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Plötzlich Bundeskanzler: Löger wird Kurzzeit-Kanzler

Eigentlich wollte Hartwig Löger Pilot werden, nun wird er eben Bundeskanzler.
Eigentlich wollte Hartwig Löger Pilot werden, nun wird er eben Bundeskanzler. ©APA/EXPA/JOHANN GRODER
Der wohl kürzest dienende Regierungschef wird nicht Sebastian Kurz sein, sondern Hartwig Löger. Am Dienstag wird er übergangsweise zum Bundeskanzler ernannt.
Löger wird Bundeskanzler
Erfolgreicher Misstrauensantrag

Sebastian Kurz (ÖVP) dürfte den Titel des kürzest dienenden Regierungschefs bald wieder los sein. Denn Bundespräsident Alexander Van der Bellen wird Hartwig Löger (ÖVP) am Dienstag mit den Regierungsgeschäften betrauen. Dabei war der Finanzminister erst vor wenigen Tagen zum Vizekanzler aufgestiegen und wird wohl auch seinen neuen Posten nicht lange behalten.

Löger wird Österreich in Brüssel vertreten

Denn als Vertreter der Regierung Kurz würde es ihm wohl kaum gelingen, im Nationalrat eine stabile Mehrheit zusammenzubringen. Immerhin war Löger erst Montagnachmittag mit seinen Kollegen vom Nationalrat per Misstrauensantrag aus seinem Amt als Vizekanzler und Finanzminister gebeten worden.

Immerhin, der wohlerzogene Finanzexperte wird beim EU-Gipfel in Brüssel vermutlich ein ordentliches Bild abgeben. In seiner bisherigen Polit-Karriere fiel der Steirer durch gute Manieren, schnörkellose Rhetorik und solides Zahlenwerk auf.

Plötzlich Bundeskanzler: Löger wollte eigentlich Pilot werden

Löger kommt nicht aus typischem ÖVP-Umfeld. Aufgewachsen ist der 53-Jährige Obersteirer, zweifacher Vater und mittlerweile auch Großvater, in der steirischen Eisenbahner-Metropole Selzthal. Sein Vater war Heizer bei der Bahn. Wohl nicht zufällig gehört der Modelleisenbahn-Bau zu Lögers größten Hobbys.

Nach der Matura am Stiftsgymnasium Admont ging Löger zum Bundesheer, als ersten Schritt für seinen Wunschberuf Pilot. Eine schwere Knieverletzung beendete diesen Traum allerdings, er musste aussteigen und landete zufällig in der Versicherungsbranche, zunächst ganz unten, im Verkauf bei einem Maklerunternehmen in Wien.

Nebenbei absolvierte er Universitätslehrgänge an der WU, auch einen Internationalen Managementlehrgang an der Uni St. Gallen – und arbeitete sich nach oben, über den Verkaufsleiter Steiermark bei der Allianz Versicherung, den Vertriebsleiter bei der Donau Versicherung bis in die Geschäftsführung der UNIQA. Ab 2016 bis zu seinem Einstieg in die Politik hatte er dort als Vorstandsvorsitzender die Gesamtverantwortung für rund 5.000 Mitarbeiter.

In der Öffentlichkeit war Löger bis zu seiner Berufung in das Kabinett Kurz kaum bekannt, zumindest aber schon in der Sportpolitik aktiv. 2014 löste er den damaligen Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner als Präsident der Sportunion ab. Das ist einer der drei großen Breitensport-Dachverbände – den Statuten nach parteiunabhängig, aber von den Spitzenfunktionären her fest in ÖVP-Hand. Auch privat ist Löger sportlich, Tennis und Laufen zählen zu seinen Hobbys.

Löger wurde auf Kurz bei Arbeit aufmerksam

Dass ihn Kurz für das Finanzressort ausgesucht hat, rührt auch von einer längeren Bekanntheit her. Vor gut einem Jahrzehnt jobbte der heutige Kanzler bei der Uniqa und fiel dem Seneca-Verehrer Löger mit seinem wachen Verstand auf. Seither blieb man im Kontakt.

Die Erwartungen des jungen Kanzlers erfüllte Löger. Er schaffte früher als gewollt ein Nulldefizit und brachte mit der FPÖ den Entwurf für eine Steuerreform zustande. Die wird großteils zumindest bis nach der Wahl liegen bleiben, ebenso wie die Vorarbeiten zum Finanzausgleich. Dieser könnte seine härteste Aufgabe werden, sollte es für den Übergangskanzler noch eine zweite Amtsperiode als Finanzminister geben. Seine Ära als Kanzler dürfte dagegen schon nach wenigen Tagen ein Ende finden.

Zur Person: Hartwig Löger, geboren 15. Juli 1965, in Selzthal (Steiermark) aufgewachsen, verheiratet, zwei Kinder. Vorstandsvorsitzender der UNIQA Österreich Versicherungen von 2013-2017, seither Finanzminister.

Kurz startete bereits in den Wahlkampf

Der jünste der jüngste Altkanzler in Österreichs Geschichte startete am Montag bereits in den Wahlkampf. Nur wenige Stunden nach seiner Abwahl ließ er sich in der Parteiakademie der ÖVP von seinen Fans bejubeln und kündigte an, bei der vorgezogenen Neuwahl reüssieren zu wollen: “Heute hat das Parlament entschieden, aber am Ende des Tages, im September, entscheidet in einer Demokratie das Volk”, rief Kurz seinen Unterstützern zu, die ihn zuvor mit trotzigen “Kanzler Kurz”-Sprechchören empfangen hatten.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner wird eine seiner Herausforderinnen sein. Der Parteivorstand wird die Vorsitzende am Dienstag offiziell zur Spitzenkandidatin für den Urnengang küren, der übrigens vom Nationalrat am Montag bereits in die Wege geleitet wurde, freilich ohne beim Datum ins Detail zu gehen. Vorerst ist nur allgemein von September die Rede. Am Montag nutzte Rendi-Wagner die Bühne des Misstrauensantrags jedenfalls wiederholt dafür, Kurz die Schuld an der Situation in die Schuhe zu schieben, habe dieser doch angeblich nur Scheindialoge mit der Opposition geführt beim Ringen um eine Übergangsregierung.

Auch die FPÖ kühlte ihr Mütchen am VP-Chef. Ex-Innenminister Herbert Kickl, der gemeinsam mit Norbert Hofer zum Klubvorsitzenden gewählt wurde, nannte den “Griff nach der Macht” durch die ÖVP “widerlich”. Freilich haben die Freiheitlichen auch andere Probleme. Trotz des Ibiza-Videos, in dem der mittlerweile abgetretene Parteichef Heinz-Christian Strache über Themen wie Wasser-Privatisierung oder öffentliche Auftrag-Vergabe gegen russisches Geld philosophiert, schaffte er so viele Vorzugsstimmen, dass er als einer von drei freiheitlichen Mandataren ins EU-Parlament einziehen könnte. Ob er das tut, bleibt offen. In einer ersten Reaktion sah er sich dazu “demokratiepolitisch verpflichtet”, später löschte er ein entsprechendes Posting wieder.

(APA/Red)

 

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