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OeNB erhöht Inflations-Erwartung für 2022 auf 7 Prozent

Inflations-Erwartung von Nationalbank wurde erhöht.
Inflations-Erwartung von Nationalbank wurde erhöht. ©APA/Barbara Gindl (Symbolbild)
Das Thema Inflation hat weiter Bestand. Die Nationalbank (OeNB) hat ihre Inflations-Erwartung für das laufende Jahr auf 7 Prozent angehoben.
Inflation trifft Geringverdiener härter
EZB: Beratung über Rekordinflation

Die Nationalbank hat ihre Erwartungen im Vergleich zum Dezember deutlich angepasst. Die Verbraucherpreise dürften heuer um sieben Prozent zulegen, erwartet die OeNB in ihrer heute, Freitag veröffentlichten Prognose. Im Dezember war sie noch von 2,7 Prozent, im April von 5,6 Prozent ausgegangen. Das Wirtschaftswachstum dürfte heuer mit 3,8 Prozent relativ stark bleiben, das sei vor allem auf einen Wachstumsschub Ende 2021 zurückzuführen. Die Arbeitslosigkeit ist rückläufig.

Inflation wird Haushalte treffen

Mit einer Stagflation, also hoher Inflation bei stagnierender Wirtschaft, sei nicht zu rechnen, sagte OeNB-Gouverneur Robert Holzmann. Die Inflation wird aber die Haushalte hart treffen. Denn die Reallöhne, also das um die Inflation bereinigte Arbeitseinkommen, dürfte heuer um 2,5 Prozent und damit "historisch stark" zurückgehen. Seit den 1950er Jahren habe es einzig 1997, damals aber wegen Abgabenerhöhungen, einen so hohen Reallohnrückgang gegeben, sagte OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz. Dennoch dürfte wegen der steigenden Beschäftigung das kumulierte Einkommen der Haushalte in Österreich stagnieren - und die Konsumausgaben der privaten Haushalte dürften sogar deutlich zulegen und damit die Konjunktur stützen. Das wird allerdings nur durch den Rückgang der Sparquote und die Ausgabe von krisenbedingt zurückgelegtem Geld möglich.

Energiepreise verursachten fast Hälfte der Inflation

Zwar haben Energiepreise fast die Hälfte der Inflation verursacht, aber auch Nahrungsmittel und Industriegüter haben mit je 1,2 Prozentpunkten zur Teuerung beigetragen. Die österreichische Kerninflation ist deutlich gestiegen und wird ab 2023 der entscheidende Treiber für die Inflation. Die Nationalbank geht aber davon aus, dass die Inflationsrate in Österreich 2023 wieder auf 4,2 Prozent und 2024 auf 3,0 Prozent zurückgeht - in der gesamten Eurozone sollte es bis dahin sogar eine Normalisierung bei 2,1 Prozent geben.

Inflation bringt Entschuldung von Staat

Die Inflation führt auch zu einer Entschuldung des Staates. Schon heuer sollte der Schuldenstand knapp unter 80 Prozent des BIP fallen, 2023 dann auf 75,9 Prozent und 2024 auf 73,1 Prozent. Der Effekt der Inflation sei dabei "sehr groß", so OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner. Das Budgetdefizit erwartet die OeNB heuer bei 2,6 Prozent des BIP und in den Folgejahren bei 1,2 beziehungsweise 0,7 Prozent.

Die Ankündigung der EZB, die Zinsen im Juli um vorerst nur 0,25 Prozentpunkte zu erhöhen und dann im September in Abhängigkeit der nächsten Prognosen weitere Schritte zu setzen verteidigte Holzmann. Zugleich machte er deutlich, dass er jetzt schon für einen stärkeren Schritt - eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte - gewesen wäre. Auch im September wäre er für ein kräftiges Zinserhöhungszeichen von mindestens 0,5 Prozentpunkten, wenn sich die Inflation bis dahin nicht deutlich reduziert hat. Aber Zinsmaßnahmen seien "eine Reise" und man müsse die Reaktion der Finanzmärkte beachten. Auf die gestrige Ankündigung der EZB hätten die Märkte sehr gut reagiert. Die Schätzungen laufen darauf hin, dass es einen "Gleichgewichtszinssatz" der EZB bei etwa 1,5 Prozent gibt. Sollte die Inflation hartnäckig sein, müssten die Zinsen darüber hinaus steigen.

Wichtig sei aber, dass die Erhöhung der Zinsen nur eine von drei Maßnahmenbündeln sei, die die EZB nutzen könne. Viel wichtiger seien in den letzten Jahren die Anleihenkaufprogramme gewesen, die nun endgültig auslaufen.

Nationalbank hob Inflationsprognose an

Die Nationalbank hat ihre Inflationsprognose auf das gleiche Niveau angehoben wie zuvor schon Wifo und IHS. Um sieben Prozent dürften die Verbraucherpreise in Österreich heuer steigen, nächstes Jahr dann um 4,2 Prozent. Das ist schlecht für die arbeitenden Menschen, denen heuer ein historischer Einbruch ihrer realen Einkommen droht und gut für den Staat, der sich dadurch zügig entschulden kann.

