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Neues Ziel für Corona-Prävention entdeckt: Wiener Forscher beteiligt

Ein neues Ziel für Medikamente zur Corona-Prävention wurde entdeckt.
Ein neues Ziel für Medikamente zur Corona-Prävention wurde entdeckt. ©APA/DPA/Marcus Brandt (Symbolbild)
Ein internationales Forscherteam hat mit der Beteiligung von Wiener Forschern ein Ziel für Medikamente zur Corona-Prävention entdeckt.

Das ACE2-Protein ist eine hauptsächliche Andockstelle der Covid-19 Erreger SARS-CoV-2 auf dafür empfänglichen Zellen. Doch die zelleigene Produktion von ACE2 unterliegt strikten Regulationsmechanismen. Die Medikamente können die Expression von ACE2 stark reduzieren und so die Infektanfälligkeit verringern.

Entdeckung von neuem Ziel zur Prävention von Corona

Teresa Brevini vom Wellcome MRC-Stammzellinstitut in Cambridge in Großbritannien und ihre Co-Autoren, unter ihnen Claudia Fuchs von der MedUni Wien/AKH, haben ihre Forschungsergebnisse jetzt in Nature online veröffentlicht (doi: 10.1038/s41586-022-05594-0). "Eine Prävention der SARS-CoV-2-Infektion durch eine Veränderung der Rezeptoren für die Viren beim 'Wirt' (in diesem Fall der Mensch; Anm.), wie zum Beispiel ACE2, könnte einen neuen Weg in der Chemoprophylaxe von Covid-19 darstellen und die Impfung ergänzen", schrieben die Wissenschafter.

Verbesserung der Corona-Abwehr wäre wünschenwert

Eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Infektionsabwehr bei SARS-CoV-2 wäre höchst wünschenswert, da die gegen schwere Krankheitsverläufe hoch wirksamen vorhandenen Vakzine eben deutlich weniger gut gegen eine Ansteckung schützen und ihre Effektivität vom Zustand des Immunsystems der Geimpften abhängt. Auf der Suche nach solchen Wegen stießen die Wissenschafter auf den so genannten Farnesoid X-Rezeptor (FXR). Das Protein wird sehr stark in der Leber produziert, kommt aber auch auf Zellen anderer Gewebetypen vor. Es handelt sich um ein Protein, das Gallensäuren "riecht".

Doch FXR ist offenbar auch ein starker Regulator für die Expression des ACE2-Proteins (Angiotensin-Converting-Enzyme 2) an der Oberfläche von Zellen. Über dieses Eiweiß hanteln sich die Covid-19-Erreger buchstäblich in die Zellen hinein.

Wiener Forscher an Entdeckung beteiligt

Bei der Untersuchung dieser Vorgänge stießen die Wissenschafter schließlich auf das neue mögliche Ziel für eine medikamentöse Prophylaxe von SARS-CoV-2-Infektionen: "Über Experimente an Organoiden (3D-Zellkulturen verschiedener Gewebe; Anm.) entdeckten wir, dass eine Blockade von (...) FXR (...) die Konzentration von ACE2 auf der Oberfläche von Zellen reduziert. Wir 'behandelten' die Organoide mit Ursodeoxycholsäure (UDCA), welche FXR inhibiert, und für die Behandlung einiger Lebererkrankungen eingesetzt wird. UDCA verringerte die Konzentration von ACE2 und die Infektionsrate von Zellen in diesen Organoid-Modellen für die menschliche Lunge, für den Darm und die Leber."

Ursodeoxycholsäure ist seit langem bekannt

Die Ursodeoxycholsäure ist ein seit langem bekanntes, mittlerweile nicht mehr durch Patent geschütztes Arzneimittel vor allem in der Gastroenterologie. Der Wirkstoff wird bei Leberfunktionsstörungen und Gallensteinleiden angewendet. So kann UDCA das Fortschreiten von bestimmten Leberzirrhose-Formen verlangsamen. Vor allem aber wird die Substanz eingesetzt, um kleine reine Cholesterin-Gallensteine im Zuge einer medikamentösen Therapie aufzulösen. Außerdem zählt Ursodeoxycholsäure zu den Therapeutika, die Kindern mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose) und den damit verbundenen Leber- und Gallenerkrankungen gegeben werden.

Neues Ziel für Corona-Prävention: Wissenschaftler behandelten Hamster

Um die Laborbefunde zur Infektionsprävention zu erhärten, behandelten die Wissenschafter schließlich Hamster mit Ursodeoxycholsäure und setzten sie SARS-CoV-2 aus. Auch hier zeigte sich eine prophylaktische Wirkung. Schließlich gelang der gleiche Nachweis an von Menschen stammenden beatmeten Lungenflügeln, die nicht für eine Transplantation verwendet werden konnten. "UDCA verringerte die SARS-CoV-2-Infektionsrate bei diesen Proben von Lungengewebe", schrieben die Wissenschafter.

Das Prinzip wurde am vorläufigen Ende der wissenschaftlichen Arbeit auch mit acht gesunden Probanden untersucht. Sie erhielten Ursodeoxycholsäure (UDCA). Dann wurde in Zellen aus ihrer Nasenschleimhaut die Konzentration an den potenziellen SARS-CoV-2-Andockstellen - eben ACE2 - gemessen. Auch hier zeigte sich eine Unterdrückung der Expression von ACE2.

Anwendung von UDCA als Corona-Prävention

An sich könnte die Anwendung von UDCA als zusätzliches Mittel zur Infektionsprophylaxe relativ einfach sein. "UDCA wird schon jetzt häufig verwendet, ist kosteneffizient, ohne Patentschutz sowie leicht herzustellen und zu lagern. Das hilft, Kosten- und Distributionsprobleme zu überwinden. Die Substanz beeinflusst nicht das Immunsystem oder das Virus selbst und könnte daher einerseits wirksam bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem sein, andererseits auch gegen Virusresistenzen schützen. Damit könnte der Stoff auch bei künftigen Coronavirus-Pandemie wirksam sein, weil ACE2 ja die Eintrittspforte für viele dieser Erreger darstellt", stellten die Forscher fest. Der naheliegendste Schritt seien nun große, randomisierte (Probandenzuteilung per Zufall), Placebo-kontrollierte klinische Studien zur Wirksamkeit in der klinischen Praxis.

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(APA/Red)

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