Meinl-Reisinger zu ESC-Boykott: "Ausschluss lindert keine Krise"

Irland, Slowenien, Spanien, Niederlande, Island und Belgien haben angekündigt oder erwägen, den 2026 in Wien stattfindenden ESC bei Teilnahme Israels zu boykottieren. Dieser Schritt würde "die Möglichkeiten für einen wichtigen Dialog zwischen Künstlern und der Bevölkerung verunmöglichen - ohne die Lage vor Ort in Israel und Gaza zu verbessern", heißt es in einem Brief, den Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) nun an ihre Amtskollegen dieser Länder verschickt hat.
Meinl-Reisinger appelliert: ESC-Boykott würde Krise nicht lindern
Als Außenministerin des Gastgeberlandes sei sie "zutiefst besorgt über die Gefahr einer Spaltung zwischen den Mitgliedern der Europäischen Rundfunkunion in dieser Frage", schrieb Meinl-Reisinger. Politische Entwicklungen, insbesondere solche, die mit Konflikten und humanitärem Leid einhergehen, dürften nicht ignoriert werden. Sie sei jedoch der festen Überzeugung, "dass der Eurovision Song Contest im Besonderen - und Kunst im Allgemeinen - sich nicht für Sanktionen eignen", so die Außenministerin. Solche Debatten würden in etablierte politische Foren gehören.
Ein Ausschluss Israels vom Eurovision Song Contest oder ein Boykott der Veranstaltung würde weder die humanitäre Krise in Gaza lindern noch zu einer nachhaltigen politischen Lösung beitragen, heißt es in dem Schreiben weiter. Und: "Unsere Bemühungen sollten sich stattdessen darauf konzentrieren, die Achtung des Völkerrechts zu gewährleisten und gemeinsam auf einen dauerhaften Frieden hinzuarbeiten."
Song Contest als Symbol für Frieden und Einheit
Österreich sei stolz, den Eurovision Song Contest 2026 in Wien auszurichten: "Über die letzten Jahrzehnte hat sich der Eurovision Song Contest zu weit mehr als nur einem Musikwettbewerb entwickelt: Er ist ein Symbol für Frieden, Einheit und kulturellen Austausch." Die Geschichte habe gezeigt, dass Kunst und Kultur als Katalysatoren für Dialog, gegenseitiges Verständnis und sogar Versöhnung dienen können, betonte Meinl-Reisinger in dem Brief. Sie sei zuversichtlich, "dass eine ausgewogene Lösung gefunden werden kann".
Deutscher Kulturstaatsminister: ESC kein Tribunal
Der Kulturstaatsminister Wolfram Weimer hat unterdessen den von einigen Ländern angedrohten Boykott kritisiert. Das sei "Cancel Culture". Der ESC sei gegründet worden, um Länder zusammenzubringen, sagte Weimer am Samstag. "Wer heute Israel ausschließt, stellt diesen Grundgedanken auf den Kopf und macht aus einem Fest der Verständigung ein Tribunal." Dabei sei die Idee des ESC, Künstlerinnen und Künstler nach ihrer Kunst, nicht nach ihrer Nationalität zu beurteilen, betonte er. "Gerade, weil der ESC aus den Trümmern des Krieges geboren wurde, darf er nicht zu einer Bühne der Ausgrenzung verkommen."
Ausschlüsse vom Wettbewerb aus politischen Gründen hatte es beim ESC allerdings in der Vergangenheit wiederholt gegeben. So darf Russland wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht mehr teilnehmen. In den 1990er-Jahren traf es etwa Serbien.
Moskauer Gegenveranstaltung zum ESC
Eine russische Gegenveranstaltung zum ESC begann am Samstag in Moskau mit einer Botschaft von Präsident Wladimir Putin. Für alle Länder gehe es um eine freie Entwicklung, um eine Bewahrung ihrer Identität, sagte der Kremlchef. "Gerade die Achtung vor traditionellen Werten, zur Vielfalt der Kulturen ist die grundlegende Idee des Wettbewerbs und inspiriert die Teilnehmer, künstlerische Höhen zu erreichen." Es werde "keine Perversionen und Verhöhnungen der menschlichen Natur" geben, sagte Außenminister Sergej Lawrow mit Blick auf den liberalen und queer-freundlichen ESC.
Das musikalische Wetteifern mit 23 Ländern findet nach Angaben der Organisatoren vor etwa 11.000 Zuschauern in der Moskauer Konzerthalle Live Arena statt. Russlands staatlicher Erster Kanal überträgt die etwa dreieinhalbstündige Show. Über den Siegersong soll eine aus den Teilnehmerländern zusammengesetzte internationale Jury entscheiden.
Zu den Teilnehmerländern zählen frühere Sowjetrepubliken wie Belarus, Kasachstan oder Usbekistan, aber auch mit Russland befreundete Länder in der Staatengruppe BRICS wie China, Indien, Brasilien und Südafrika.
(APA/Red)