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Pensionsreform nach emotionaler Debatte beschlossen

Die Debatte rund um die Pensionsreform verlief durchaus emotional.
Die Debatte rund um die Pensionsreform verlief durchaus emotional. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Am Freitag ging im Nationalrat eine emotionale Debatte rund um die Pensionsreform über die Bühne. Zum Schluss wurde sie schließlich beschlossen.
Nationalrat beschließt Pensionsreform

Emotional ist Freitagnachmittag im Nationalrat die Debatte zur erst diese Woche vorgelegten Pensionsreform verlaufen, die der "Hacklerregelung" Abschläge bringt, einen Bonus für jene schafft, die früh zu arbeiten begonnen haben und die erste Pensionserhöhung verzögert. SP-Sozialsprecher Josef Muchitsch warf der Koalition vor: "Sie zeigen ihr wahres unsoziales Gesicht." Seine freiheitliche Kollegin Dagmar Belakowitsch nannte die Vorlage "unfair, ungerecht und unsozial".

Künfte Pensionisten müssten die Krise bezahlen

Für Muchitsch lässt die Regierung nun jene die Krise bezahlen, die schwer und besonders lange arbeiten. Sämtliche künftige Pensionisten hätten durch die heutige Gesetzesänderung Einbußen zu tragen. Die Koalition fragte der Gewerkschafter, warum man gerade Arbeiter und Angestellte bestrafe. Die seien es, die am meisten ins Pensionssystem einzahlten, am längsten arbeiteten und den niedrigsten Bundeszuschuss erhielten.

In die gleiche Kerbe schlug Belakowitsch: "Es werden alle Pensionen gekürzt. Mit Fairness hat das nichts zu tun." Jenen, die viele Jahre gearbeitet hätten, werde etwas weggenommen, was sie sich verdient hätten. Der Frühstarter-Bonus stellt für die freiheitliche Sozialsprecherin überhaupt keinen Ausgleich dar. Die Grünen hätten sich von der "Sozialabbau-Partei" ÖVP reinlegen lassen.

Überhaupt kein Problem damit, dass die "Hacklerregelung" nicht mehr abschlagsfrei gilt, hat NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Der Vorwahl-Beschluss mit der Abschaffung der Abzüge sei ohnehin Husch-Pfusch gewesen, seien doch etwa nicht einmal die Beamten einbezogen worden. Da die SPÖ dereinst auch die Regel mit den Abschlägen beschlossen habe, sieht Loacker nun ein Doppelspiel, das entlarvt und himmeltraurig sei. Auch dem "Frühstarterbonus" stehen die NEOS kritisch gegenüber.

Koalition setzte sich zünftig zur Wehr

Die Koalition setzte sich gegen die Angriffe von Rot-Blau durchaus zünftig zu Wehr. ÖAAB-Generalsekretär Christoph Zarits meinte in Richtung SPÖ. Als sie beim selben Beschluss dabei gewesen sei, sei das pipifein gewesen, nun wo sie nicht dabei sei, sei es Teufelswerk. Wie die Sozialdemokraten die "Hacklerregelung" (mit Abschlägen) beschlossen hatten, seien sie noch staatstragend gewesen: "Heute seid ihr eine populistische Partei."

Wie Zarits betonte auch Grünen-Sozialsprecher Markus Koza, dass die "Hacklerregelung" nicht abgeschafft werde sondern einfach auf jenen Modus umgestellt werde, der bis heuer schon gegolten habe - eine Regelung, die unter einem sozialdemokratischen Sozialminister unter Beteiligung der Gewerkschaft beschlossen worden sei. Die Regierung schaffe mit dem "Frühstarterbonus" etwas neues, von dem 60.000 bis 70.000 Neuzugänge in die Pension pro Jahr profitieren könnten, während es bei der "Hacklerregelung" nur 7.000 bis 8.000 seien.

Ähnlich war die Argumentationslinie von Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne). 45 Jahre seien tatsächlich genug. Daher sei es richtig und wichtig, dass die Langezeitversicherten-Regelung bleibe. Man kehre nur einfach zurück zur alten Kompromisslösung, die dereinst SPÖ und ÖVP in der Regierung beschlossen hätten. Er sei jedenfalls angetreten, die Altersarmut zu bekämpfen und dazu dienten die zuletzt beschlossene starke Erhöhung der Ausgleichszulage genauso wie der "Frühstarterbonus".

