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"Leichen liegen auf der Straße": Katastrophale Lage für Bewohner von Mariupol

Die Lage der Bewohner der ukrainischen Hafenstadt Mariupol wird immer schlimmer.
Die Lage der Bewohner der ukrainischen Hafenstadt Mariupol wird immer schlimmer. ©AP Photo/Evgeniy Maloletka
Kein Wasser, Gas, Strom und kaum mehr Lebensmittel: Die Lage in der von russischen Truppen eingekesselten Stadt Mariupol in der Ukraine ist katastrophal. Betroffene berichten von der Lage vor Ort, die sich immer weiter zuspitzt.
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Es gibt kein Wasser, kein Gas, keinen Strom und fast nichts mehr zu essen in Mariupol. Und auch kaum noch Handy-Empfang. Verzweifelt versuchen Angehörige, ihre Verwandten in der von russischen Truppen eingekesselten Stadt zu erreichen. Bei Julia hat es am Freitag endlich geklappt, sie weiß jetzt: ihre Schwiegermutter lebt.

Berichte von Angriffen auf Mariupol und Leichen auf den Straßen

Um telefonieren zu können, sei die Mutter ihres Mannes zu einem Turm weit weg von ihrem Haus gegangen, sagt Julia. "Das war sehr gefährlich, dorthin zu gelangen." Die Schwiegermutter berichtete von den unablässigen Angriffen und von vielen Toten. "Es gibt viele Leichen auf der Straße und niemand begräbt sie. Sie liegen dort tagelang. Manchmal werden sie eingesammelt und in einem großen Grab verscharrt", sagt Julia.

Bewohnerin konnte rechtzeitig flüchten: "Dachten, das wäre unser Ende"

Die 29-Jährige arbeitete bis vor Kurzem als Lehrerin in Mariupol. Sie und ihr Mann gehören zu den wenigen Einwohnern, denen die Flucht vorbei an russischen Kontrollposten gelang. Das war am 3. März. "Auf der Straße sahen wir ausgebrannte Autos, einige lagen umgestürzt am Straßenrand", berichtet sie. "Zwei Kilometer vor Mariupol sahen wir Russen, deren militärische Ausrüstung mit dem Buchstaben 'Z' gekennzeichnet war. Wir dachten, das wäre unser Ende, dass sie uns töten würden."

Mariupol seit Tagen unter russischem Beschuss

Die für den Kreml strategisch wichtige Stadt am Asowschen Meer wird seit zehn Tagen ununterbrochen mit Artilleriegranaten und Raketen beschossen, wie der Stadtrat Petro Andriuschtschenko berichtet. Die Militärverwaltung schätzt, dass mindestens 1.200 Menschen getötet wurden. Unter den Trümmern werden allerdings noch viel mehr Tote befürchtet.

Mehrere Evakuierungsversuche gescheitert

Mehrere Versuche scheiterten, einen Fluchtkorridor für die Zivilbevölkerung und zur Versorgung mit Hilfsgütern einzurichten. Die Ukraine wirft Russland vor, die dafür vereinbarte Waffenruhe zu brechen. Am Mittwoch sorgte der Angriff auf eine Kinder- und Geburtsklinik in der Stadt international für Entsetzen.

"Es ist unmöglich, auch nur aus dem Haus zu kommen"

Auch Jana Karban versucht verzweifelt, ihre Eltern in Mariupol zu erreichen. Ihr selbst gelang am zweiten Tag des Krieges die Flucht von Kiew über Polen nach Zürich, doch ihr Vater und ihre Mutter müssen in der belagerten Stadt ausharren. Am 2. März hat die 30-Jährige zuletzt direkt mit ihnen gesprochen. Das jüngste Lebenszeichen erreichte Karban über Nachbarn und deren Tochter, die ihr eine Nachricht ihrer Eltern weiterleiteten.

"Es ist eine totale Katastrophe in dem Gebäude. Sie wurden gerade beschossen und acht Wohnungen standen in Flammen", fasst Karban die Botschaft zusammen. "Meine Eltern wollen die Stadt verlassen, aber es ist unmöglich, da sie überall beschossen werden, es ist unmöglich, auch nur aus dem Haus zu kommen."

Kriegsflüchtling in Angst um zurückgebliebene Eltern

In Kiew arbeitete Karban als PR-Managerin für einen Technologiekonzern. In Zürich macht sie den ganzen Tag fast nichts anderes, als nach Informationen aus Mariupol zu suchen - Berichten und Fotos über Angriffe und Opfer. Die Angst um ihre Eltern macht Karban krank, sie versucht sie mit Tabletten zu bekämpfen.

"Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal ein Kriegsflüchtling sein würde. Ich konnte nicht einmal in Polen bleiben, weil ich immer unsere Flagge wehen sah und nicht aufhören konnte zu weinen", sagt Karban. "Es ist mehr als schrecklich, dein Gehirn kann das Geschehen emotional einfach nicht verarbeiten. Aber wen kümmert schon die psychische Gesundheit, ich will nur, dass meine Eltern am Leben bleiben."

(APA/Red)

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