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Neuerliche Schulschließungen: Anschober legt sich nicht fest

Werden die Schulen geschlossen? Gesundheitsminister Anschober verweist auf die Evaluierung der bisherigen Maßnahmen bis Freitag
Werden die Schulen geschlossen? Gesundheitsminister Anschober verweist auf die Evaluierung der bisherigen Maßnahmen bis Freitag ©APA/HERBERT NEUBAUER
Hält sich weiter bedeckt: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hat sich am Donnerstag noch nicht festgelegt, ob die Regierung wegen der anhaltend hohen Covid-Neuinfektionen weitere Schulschließungen verfügen könnte.
Faßmann: "Nicht meine Entscheidung"
Wissenschafter: "Schulen sofort schließen"

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag verwies Anschober auf die nun geplante Prüfung der Auswirkungen der aktuellen Maßnahmen: "Ich habe immer gesagt, wir werden nach zehn Tagen beginnen zu evaluieren. Wir haben heute Tag zehn."

Diese Faktoren beeinflussen, ob Schulen geschlossen werden

Berücksichtigt wird laut Anschober aber nicht nur das Infektionsgeschehen an den Schulen, sondern auch welche Auswirkungen weitere Maßnahmen auf das "Gesamtsystem" hätten. Der "große Erfolg im Frühling mit dem damaligen Lockdown" ist aus Sicht des Gesundheitsministers nämlich deshalb gelungen, weil damit ein "drastisches Verringern der Kontakte und Begegnungssituationen" erreicht worden sei.

Anschober: Auswirkungen der Maßnahmen werden evaluiert

Im Frühjahr sei eine Verringerung der "Bewegungsintensität" auf die Hälfte bis ein Viertel erreicht worden, sagte Anschober. Nun werde man sich quer durch alle Bereiche ansehen, wie viele Infektionsfälle in einem bestimmten Bereich auftreten und wie diese Bereiche auf die Bewegungsintensität wirken - von der Gastronomie, über den Handel bis zur Schule, schilderte Anschober die Beurteilungskriterien für weitere Maßnahmen.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) hatte am Mittwoch betont, die Frage der Schulschließungen liege nun in der Hand Anschobers sowie der Regierungsspitze.

Prognosen für Spitalskapazitäten werden entscheidend sein

Wann über weitere Maßnahmen entschieden werden könnte, ließ Anschober offen. In die Entscheidung einbezogen werden sollen jedenfalls auch die Prognoserechnungen für die Krankenhauskapazitäten. Hier geht es vor allem um die Frage der verfügbaren Intensivbetten. Diese Zahlen werden jeden morgen gemeldet, wobei nicht nur die Zahl der verfügbaren Betten bewertet wird (bzw. die Frage, wie viele Betten für Corona-Patienten umgeschichtet werden können), sondern auch wie viele Erkrankungen es unter dem medizinischen Personal gibt.

SPÖ entschieden gegen Schulschließungen

Die SPÖ hat kürzlich ihre Ablehnung von möglichen Schulschließungen im Zuge von verschärften Corona-Maßnahmen mit Entschiedenheit bekräftigt. Das wäre "eine Maßnahme von geringem Nutzen und großem Schaden", sagte Parteivorsitzende Pamele Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz. Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid forderte stattdessen umfangreiche Schutzmaßnahmen für ein Offenhalten der Schulen.

Die SPÖ hat kürzlich ihre Ablehnung von möglichen Schulschließungen im Zuge von verschärften Corona-Maßnahmen mit Entschiedenheit bekräftigt. Das wäre "eine Maßnahme von geringem Nutzen und großem Schaden", sagte Parteivorsitzende Pamele Rendi-Wagner in einer Pressekonferenz. Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid forderte stattdessen umfangreiche Schutzmaßnahmen für ein Offenhalten der Schulen.

Datengrundlage für Schulschließungen fehlt

Schulschließungen wären das Gegenteil von Treffsicherheit und Wirksamkeit, weil dafür jegliche Datengrundlage fehle, argumentierte Rendi-Wagner. Sowohl die AGES als auch internationale Studien und Erfahrungen würden zeigen, dass Schulkinder bis 14 Jahren keine wichtige Rolle in der Verbreitung des Virus spielen. Die Kinderinfektionsrate sei sogar gesunken, betonte Hammerschmid. Schulschließungen würden aber gesundheitliche, psychologische und pädagogische Schäden bei den Kindern verursachen. Die SPÖ-Vorsitzende verwies auch darauf, dass zusätzlich zu den Oberstufen-Schülern rund 700.000 Kinder und deren Eltern mit der Betreuung betroffen wären. Rendi-Wagner forderte daher die Bundesregierung auf, dem Virus durch wirksame Maßnahmen die Tür zu versperren, den Kindern aber die Tür zu den Schulen offen zu halten.

