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Nach Auftritt bei Corona-Demos und Krawallen - ÖVP fordert Kickls Rücktritt

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Samstag bei der Demo der Corona-Leugner - später eskalierte das Geschehen
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Samstag bei der Demo der Corona-Leugner - später eskalierte das Geschehen ©APA/MICHAEL GRUBER
Reaktion auf rechtsextreme Krawalle bei den jüngsten Corona-Leugner-Demos: Die ÖVP fordert FPÖ-Klubchef Herbert Kickl zum Rücktritt auf.
Festnahmen und Anzeigen nach Demos
Kickl im Kreuzfeuer der Kritik

"Kickl hat bei seinem selbstinszenierten Auftritt nicht nur tief in den Schmutzkübel des Antisemitismus gegriffen, sondern auch mit seiner üblen Kampfrhetorik jene rechtsextremen Krawalle ausgelöst, die brutale Gewalttaten gegen Polizistinnen und Polizisten sowie Sicherheitsleute zur Folge hatten", so Generalsekretär Axel Melchior. FPÖ-Chef Norbert Hofer verteidigte indes die Demos.

Kanzler Kurz zeigte sich von Demo-Vorfällen "angewidert"

Angesichts von "Sieg Heil"-Rufen bei den Demonstrationen zeigte sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) "angewidert". Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) sieht die politische Verantwortung bei der FPÖ.

Wie der Regierungschef im Rahmen der heutigen Sondersitzung des Nationalrats zum "Frauentag" ausführte, könne und solle man unterschiedliche Meinungen zur Corona-Krise artikulieren. Eine "Hooligan-Mentalität", die zu Gewalt und einem schwer verletzten Wachmann führt, sei aber "inakzeptabel": "Es widert mich an. So etwas sollte in Österreich keinen Platz haben."

Scharfe Kritik an Kickls "Demo-Auftritt in Hooligan-Manier"

Während Kurz die FPÖ nicht benannte, nahm sie sein Generalsekretär voll ins Visier. Kickl müsse "nach seinem Auftritt in Hooligan-Manier bei der Corona-Leugner-Demo am vergangenen Wochenende umgehend von all seinen politischen Ämtern zurücktreten", forderte Melchior am Montag in einer Aussendung. "Kickls Bündnis mit Rechtsextremen gefährdet unseren Rechtsstaat und bringt die Gesundheit sowie die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher in Gefahr."

Sehr scharfe Worte fand Innenminister Nehammer Montagabend in "oe24.TV": Dem "Ex-Innenminister" Kickl hielt er laut Vorab-Aussendung vor, mit Reden "geprägt von Hass und Aggressivität" den Polizei-Einsatz erschwert zu haben. "Erbärmlich" sei es, wenn Kickl Polizeibeamten die Schuld gebe, "dass Teilnehmer der Versammlung der FPÖ mit Gewalt eskaliert haben, Naziparolen geschrien haben, dass sie einen Menschen verletzt haben". Ob künftige FPÖ-Veranstaltungen untersagt werden, werde im Einzelfall geprüft. Aber dass es genau nach einer solchen zu einer Ausschreitung kam, "wird in der Beurteilung zugrunde liegen".

Israelitische Kultusgemeinde gibt FPÖ politische Verantwortung

"Es ist eine gefährliche Entwicklung, bei der niemand tatenlos zusehen darf", warnte IKG-Präsident Oskar Deutsch in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Antisemitische Verschwörungslügen und Rechtsextremismus hätten auf den Straßen Wiens nichts verloren, "sie führen letztlich zu physischer Gewalt". Deutsch sieht die Verantwortung für die physische Gewalt zwar bei den Tätern und Täterinnen. "Die politische Verantwortung für die Eskalation jedoch tragen die FPÖ und Herbert Kickl", meinte der IKG-Präsident.

