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"Oozing Earth" von Gander im Wiener Museumsquartier

Komponist Bernhard Gander im Interview.
Komponist Bernhard Gander im Interview. ©APA/HARALD SCHNEIDER
Eine "triefende, eiternde Welt, aus der es giftig herausbrutzelt", ist das Thema von "Oozing Earth". Die Wiener Festwochen bringen das Stück von Bernhard Gander ins Museumsquartier.

Dabei treffen am Sonntagabend Klassik auf Heavy Metal und gregorianische Choräle auf den Metalsänger Attila Csihar. Der aus Lienz stammende Komponist Gander fusioniert dabei zwei Welten, ohne Kompromisse einzugehen.

Zwischen Heavy Metal und Klassik: Wiener Festwochen bringen "Oozing Earth"

Der Titel habe sich "einfach angeboten, weil ich mich mit dem Thema lange beschäftigt habe", erzählt er im APA-Interview über das Auftragswerk des Ensemble Modern, in dem er sich mit den elementaren Urkräften und dem Kampf des Menschen gegen die Natur auseinandersetzt. Uraufgeführt wurde das Stück bereits Anfang März in Frankfurt. Aufgrund der Coronareisebeschränkungen musste Gander für das Konzert in Wien kurzfristig umbesetzen: Der kanadische Schlagzeuger Flo Mounier wurde durch den Franzosen Kevin Paradis ersetzt, auch der New Yorker Dirigent Brad Lubman kann nicht anreisen. An seiner statt führt Bas Wiegers das Ensemble Modern durch die Partitur.

Apropos Partitur: Noten gibt es nur für das Orchester, für den Sänger Attila Csihar und den Drummer Paradis gibt es gesprochene Anleitungen: "Attila hat immer denselben Text, aber seine Melodien verändern sich von Aufführung zu Aufführung. Von mir bekommt er im Click-Track Anweisungen ins Ohr. Ich sage einfach, in welchem Takt er wie singen soll. Es gibt eine genaue Vorgabe, in welchem Gestus oder Klang das sein soll." Anweisungen klängen dann so: "Brüll da zwei Sekunden auf diesem Laut in dieser Höhenlage", lacht Gander. Sowohl den Schlagzeuger als auch Csihar habe er beim Komponieren bereits im Kopf gehabt: "Ich kenne fast alle seine Aufnahmen", so Gander über den ungarischen Sänger, der im Anschluss an "Oozing Earth" mit seiner Band Gravetemple auftritt. "Ich habe ihm gesagt: 'Mach da solche Geräusche wie auf dieser Nummer auf dieser bestimmten Platte bei Sekunde 57.' Das hat wunderbar funktioniert."

Fusion bringt Komponisten Minimierung des Publikums

Auch beim Text gab es eine enge Zusammenarbeit der beiden: Gander schickte Csihar einige Bibelstellen aus der Apokalypse, der Sänger lieferte eigene Texte auf Englisch und Ungarisch, bis der Text schließlich seine finale Form angenommen hat. "Es klingt sehr gut und archaisch, vor allem wenn er gregorianische Choräle auf Ungarisch singt", freut sich Gander, der in Innsbruck Klavier und Dirigieren und in Graz Komposition - unter anderem bei Beat Furrer - studierte. Seine erste Liebe sei jedoch nicht die Klassik, sondern Heavy Metal gewesen. "Ich komme aus keinem musikalischen Haushalt. Bei uns sind keine Klassikplatten herumgelegen." Über seinen Bruder sei er mit etwa zehn Jahren zum Heavy Metal gekommen, erst mit 13 Jahren habe er begonnen, Klavier zu lernen.

Diese beiden Welten fusioniert Gander nun in seinen Kompositionen. "Was mir aber nicht gleich das doppelte Publikum einbringt", scherzt der 51-Jährige. "Die Schnittmenge aus beiden Kulturkreisen ist eher klein. Ich bekomme keine Verdoppelung, sondern eine Minimierung des Publikums." Das Ensemble stellt er sich beim Komponieren stets als Körper vor - egal ob er nun über Superhelden schreibe oder nun eben über die Erde. "In diesem Fall ist das Ensemble die Welt, die aus mehreren Wunden trieft und schon verletzt ist. Das Archaische, das ist teilweise schon in meiner Musiksprache drin. Das kann ich gut genießen, deshalb komponiere ich auch so."

(Das Gespräch führte Sonja Harter/APA)

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