Alleine die Inflation wird dazu führen, dass die Schuldenquote, also das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung, zwischen 2022 und 2024 um fast 10 Prozentpunkte sinkt, hat die OeNB errechnet. Hätte es die von der EZB angestrebte Inflation von zwei Prozent gegeben, wäre der Effekt halb so groß gewesen. Schon heuer sollte der Schuldenstand von etwa 84 Prozent auf knapp unter 80 Prozent des BIP fallen, 2023 dann auf 75,9 Prozent und 2024 auf 73,1 Prozent.

Inflation war stark "importiert"

Die Inflation war zwar zunächst stark "importiert", vor allem über die explodierenden Energiepreise. Der Einfluss der Energiepreise wird aber ab dem Sommer zurückgehen, insgesamt soll die Teuerungsrate ab dem Sommer zurückgehen, erwartet die OeNB. Nicht zuletzt durch das Nachziehen der Kollektivvertragslöhne wird die innerösterreichische Kerninflation steigen, auf heuer 4,1 und 2023 4,4 Prozent und sie geht auch 2024 nur auf 3,3 Prozent zurück. In den 20 Jahren vor der Covid-Krise war die Kerninflation bei etwa 1,7 Prozent gelegen.

OeNB-Gouverneur: Von Lohn-Preis-Spirale kann man nicht sprechen

Von einer Lohn-Preis-Spirale könne man aber nicht sprechen, sagten OeNB-Gouverneur Robert Holzmann und OeNB-Chefökonomin Birgit Niessner. Denn die Tradition der KV-Verhandlungen sehe vor, dass lediglich die vergangene Inflation und allfällige Produktivitätsgewinne die Basis für Lohnerhöhungen sind. Erst wenn vergangene Inflation überkompensiert oder künftige Inflationserwartungen als Basis genommen würden, würde so eine Spirale in Gang gesetzt.

Die Löhne dürften heuer zwar nominell mit vier Prozent deutlich steigen, real dürften aber um 2,5 Prozent weniger übrigbleiben. Die Entlastung bei Steuern sei zu gering, um den Reallohnverlust stark zu dämpfen, sagte OeNB-Chefprognostiker Gerhard Fenz. Das wäre seit den 1950er Jahren der höchste inflationsbedingte Reallohnrückgang. Da aber die Arbeitslosigkeit zurückgeht und die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden um etwa vier Prozent zulegen dürfte, stagnieren die gesamten Haushaltseinkommen auf dem Vorjahresniveau. Und die Haushalte dürften ihre Ausgaben sogar um 3,9 Prozent steigern, weil sie ihre Sparquote von dem krisenbedingt ungewöhnlich hohen Niveau von 11,8 Prozent auf langfristig in Österreich übliche 8,4 Prozent senken und wohl auch einen Teil der rund 20 Mrd. Euro, die durch "Übersparen" während der Krise auf der hohen Kante liegen, nun wieder ausgeben.

Inflation trifft Menschen unterschiedlich

Inflation trifft die Menschen dabei sehr unterschiedlich. Die Nationalbank hat für das Jahr 2021 nachgerechnet, wie jeder einzelne Haushalt davon betroffen war. Das Ergebnis zeigt, dass es sogar Haushalte gegeben hat, deren Lebenshaltungskosten gesunken sind, während - bei damals durchschnittlich nur 2,8 Prozent Teuerung - manche bis zu fünf Prozent mehr für ihre Ausgaben zahlen mussten. Klar ist auch, dass die ärmsten zehn Prozent einen weit überdurchschnittlichen Anteil ihres Geldes für Wohnen, Wasser und Energie ausgeben, während beim wohlhabendsten Zehntel der Bevölkerung Freizeit, Kultur und Verkehr überdurchschnittlich viele Ausgaben verursachen.

Die teils zweistelligen Anstiege bei den Großhandelspreisen würden zwar Druck auf die Verbraucherpreise ausüben, aber nicht alle Großhandelspreise seien so stark im Plus, sagte Niessner. Sechs bis zwölf Monate dauere es, bis die Großhandelspreise beim Konsumenten ankommen.

Stabilisierend wirke aus Sicht der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Unterschiede in der Inflation - und beim Wirtschaftswachstum - zwischen den einzelnen Euro-Ländern nicht zu groß sind, sagte Holzmann.

Gewerkschaft fordert Steuersenkungen gegen Inflation

Der Gewerkschaft ÖGB stieß die hohe Inflationserwartung der OeNB sauer auf. Es kann nicht sein, dass wir immer noch auf Maßnahmen gegen die explodierenden Preise warten", sagte ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Die Gewerkschaft spricht sich unter anderem für eine befristete Streichung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel, eine vorübergehende Senkung der Spritsteuer sowie für Mietobergrenzen für ältere Wohngebäude aus.

NEOS mahnen erneut Abschaffung der Kalten Progression ein

Die NEOS nahmen die heutigen Konjunkturprognosen der Nationalbank dagegen zum Anlass, erneut die Abschaffung der Kalten Progression einzumahnen. Die Wirkung der Steuerreform 2022 sei bereits verpufft, es brauche weitere Einkommenssteuersenkungen statt "sinnloser Gutscheine", so NEOS-Wirtschaftssprecher Gerald Loacker laut Aussendung. So könne auch der private Konsum gestützt werden.

(APA/Red)

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