Für regelmäßige Tests und Maskenpflicht

An Sicherheitsmaßnahmen für ein Offenhalten der Schulen plädierte Hammerschmid für regelmäßige Tests und Screenings der Lehrer sowie für eine Maskenpflicht für die Pädagogen. Weiters sollten die Gurgeltests ausgeweitet werden, zusätzliche Räume angemietet und die Räume alle 20 Minuten kurz gelüftet werden.

Einem kompletten Lockdown inklusive Schulschließungen würde Rendi-Wagner nur dann zustimmen, wenn die von ihr geforderte Expertengruppe, die die Maßnahmen bewerten und evaluieren soll, einen solchen vorschlagen würde. Dass die Regierung jetzt schon von Verschärfungen spreche, obwohl die Inkubationszeit zehn bis 14 Tage betrage und die derzeitigen Maßnahmen erst seit 2. November gelten, hält sie für "unseriös". "Fassungslos" zeigte sich Hammerschmid über die Aussage von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), wonach Schulschließungen nicht seine alleinige Entscheidung wären.

Rendi-Wagner: "Kapitulation vor dem Virus"

Generell wirft Rendi-Wagner der Bundesregierung eine "Kapitulation vor dem Virus" vor. Sie begründet dies damit, dass nur noch 7,5 Prozent der Fälle nachverfolgt werden können. Offensichtlich funktioniere das Contact Tracing, die wirksamste Waffe gegen die Pandemie, nicht. Die Regierung habe die Zeit im Sommer nicht genutzt, um die Kapazitäten für das Contact Tracing auszubauen.

NEOS wollen Entscheidung über Verschärfungen vertagen

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger hat am Donnerstag bei einer Pressekonferenz gefordert, eine Entscheidung über Verschärfungen der Coronamaßnahmen und mögliche weitere Schulschließungen erst nach dem Wochenende zu treffen. Der Peak der Infektionen aus der Zeit vor dem Lockdown sei erst dieser Tage zu erwarten und es gebe ausgerechnet jetzt ein "Zahlenchaos" bei den Daten der Neuinfektionen. Damit fehle die Grundlage für eine evidenzbasierte Entscheidung.

Eine Schließung der Schulen müsse "der aller-, allerletzte Weg" sein, wenn das Gesundheitssystem wegen der Zahl der Coronainfektionen zu kippen drohe. "Das Ende des Unterrichts in der Schule für Pflichtschulkinder ist nicht der Beginn des Unterrichts zu Hause, es ist das Ende des Unterrichts und das Ende von Bildung und sozialen Kontakten, die so wichtig sind", so Meinl-Reisinger, die auch auf die negativen Auswirkungen der Schulschließungen auf Schüler aus sozial benachteiligten Familien, auf die Psyche der Kinder, auf Arbeitnehmer und Arbeitsplätze verwies. "Homeschooling und Homeoffice zusammen geht sich einfach nicht aus. Punkt." Dabei drohe das Ausbrennen der Eltern, vor allem der Mütter, und die noch geöffneten Betriebe könnten durch die Betreuungspflichten der Mitarbeiter in Bedrängnis kommen. Eltern müssten außerdem für die Betreuung möglicherweise auf Großeltern zurückzugreifen und könnten damit potenziell deren Gesundheit gefährden.

Statt Schulschließung Ausweitung der Maskenpflicht

Als gelindere Mittel anstelle von Schulschließungen schlagen die NEOS u.a. zur Abwendung weiterer Schulschließung eine Ausweitung der Maskenpflicht für Schüler vor. Außerdem soll für den Unterricht auf andere Räumlichkeiten, etwa ungenutzte Festsäle, ausgewichen werden und durch unterschiedliche Beginnzeiten Anhäufungen von Schülern auch am Schulweg vermieden werden, so Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre.

