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Medikation bei psychischen Erkrankungen

Ein Schuss vor den Bug für auf kurzfristige Einsparungen bei Arzneimitteln bedachte Anhänger von Aut idem-Regelungen.

In einem gemeinschaftlich erstellen Statement sprechen sich die führenden Fachleute Österreichs für einen sehr restriktiven Ersatz von Originalpräparaten durch Generika in der Behandlung psychiatrischer Erkrankungen aus. Das könne die Therapietreue der Kranken verringern und zu horrenden Folgekosten führen, erklärten Fachleute am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien.

Es stellt sich – theoretisch – ja einfach dar: Der Patient mit einer Schizophrenie oder einer schweren Depression kommt aus dem Krankenhaus – und schnell fühlt sicher der weiterbehandelnde Allgemeinmediziner im Sinne des Sparens dazu verpflichtet, die verschriebenen Originalpräparate (Antipsychotika oder Antidepressiva) durch billigere Generika zu ersetzen.

Die Folgen allerdings können verheerend sein. Gerade psychisch Kranke werden durch neue Medikamente verunsichert, die Therapietreue kann leiden. Die mögliche Folge: keine Behandlung, eventuell sogar die teure Wiederaufnahme im Spital. Martina Anditsch, Krankenhausapothekerin am SMZ-Ost in Wien: “Die Neuaufnahme eines Patienten mit Schizophrenie nach einem Relapse (Rückfall, Anm.) kann 20.000 Euro kosten.” Aber dafür war das Nachahmepräparat vorher vielleicht um ein paar Euro pro Packung billiger. Die Spitalskosten fallen vor allem dem Krankenhauserhalter auf den Kopf.

Offenbar findet das Umstellen von Patienten von der Krankenhausmedikation auf etwas billigere Generika auch bei psychisch Kranken häufig statt. Susanne Lentner, Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Neuropsychopharmakologie und Biologische Psychiatrie (ÖGPB): “Die Hausärzte stellen oft prinzipiell um.” Zum Teil könnten sie aufgrund des Druckes der Krankenkassen auch nicht anders agieren.

Unter der Ägide der ÖGPB wurde deshalb ein Konsensus-Statement der österreichischen Experten erarbeitet. Die Grundprinzipien:

– Prinzipiell ist die Einstellung eines Patienten mit neu diagnostizierter psychiatrischer Erkrankung auf ein Nachahmepräparat möglich.

– Umstellungen von einem Original- auf ein Nachahmepräparat müssen unter fachärztlicher oder ärztlicher Kontrolle geschehen und sollten sehr vorsichtig vorgenommen werden. Es handelt sich dabei praktisch jeweils um eine Neueinstellung auf ein Medikament.

– Eine weitergehende Substitution im Rahmen von “Auto idem” – der Arzt verschreibt eine Substanz, der Apotheker wählt jeweils unter den billigsten Generika aus – wird abgelehnt.

Die Neurologen haben bereits längst den schnellen Austausch angeblich gleichwertiger Medikamente bei Epilepsie abgelehnt. Siegfried Kasper, Abteilungsleiter an der psychiatrischen Universitätsklinik in Wien: “Der Epileptiker fällt sichtbar um. Den Anfall, den er erleidet, sieht man. Aber auch Menschen mit psychiatrischen Erkrankungen sind Hochrisiko-Patienten.”

Sollte der Arzt gegen den Stand des Wissens durch Krankenkassenregelungen gezwungen sein, nicht die optimale Therapie verschreiben zu können, muss er den Patienten darüber informieren, betonte der Wiener Rechtsexperte Helmut Ofner. Das Problem: Psychisch Kranke sind oft an sich schon benachteiligt und können sich oft nicht so leicht “auf die Füße” stellen und ihre Interessen durchsetzen.

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