Wrathkeeper” (“wrath”: engl. “Zorn”) – schrieb er seine Gedanken nieder: “Ich kann es kaum erwarten, jeden zu erschießen, der mich verarscht hat.”

19-Jähriger schwer verletzt

Zunächst wollte er ein Sturmgewehr des Bundesheeres mitgehen lassen. Er versah dort bei der Wache seinen Dienst. Er entschloss sich dann aber, eine andere Waffe zu verwenden. Dazu besorgte er sich eine Schrotflinte und 25 Patronen um 195 Euro und kaufte sich – seinen Vorbildern nacheifernd – über das Internet eine entsprechende Hose und einen dunklen Trenchcoat. In seinem Tagebuch legte er den “Doomsday” (“Tag des Jüngsten Gerichts”) fest. Am 9. Mai hatte der Grundwehrdiener dienstfrei, er packte seine Waffe und alle Utensilien in eine Tasche und fuhr zur Schule.

Beim Schuleingang entdeckte er einen 19-Jährigen, der gerade zum Bahnhof gehen wollte. Aus der Hüfte gab er einen Schuss ab, drei Dutzend Schrotkugeln trafen den Schüler in die rechte Körperhälfte – u.a. ins Gesicht, in den Kiefer sowie in den Nacken – und drangen tief in die Weichteile ein. Der Grundwehrdiener versuchte die Waffe erneut zu laden, scheiterte jedoch daran, weil sich die verschossene Patrone aus dem Lauf nicht mehr entfernen ließ.

Der schwer verletzte Schüler berichtete im Zeugenstand, dass er “wie aus dem Nichts angeschossen wurde”. Als er realisierte, was passiert ist, rannte er zurück in die Schule und rief um Hilfe. Erst da bemerkte er, dass er blutete. Er schloss sich dem Verfahren mit 15.500 Euro Schmerzengeld an.

Täter zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig

Der 18-Jährige gab nun bei Gericht an, dass er nach dem ersten Schuss seinen Plan nicht weiter umsetzen wollte. “Danach bin ich zur Besinnung gekommen. Es war falsch, was ich gemacht habe”, sagte der Angeklagte. Er habe nachladen wollen, um sich selbst zu töten, er bekam die abgeschossene Patrone jedoch nicht mehr aus dem Lauf. “Zum Glück” trat diese Störung beim ersten Schuss auf, sagte der Schießsachverständige Anton Eder bei Gericht. Ein erfahrener Waffenexperte hätte die Entfernung geschafft, der 18-Jährige aber ohne Werkzeug nicht.

In Panik warf er die Tasche samt Waffe weg und flüchtete nach Hause. In der Tasche befand sich jedoch ein Freifahrtsschein und ein Versicherungsantrag auf seinen Namen. Noch am selben Tag stellte er sich bei einer Polizeiinspektion in Wien-Floridsdorf.

Die psychiatrische Sachverständige Gabriele Wörgötter bescheinigte dem 18-Jährigen eine schwere kombinierte Persönlichkeitsstörung, die einer dringenden Psychotherapie bedarf. Der Beschuldigte leide unter einer enormen emotionalen Verarmung und unter Einsamkeit. Das Tatgeschehen sei ein sogenanntes Initialdelikt, eine identitätsstiftende Handlung, was für Schulamokläufer klassisch sei. Zum Tatzeitpunkt war der 18-Jährige jedoch zurechnungsfähig.

(APA/Red)

 

 

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