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Neues Buch: Islam-Kritikerin Wiesinger kritisiert nun Bildungspolitik

Mit dem Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer" sorgte die Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger. In ihrem neuen Buch steht allerdings die Politik in der Kritik.
Mit dem Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer" sorgte die Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger. In ihrem neuen Buch steht allerdings die Politik in der Kritik. ©ORF/Screenshot
Vor eineinhalb Jahren hat die Wiener Lehrerin Susanne Wiesinger mit ihrem Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer. Wie der Islam die Schulen verändert" für Aufsehen gesorgt. Nun gibt es Aufregung über ein neues Buch der Pädagogin.
Politischer Islam an Wiens Schulen
Das steht im neuen Wiesinger-Buch

Mit dem Buch "Kulturkampf im Klassenzimmer" hat Lehrerin Susanne Wiesinger im Herbst 2018 eine Debatte über Auswirkungen des konservativen Islam an Schulen losgetreten, im Februar 2019 holte Minister Heinz Faßmann (ÖVP) sie als Ombudsfrau ins Bildungsressort. Heute, Montag, legt Wiesinger ein neues Buch vor: "Machtkampf im Ministerium" ist ein Rundumschlag gegen die Bildungspolitik.

Wiesinger rechnet mit der Politik ab

"Die Parteilinie scheint wichtiger zu sein als wirkliche Hilfe für die Schüler", so Wiesingers Resümee nach einem Jahr als "Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte", in dem sie sich im ganzen Land bei einer "Zuhörtour" einen Überblick darüber verschaffen sollte, wie verbreitet Kultur- und Wertekonflikte in Österreichs Klassenzimmern sind. "Wie Parteipolitik unsere Schulen zerstört" lautet denn auch der Untertitel des 240-seitigen Berichts, den die langjährige Wiener NMS-Lehrerin und SPÖ-Lehrergewerkschafterin gemeinsam mit "Addendum"-Redakteur Jan Thies verfasst hat.

Vor allem mit dem Kabinett im Bildungsministerium rechnet sie darin ab: An einer weisungsfreien und unabhängigen Ombudsstelle habe man dort - mit Ausnahme des Ministers - kein Interesse gehabt. Stattdessen sei sie bei ihrer Arbeit kontrolliert worden, Rückmeldungen aus der Schulpraxis seien - vor allem bei Kritik an von der ÖVP mitverantworteten Maßnahmen - im Ministerkabinett auf wenig Interesse gestoßen. "Meine Arbeit sollte ausschließlich die politischen Positionen der Volkspartei untermauern", so ihr Eindruck.

Schulbericht ist bereits gedruckt

Wiederholt habe sie deshalb den Job fast hingeschmissen. Weil sie nach rund 160 Gesprächsterminen ihren Abschlussbericht fertigstellen wollte, sei sie dem "Machtkampf im Ministerium" zum Trotz geblieben. Der Bericht sei mittlerweile gedruckt. Ihren Posten, der mit Februar ohnehin ausgelaufen wäre, ist Wiesinger nun bereits früher los. Das Bildungsministerium hat Wiesinger freigestellt. Die weitere berufliche Zukunft der bei der Stadt Wien beschäftigten Pädagogin ist noch unklar: In der Wiener Bildungsdirektion will man zunächst mit dem Ministerium darüber Gespräche führen, hieß es auf APA-Anfrage. Wiesinger war für ihre Ombudsfrau-Tätigkeit als Lehrerin an einer Wiener Neuen Mittelschule (NMS) freigestellt worden. Im Regelfall kehren Pädagogen nach dem Ende einer Freistellung auf ihre alte Stelle zurück.

Doch nicht nur im Ministerium, in der gesamten Bildungspolitik steht nach Wiesingers Wahrnehmung das Parteiprogramm über der Problemlösung, vom Bund über die Bildungsdirektionen (früher Landesschulräte) bis zur Gewerkschaft. Vor allem im rot-grün regierten Wien würden Probleme im Zusammenhang mit Integration und konservativem Islam zugedeckt, aus Angst, damit der FPÖ in die Hände zu spielen.