Anhänger der antisemitischen QAnon-Bewegung, rechtsextreme Organisationen und verurteilte Neonazis sowie "FPÖ-Scharfmacher" hätten zwar auch "Tausende Menschen, die nicht allesamt Extremisten sind" im Schlepptau gehabt, betonte Deutsch, aber: "Wer mit Antisemiten gemeinsame Sache macht, macht sich aber mitschuldig." Für den IKG-Präsidenten ist es "untragbar, dass Hitlergrüße auf offener Straße skandiert werden". Gegen diese Personen und Gefährder müssten alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Nach Corona-Demo im Prater: Rechtsextreme stürmten Tiefgarage

Bei den Demonstrationen am Samstag in Wien war die Stimmung auch durch zwei deftige Reden Kickls ("Corona-Stahlhelme in den Regierungsbüros", "Schmuddel-Typen" in den Ministerien) angeheizt worden.

Nach dem Ende der FPÖ-Kundgebung im Prater wollte sich ein Pulk von mehreren hundert Demonstranten nicht auflösen, sondern zog mit Transparenten und Parolen auf einer dreispurigen Straße am Donaukanal stadteinwärts entlang, darunter auch wieder Hooligans, Rechtsextreme und Identitäre. Vor der Unteren Augartenstraße wurden sie von der Polizei eingekesselt. In der aufgeladenen Stimmung stürmten nach APA-Beobachtungen mehrere Dutzend in die Tiefgarage der Wiener Städtischen-Versicherung, laut Polizei wurde dabei ein Wachmann schwer verletzt.

Schwer verletzter Wachmann musste operiert werden

Der Wachmann wurde laut dem Unternehmen REIWAG Facility Services GmbH, bei dem er beschäftigt ist, "in Ausübung seines Dienstes zum Schutze der Einrichtungen der Wiener Städtischen" am Samstag schwer verletzt und musste operiert werden. Der Mann betreute die Wiener Städtische seit 2008. REIWAG-Geschäftsführer Viktor Wagner zeigte sich gegenüber der APA "tief bestürzt".

Polizei hätte laut FPÖ "Eskalation selbst herbeigeführt"

Die FPÖ hatte am Sonntag die Polizeiführung - namentlich Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) - für die "abendliche Eskalation gegen Besucher der gestrigen FPÖ-Kundgebung" verantwortlich gemacht. "Hunderte Menschen" seien "bewusst in eine Falle gelockt, eingekesselt und dort sogar mit Pfefferspray attackiert" worden, meinte FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Ametsbauer. Klubobmann Kickl erklärte, der "Innenminister und seine Parteifreunde in der Polizeiführung" hätten "die Eskalation am Abend selbst herbeigeführt, indem sie die Leute am heimgehen gehindert und in einen Kessel getrieben haben, um dort noch schnell möglichst viele Anzeigen für die Statistik zu produzieren".

Pürstl wies dies zurück und betonte die Notwendigkeit, die Identität der Teilnehmer festzustellen, da sich "in der Menge und aus der Menge heraus Straftaten ergeben haben". "Abgerundet" worden sei das durch jene Personen, die in ein Gebäude der Wiener Städtischen Versicherung eingedrungen waren und dabei zwei Personen verletzt hatten, eine davon schwer. Ebenfalls zurückgewiesen wurde von Pürstl, die Polizeiführung habe "auf höhere Weisung gehandelt".

Ob unter den Angezeigten - wie kolportiert - auch Kickl sowie die FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch und Martin Graf sind, konnte Pürstl nicht beantworten. Er könne "keine personenbezogenen Daten oder Namen nennen. "Aber: Wenn Personen des öffentlichen Lebens aufgefallen sind, die sich nicht an die Maßnahmen gehalten haben, dann gibt es auch eine Anzeige."

