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Kleine Buben, die brutal zuschlagen

Das sind bedrückende Bilder: Kinder, die den ganzen Tag allein sind. Immer jüngere Buben, die brutal zuschlagen. Frustriert, beziehungslos. Versagen Familien total?

Wo sind die Väter? Versagen Familien total? Beinah sieht es so aus.
Wenn die Kirchen am „gesellschaftspolitischen Stammtisch“ Gewalt unter Buben zum Thema machen, kommen 40 Zuhörer ins Dornbirner
Kolpinghaus. „Nur leider die Falschen“, wird Dr. Martin Hagen später sagen. „Ihr habt’s es eh schon kapiert.“

Nimmt Gewalt zu?

Was denn? Dass die Gewalt zunimmt? Ein Volksschullehrer weiß von Erstklässlern, die ihre Lehrerin bedrohen. Dr. Reinhard Maier (Diözese) bemüht die Geschichte vom 16-Jährigen, der in einem Jahr 100 Mal klauen ging.

Aber häuft sich Gewalt tatsächlich? Da wischt Martin Hagen von der Offenen Jugendarbeit Dornbirn drei Studien vom Tisch: „Ja“, sagt die eine, „nein“ die andere, „weiß nicht“ die dritte.

Er hat bei den Dornbirner Stadtpolizisten nachgefragt. Die kennen nur einen Trend: „Gewalt wird jünger.“ Gar nicht so wenige Kids tragen „Pfefferspray und Schlagwaffen“ bei sich. Und „sie schlagen immer brutaler zu“, hat Peter Schneider vom Vorarlberger Kinderdorf beobachtet. Mädchen sind da anders.

„Mädchen sind selbstbewusster und fleißiger, Buben beziehungsgestört, lungern herum und prügeln sich.“ Natürlich überzeichnet Maier das Bild. Aber den Kern trifft es doch. Warum ist das so?

Allein gelassen

Weil die Kinder allein gelassen werden: Martin Hagen erzählt von dem Zwölfjährigen, der nachts nicht nach Hause will, „weil dort eh niemand“ auf ihn wartet. „Massig viele Kinder“ sind es, die vor der Glotze verblöden. Die zwar keinen Schimmer haben, wie ihr Vater wirklich ist, aber im Fernsehen lernen, dass Männer unglaublich cool ganze Armeen niedermetzeln.

Weil ihre Lage oft aussichtslos ist: „Der Hauptschulabgänger, dritte Leistungsstufe, bricht nach dem zehnten Rausschmiss die Lehrstellensuche ab.“ Wer unentwegt als „Scheißtürk“ abgelehnt wird, verliert irgendwann die Geduld, wer laufend angezeigt wird, das Vertrauen. Anzeigen gegen Jugendliche „sind in den letzten Jahren so gestiegen, wie die Sozialkompetenz der Gesellschaft sinkt“, sagt Hagen.


Und die Lösung? Hagen wünscht sich, „dass die Väter mehr Zeit finden für ihre Buben“. Und dass Burschen „das Mitfühlen mit anderen vermittelt wird“, ergänzt Schneider.

„Besser als gar keine“

Neu ist das nicht. Aber aktueller denn je. „Dürfen Vater und Mutter überhaupt noch allein zuständig sein für die Erziehung?“, fragt ein Zuhörer. Geht das denn? Und Hagen sagt: „Genau das ist das Problem. Die Erziehung durch eine Einrichtung ist immer noch besser als gar keine.“

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