Weitere Kritik an muslimischen Einflüssen

Unterdessen verschärfen sich laut Wiesinger soziale und kulturelle Probleme in Österreichs Schulen, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität: Aus ihrem Jahr als Ombudsfrau berichtet sie von Schulen, an denen Sexualkunde und Unterricht zum Thema Holocaust wegen der sexual- bzw. judenfeindlichen Haltung muslimischer Schüler nicht möglich sei, wo wegen einer kulturell bedingten Verweigerung muslimischer Kinder und Jugendlicher keine Schulaktivitäten wie Skikurs oder Theaterbesuche mehr stattfänden und wo Burschen in ihrer Klasse die Einhaltung des Fastens im Ramadan kontrollierten.

Sozialindex für Volksschulen
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Wiesinger: Sprachschwierigkeiten in 2. und 3. Generation

Auch Sprachschwierigkeiten seien ein großes Thema: Lehrer und Direktoren hätten von Zuwandererkindern der zweiten und dritten Generation berichtet, die nicht genug Deutsch für einen Schulabschluss beherrschten. In fast allen Fächern müssten die Deutschanforderungen gesenkt werden, Förderangebote würden nicht angenommen, die Kommunikation mit den Eltern scheitere an kulturellen Unterschieden und Sprachschwierigkeiten. Viele dieser Kinder würden nie einen Abschluss machen, der Weg in die Mindestsicherung sei vorgezeichnet.

Umgangssprache in Schulen
APA ©APA

"In allen Bundesländern entscheiden Religion, Kultur und Migration darüber, ob ein normaler Unterricht möglich ist", schreibt Wiesinger, und das nicht nur an Wiener Brennpunktschulen. Volksschulen und Neue Mittelschulen in den Bundesländern, die überwiegend von Kindern mit Migrationshintergrund und aus sozial schwachen Familien besucht werden, seien mittlerweile ebenso betroffen wie immer mehr Wiener AHS. "In unseren Klassenzimmern spielt sich eine bildungspolitische Katastrophe ab."

Lehrer trauen sich nicht offen zu reden

Offen darüber geredet werde allerdings kaum, beklagt Wiesinger. Linke Lehrer würden befürchten, der Islamfeindlichkeit bezichtigt zu werden. Schulleiter hätten Angst davor, dass ihnen von der Schulaufsicht als Strafmaßnahme "die unfähigsten Lehrer und die verhaltensauffälligsten Schüler" von der Schulaufsicht zugewiesen werden könnten.

An den Schluss ihres Buches stellt Wiesinger zehn Empfehlungen, von einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr und einer besseren sozialen Durchmischung der Schulen über einen Bürokratieabbau und eine realitätsnahe Lehreraus- und -fortbildung bis hin zu Sanktionen für Schüler bei Fehlverhalten und Geldstrafen für Eltern, die etwa bei Fehlstunden oder Gewalt ihrer Kinder die Zusammenarbeit mit der Schule verweigern.

Wiesinger will kein "Maulwurf" sein und erwägt Klage

Lehrerin Susanne Wiesinger hat am Montag verteidigt, dass sie noch während ihrer geplanten Amtszeit als "Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte" das Buch "Machtkampf im Ministerium" veröffentlicht hat. Den Vorwurf der ihr vom Ministerium zur Seite gestellten Beraterin Heidi Glück, sie sei "mehr Maulwurf als Ombudsfrau" gewesen, weist sie zurück - und will deshalb klagen.