Meinl-Reisinger betonte ihre Besorgnis darüber, dass nun wieder Maßnahmen getroffen werden sollen, die für das Leben der Menschen massive Einschnitte bedeuten. "Wir haben es de facto mit nicht mehr funktionierenden Gesundheitsbehörden zu tun", sagte sie und verwies auf Probleme beim Testen, bei der Kontaktnachverfolgung und der raschen Zustellung der Absonderungsbescheide. Wenn die Behörden es nicht mehr schaffen, potenziell positive K1-Personen zu isolieren, dann würden sie und der Staat in der Pandemiebekämpfung versagen. Um hier wieder handlungsfähig zu werden, solle das Contact Tracing von den Gesundheitsbehörden der Länder an die AGES übergeben werden, außerdem brauche es einen massiven Assistenzeinsatz des Bundesheeres zur Unterstützung bei Absonderungen und Testkapazitäten, eine Ausweitung von Home Office und Maßnahmen, um die Bevölkerung dazu zu bewegen, die Verhaltensmaßnahmen zur Eindämmung von Corona auch tatsächlich einzuhalten.

Schulschließungen für FPÖ "keine Option"

Geht es nach der FPÖ, können Schulschließungen kein Mittel zur Bekämpfung der Coronapandemie sein. "Für uns ist das keine Option, die Schulen müssen offenbleiben", betonte Bildungssprecher Hermann Brückl am Donnerstag bei einer Pressekonferenz. Auch die Oberstufen, deren Unterricht seit knapp zwei Wochen auf Distance Learning umgestellt ist, müssten wieder in die Klassenzimmer zurückgeholt werden.

Die FPÖ habe sich als einzige Parlamentspartei von Anfang an gegen Schulschließungen gestellt. Diese seien eine große Belastung für die Familien und würden für die Schüler soziale Isolation, den Verlust von Motivation und Tagesstruktur bedeuten, schon jetzt würden immer mehr Schüler unter Beschwerden wie Schlaflosigkeit und Zukunftsängsten leiden. Noch dazu seien die Schulen keine Treiber der Pandemie. "Wir sind dabei, eine Lost Generation zu schaffen", warnte er. Und: "Die Eltern haben mittlerweile mehr Angst vor Homeschooling als vor Corona." Sollte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Schulen schließen, sei jedenfalls auch Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP), der sich stets für offene Schulen starkgemacht hatte, rücktrittsreif.

Brückl fordert von Regierung langfristige Strategie

Um die Schulen trotz Pandemie offenhalten zu können, setzt Brückl neben der Einhaltung von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln auf Klassenteilungen, eine Teilung in Vormittags- und Nachmittagsunterricht, flexible Beginn- und Endzeiten des Unterrichts, den Einsatz von Plexiglasscheiben und rasche Testungen. Von der Regierung forderte er eine langfristige Strategie ein, immerhin werde das Virus nicht wieder verschwinden.

Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak kritisierte die Datenbasis zur Begründung des Lockdowns: Die Daten zu den Neuinfektionen seien falsch, es gebe Abweichungen von 30 bis zu 100 Prozent. Auch die Auslastungszahlen der Spitalsbetten stellte er in Frage. Außerdem könne die Regierung die erhofften Auswirkungen der von ihr getroffenen Maßnahmen, etwa bei der Reduktion der Zuwachsraten bei Neuinfektionen, nicht beziffern.

Regierung habe die "gesundheitspolitische Mobilmachung" verpasst

Die Regierung habe die "gesundheitspolitische Mobilmachung" für die zweite Welle der Coronapandemie verpasst. Es gebe immer noch keine verlässlichen Daten als Grundlage für Prognoserechnungen, es habe keine Aufstockungen bei der Kontaktnachverfolgung und keine nachvollziehbare Aufstockung der Behandlungskapazitäten im Bereich der Intensivmedizin gegeben, obwohl viel Geld für medizinische Ausrüstung wie Beatmungsgeräte ausgegeben worden sei, und es gebe immer noch keine klare Kompetenzverteilung innerhalb der Bundesregierung.

Solange die Bundesregierung und Gesundheitsminister Rudolf Anschober hier ihre Hausaufgaben nicht erledigt hätten, sei es "vollkommen unangebracht, über nicht validierte, überschießende und offenbar auch ineffektive Maßnahmen weiter zu reden oder solche zu beschließen - noch dazu wenn sie die Grund- und Freiheitsrechte der österreichischen Bürger so stark einschränken".

(APA/Red)

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