Metaller-Verhandler Knill: Lieber Streik als ein zu hoher Abschluss

"Wir fürchten uns nicht vor einem Streik", sagte der KV-Chefverhandler der Arbeitgeber, Christian Knill, am Dienstag im Gespräch mit der APA. Vielen Unternehmen sei ein Streik lieber als ein zu hoher Abschluss. "Aber es ist natürlich für keinen lustig."
Nach dem Scheitern der sechsten Runde der KV-Verhandlungen der Metallindustrie am späten Montagabend haben die ersten Frühschichten am Dienstag mit eintägigen Streiks begonnen, die in den nächsten Tagen in rund 200 Betrieben fortgesetzt werden sollen. Die Streiks würden nichts an den wirtschaftlichen Tatsachen ändern, sagte Knill. "Es ist eine Protestaktion, bei der vielleicht jeder seinen Frust ein bisschen los wird - aber ein Ergebnis werden wir trotzdem nur am Verhandlungstisch erreichen können." Die Arbeitgeber stünden jederzeit zu weiteren Gesprächen bereit, "wir könnten auch sofort wieder weiterverhandeln".
Peraus (ORF) zu den Metaller-Streiks:
Forderung für Knill "willkürlich"
Im Wesentlichen spießt es sich daran, dass die Gewerkschaften Lohnerhöhungen um die "rollierende Inflation" plus 2 Prozent fordern - also eine Abgeltung für die Inflation für einen gleitenden Zeitraum von zwölf Monaten und einen Zuschlag. Diese 2 Prozent seien "willkürlich", meint Knill. Die Arbeitnehmer hätten am Anfang der Gespräche immer wieder die "Benya-Formel" ins Treffen geführt, die für Lohnerhöhungen die Abgeltung der Inflation plus einen Anteil am Zuwachs der Produktivität vorsieht. "Die gesamtwirtschaftliche Produktivität ist aber mit 1,3 Prozent negativ", so der Obmann des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI) zur APA. "Deshalb sollte nach der Benya-Formel weniger herauskommen als die rollierende Inflation von 9,6 Prozent."
Verschlechterte Auftragslage
Die Auftragslage der Unternehmen habe sich seit Herbst 2022 verschlechtert, sagte Knill. Im ersten Halbjahr 2023 seien die Aufträge um 18 Prozent zurückgegangen. Angesichts dieser schwierigen wirtschaftlichen Situation könnten die Unternehmen den Kaufkraftverlust nicht allein schultern, "das bricht uns das Genick, das können wir einfach nicht". 90 Prozent der rund 1.200 Unternehmen seien kleine und mittlere Unternehmen. "Das sind nicht die großen Unternehmen, die Dividenden ausschütten und die Arbeitnehmer ausbeuten."
Knill bezifferte die Personalkosten seiner Branche mit 10 Mrd. Euro, ein Prozent Erhöhung koste also 100 Mio. Euro. "Unser Angebot - die 6 Prozent nachhaltig plus die Einmalzahlung - sind im Schnitt rund 8,2 Prozent. Das bedeutet hochgerechnet 820 Millionen Mehrkosten."
Knill: "Aufpassen, was sie machen"
Knill appellierte an die Streikenden, "dass sie aufpassen, was sie machen". Es sei beim Streik nicht alles erlaubt: "Streik ist eine Arbeitsniederlegung, aber nicht eine Blockade oder Behinderung von Arbeitsabläufen." Wenn es zu Abmeldungen von streikenden Mitarbeitern kommen sollte, dann würde das nicht den Verlust der Versicherung bedeuten. Das Entgelt für die Streiktage werde am Monatsende vom Lohn abgezogen.
Poschner (ORF) zu den Metaller-Streiks:
Derzeit beträgt der monatliche KV-Mindestlohn in der Branche 2.230 Euro brutto. Der Durchschnittslohn bei Arbeitern beträgt nach Angaben der Arbeitgeber 3.670 Euro, das Durchschnittsgehalt bei Angestellten 5.100 Euro.
Wifo-Experte: Streiks für Arbeitgeber verkraftbar
Wifo-Experte Benjamin Bittschi rechnet aufgrund der seit Dienstagfrüh laufenden Streiks in der Metallindustrie vorerst nicht mit gewichtigen Einbußen für die Arbeitgeber. "Gerade durch die Rezession und eine gewisse Nachfrageschwäche ist es tendenziell so, dass es für die Arbeitgeber ein günstiger Moment für Streiks ist", sagte der Ökonom im Gespräch mit der APA. In der Produktion seien die Ausfälle dadurch geringer als dies in einer Phase der Hochkonjunktur der Fall wäre.
Anders gestalte sich die Lage allerdings, sollten die Streiks ausgeweitet werden. "Das wird sicher spürbar sein", so Bittschi. Aus Sicht des Ökonomen bleibt es daher abzuwarten, welche Dimensionen die Arbeitsniederlegungen noch annehmen werden. Der Arbeitnehmerverhandler der Gewerkschaft PRO-GE, Reinhold Binder, hatte zuvor eine etappenweise Ausweitung der Streiks in Aussicht gestellt, sollten sich die Arbeitgeber nicht weiter auf die Arbeitnehmer zubewegen.
(APA)