Glück, einst Pressesprecherin von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer und Kanzler Wolfgang Schüssel (beide ÖVP) und nunmehr Kommunikationsberaterin, hatte Wiesinger auf Twitter vorgeworfen, sie habe das Vertrauen aller missbraucht, noch dazu werde der Titel des Buchs dem Inhalt nicht annähernd gerecht. "Es ist unanständig und desavouiert ihre eigene Arbeit. Sie hat ihre Rolle falsch verstanden, eher Maulwurf als Ombudsfrau". Die langjährige NMS-Lehrerin und SPÖ-Lehrergewerkschafterin will das nicht auf sich sitzen lassen. Sie erwägt deshalb eine Klage wegen "Ehrenbeleidigung", bestätigt man in Wiesingers Verlag, der Edition QVV von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz, der APA einen Bericht der "Krone" (Montagausgabe).

Wiesinger gegen "Message Control"

Sie könne zwar nachvollziehen, dass man die Veröffentlichung des Buchs im Bildungsressort als Vertrauensbruch empfindet, betonte Wiesinger am Montag im Ö1-Morgenjournal". Als illoyal empfinde sie ihr Vorgehen dennoch nicht. Immerhin habe sie den Abschlussbericht ihrer Arbeit als Ombudsfrau, in dem sie die Ergebnisse ihres Austauschs mit "sicherlich 1.100 Leuten" festhält, bereits im Dezember der damaligen Ministerin Iris Rauskala vorgelegt.

Den Weg der Buchveröffentlichung habe sie aufgrund der "Message Control" des Kabinetts - der ihrem Empfinden nach "einflussreichsten Macht" in einem Ministerium - wählen müssen: "Ich wollte meine Tätigkeit als Ombudsfrau ganz erfüllen und ich wusste, dass man das verhindert hätte", so Wiesinger in der ZiB 2 vom Sonntag. Als Beispiel für Inhalte, die sonst gefährdet gewesen wären, nennt sie Kritik von Praktikern an den umstrittenen, von der ÖVP eingeführten Deutschförderklassen. Wegen des aktuellen Lehrermangels müsse man schon froh, sein, wenn man überhaupt jemanden finde, der in eine solche Klasse geht. Die Schulen seien außerdem mit ihren davor autonom entwickelten Modellen besser gefahren.

Opposition nutzt Aufregung für Kritik an Ministerium

Die Opposition hat die Freistellung der Ombudsfrau für Wertefragen und Kulturkonflikte im Bildungsministerium, Susanne Wiesinger, dazu genutzt, das ÖVP-geführte Bildungsministerium zu kritisieren. SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid sieht in der Reaktion auf das Buch eine "direkte Auswirkung der Message Control des Systems Kurz". Auch FPÖ und NEOS kritisierten Minister Heinz Faßmann (ÖVP).

"In den Schulen, besonders in jenen, wo die Herausforderungen groß sind, ist viel zu tun. Da kann der richtige Weg nur sein, dass man die Probleme der Lehrerinnen und Lehrer ernst nimmt", meinte Hammerschmied. Parteipolitische Message Control sei hier völlig fehl am Platz. Parteipolitik und Ideologie müssten daher "raus aus der Schule", so die SPÖ-Politikerin.

Für FPÖ-Obmann Norbert Hofer und Klubchef Herbert Kick ist die Freistellung der Ombudsfrau "offenbar der Versuch, kritische Stimmen mundtot zu machen". Kritische Stimmen, die die Wahrheit sagten, seien wichtig. "ÖVP-Minister Faßmann bestraft Susanne Wiesinger anscheinend dafür, dass sie ihre Meinung niedergeschrieben hat", glauben die Freiheitlichen.

Die Türkische Kulturgemeinde in Österreich (TKG) kritisierte Wiesinger und warf ihr vor, "als Ombudsfrau nicht geschlichtet, sondern polarisiert und provoziert" zu haben. Sie habe als Ombudsfrau "mit keinem türkischen Verein in Österreich oder einer türkischen Zeitung (...) Kontakt aufgenommen oder gesucht".

(APA/red)

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