Pensionsreform von Koalition und NEOS beschlossen

Der Nationalrat hat die Pensionsreform mit Koalitionsmehrheit beschlossen. Damit gelten ab 2022 wieder Abschläge (von 4,2 Prozent) bei der "Hacklerregelung", angetreten werden darf sie unverändert nach 45 Versicherungsjahren ab 62. Gleichzeitig eingeführt wird ein "Frühstarterbonus", mit dem für jedes Monat Arbeit vor 20 ein Euro auf die Pension draufgelegt wird (maximal 60). Voraussetzung ist, dass vor dem 20. Geburtstag 12 Monate und gesamt 25 Jahre gearbeitet wurden.

Schließlich wird die Pensionsanpassung verzögert. Die volle Erhöhung im ersten Jahr nach dem Pensionsantritt erhält nur jemand, der im Jänner den Ruhestand angetreten hat. Danach schmilzt die Anpassung ab. Im Februar in Pension gegangene Rentner sollen 90 Prozent der Erhöhung erhalten, die März-Pensionisten 80 Prozent und so weiter. Jene, die im November oder Dezember aus dem Arbeitsleben scheiden, müssen bis zum übernächsten Jahr warten, bis sie überhaupt eine Erhöhung bekommen.

Ebenfalls in der Novelle enthalten ist, dass die Unfallversicherung im Home-Office ihre Gültigkeit bis mindestens Ende März behält.

Bonus für Arbeitslose beschlossen

Der Nationalrat hat Freitagabend außerdem zum zweiten Mal einen Bonus für jene beschlossen, die in der Coronakrise arbeitslos sind. Sie können bis 450 Euro erhalten. Für jedes Monat von September bis November sind 150 Euro Bonus vorgesehen. Zustimmung kam von allen Fraktionen außer von den NEOS.

Verlängert wird auch eine Regelung, die Nachteile für Personen in Altersteilzeit durch die Corona-Pandemie verhindern soll. Schon im Frühjahr wurde für sie sichergestellt, dass die Altersteilzeit nach einem Corona-bedingten Ende des Beschäftigungsverhältnisses nach der Krise wieder aufleben kann. Das gilt nun bis Ende März weiter.

Dicke Luft bei Seniorenvertretern von SPÖ und ÖVP

Die Diskussion um Einschnitte bei der sogenannten Hacklerregelung hat am Samstag für dicke Luft unter den sonst durchaus einhellig auftretenden Seniorenvertretern gesorgt. Grund dafür ist das Lob von Ingrid Korosec, Obfrau des ÖVP-Seniorenbunds, für die Maßnahme. Korosec verabschiede sich als Seniorenvertreterin, wetterte daraufhin der Vizepräsident des roten Pensionistenverbandes (PVÖ), Harry Kopietz. Er vermutet eine "Stallorder" aus der ÖVP.

"Wir haben die abschlagsfreie Frühpension stets als unfaire Lösung kritisiert, von der praktisch nur Männer mit einer bereits hohen Pension profitieren", meinte Korosec in einer Aussendung und erinnerte: "Die SPÖ mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer hat dieses System aus gutem Grund gemeinsam mit der ÖVP abgeschafft und ab 2014 ein Bonus-Malus-System eingesetzt." Gemeinsam mit der FPÖ habe die SPÖ jedoch 2019 eine Kehrtwende vollzogen und dieses Prinzip zwecks Stimmenfangs kurz vor der Wahl gebrochen.

Gleichzeitig schaffe die Bundesregierung mit dem Frühstarterbonus ein neues Instrument im Kampf gegen Altersarmut, findet Korosec, die am Sonntag ihren 80. Geburtstag feiert. Kopietz vom SPÖ-Pensionistenverband kann sich dem nicht anschließen: "Da kürzt ihre eigene Partei die Pensionsanpassung und führt auch wieder Abschläge für Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben, ein, und Korosec heißt den Pensionsraub der Kurz-ÖVP offenbar noch gut", schrieb er und fragt sich: "Wer will sich derart vertreten lassen?"

Nicht nur mit Kopietz, auch mit dem PVÖ-Vorsitzenden Peter Kostelka liegt Korosec im Clinch. Sie zeigte sich "äußerst verwundert" über dessen Kritik an der eingeführten Aliquotierung für die erste Pensionsanpassung. "Ich erinnere den Kollegen Kostelka gerne daran, dass wir genau diese Aliquotierung als faire Lösung für die erste Pensionsanpassung mehrmals gemeinsam im Seniorenrat beschlossen und auch gefordert haben", sagte sie. Dass Kostelka jetzt von "Pensionsraub" spricht, sei "gelinde gesagt befremdlich".

(APA/Red)

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