Hofer: "Gegen die pauschale Kriminalisierung"

FPÖ-Chef Hofer sprach sich am Montag in einer Aussendung "gegen die pauschale Kriminalisierung verzweifelter Menschen aus, die auf der Straße ihren Protest zeigen". Daran ändere auch "der besorgniserregende Zwischenfall" nach den Kundgebungen nichts, erklärte der FPÖ-Chef zum Eindringen der Demonstranten in das Gebäude. Diesen "Vorfall" gelte es nun detailliert aufzuklären. Hofer wünschte dem Betroffenen eine rasche und vollständige Genesung. Demonstranten seien offenbar "ohne Not" eingekesselt worden. Das rechtfertige zwar "keinesfalls tätliche Angriffe", die Umstände der Verletzung eines Wachmanns seien aber "noch genau zu ermitteln".

Der FPÖ-Chef begrüßte "ausdrücklich jede Form des friedlichen Protestes gegen die unverhältnismäßigen und verfassungswidrigen Corona-Maßnahmen von Türkis-Grün" und kritisierte einmal mehr, dass sich der Bundespräsident nicht zu Wort melde. Das Land werde gespalten, etwa in jene, die geimpft seien und jene, die es nicht seien. "Jene, die sich freiwillig impfen lassen, müssen sich doch nicht vor jenen fürchten, die ungeimpft sind", befand Hofer. "Und jene, die eine FFP2-Maske tragen, die angeblich vor Ansteckung schützt, müssen sich nicht vor jenen fürchten, die keine tragen."

Auch NEOS kritisieren Kickl

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagte am Rande einer Pressekonferenz am Montag, dass die NEOS gegen Demoverbote seien, denn das würde die Wut der Menschen nur noch mehr schüren und zur Eskalation führen. Gleichzeitig forderte sie Kickl auf, seine Worte zu mäßigen und abzurüsten.

Bürgermeister Ludwig verurteilt Szenen "auf das Schärfste"

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) verurteilte die Ausschreitungen am Montag "auf das Schärfste". Es sei der Wiener Polizei zu verdanken, dass noch Schlimmeres verhindert werden konnte, hob er in einer Mitteilung hervor: "Und doch sind die Bilder verstörend. Wir sehen Menschen, die sich an keinerlei gesetzliche Vorgaben betreffend des Schutzes vor Corona halten." Dass es bei den Demos auch zu rechtsextremen Aktivitäten bzw. auch Verstößen gegen das Verbotsgesetz gekommen sei, "ist inakzeptabel und muss vom Innenministerium vehement geahndet werden".

Einmal mehr zeige sich, dass Wien mehr Polizistinnen und Polizisten benötige, befand Ludwig: "Denn in unserer Stadt erledigen knapp über 20 Prozent des österreichweiten Personals mehr als 60 Prozent der sicherheitspolizeilichen Arbeit." Die Beamten sind in der Bundeshauptstadt besonders gefordert, da hier etwa internationale Organisationen ihren Sitz hätten. Auch Großveranstaltungen und Demos, zu denen Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet anreisen, würden vorwiegend in Wien stattfinden.

Grüne betroffen: "Einer Stadt Wien unwürdig"

Auch die Wiener Grünen zeigten sich betroffen. Die Ausschreitungen Rechtsradikaler und Corona-Leugner seien einer modernen, weltoffenen Millionenstadt wie Wien unwürdig", stellten die nicht amtsführende Stadträtin Judith Pühringer und ihr Stadtrats-Kollege Peter Kraus fest: "Wir alle sollten ein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben in Wien haben und fordern daher einen Allparteien-Gipfel. Die Ziele sind, konstruktive Lösungen zur Vermeidung von Gewalt und Verängstigung der Bevölkerung durch solche Aufmärsche zu erreichen."

Die Corona-Demos würden im Wochenrhythmus eskalieren, beklagten die Grünen. Es könne nicht sein, dass die Bevölkerung dazu aufgerufen werde, zuhause zu bleiben, weil sich auf Wiens Straßen Verschwörungsideologen und Rechtsextreme tummeln würden: "Diese rechtsextremen Auswüchse gehören lückenlos verfolgt."

(APA/Red)

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