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Kern entsetzt über kolportierte ÖVP-Verwicklung - Kurz-Sprecher legt Gedächtnisprotokoll offen

Kanzler Kern äußert sich entsetzt über die kolportierte ÖVP-Verwicklung
Kanzler Kern äußert sich entsetzt über die kolportierte ÖVP-Verwicklung ©APA/GEORG HOCHMUTH
Empört reagiert Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern auf die Aussagen des Tal Silberstein-Mitarbeiters Peter Puller, wonach die ÖVP Puller 100.000 Euro geboten haben soll, um die Seiten zu wechseln und Details der SPÖ-Kampagne zu verraten. "Naturgemäß bin ich wirklich entsetzt über diese Nachricht," so Kern. Sebastian Kurz' Sprecher veröffentlichte dazu am Freitag ein Gedächtnisprotokoll über ein Gespräch mit Puller.

“Man muss das jetzt in Ruhe anschauen, was da dran ist, ob sich das erhärtet”, sagte Kern im Ö1-“Morgenjournal”. “Wir haben die Erfahrung gemacht, dass offensichtlich unser Kampagne verkauft worden ist, wir seit Monaten erleben, dass Unterlagen aus vertraulichen Gremien in den Zeitungen landen. Wir haben uns schon seit längerem unseren Reim drauf gemacht. Wir werden sehen, ob das jetzt des Rätsels Lösung ist”, sagte Kern. Was da rund um die Spezialeinheit des ehemaligen SPÖ-Beraters Silberstein gelaufen sei, könne er nicht im Detail erklären. “Ich bin kein Detektiv, ich führe das Land, das werde ich auch weitermachen. Dass Informationen zum politischen Gegner geflossen sind, steht völlig außer streit”, meinte Kern.

NR-Wahl: Aussage gegen Aussage in Facebook-Affäre

Der Pressesprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz weist Vorwürfe des Tal Silberstein-Kompagnons Peter Puller zurück, wonach er diesem für einen Wechsel in die ÖVP sowie Details zur SPÖ-Kampagne 100.000 Euro geboten haben soll. Kurz’ Sprecher veröffentlichte dazu am Freitag ein Gedächtnisprotokoll über ein Gespräch mit Puller. Der Silberstein-Mitarbeiter erneuerte indes seine Vorwürfe.

Es habe ein “ganz konkretes Angebot vom Pressesprecher des Sebastian Kurz an meine Person” gegeben habe, meinte der Politikberater und PR-Experte, der im Auftrag des SPÖ-Beraters Tal Silberstein die manipulierten Facebookseiten gegen ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz organisiert und produziert hat, im Ö1-“Morgenjournal”. “100.000 Euro, dass ich zur ÖVP wechsle und Informationen über die SPÖ preisgebe”, so das Offert laut Puller. Er habe gesagt, er könne das nicht tun, er arbeite nicht für die SPÖ. “Mein Auftraggeber war immer Tal Silberstein.”

Silberstein-Mitarbeiter Puller will Geldangebot der ÖVP mit SMS belegen können

Puller will die Vorwürfe auch belegen können. “Ich kann es belegen mit einer SMS-Konversation mit besagtem Pressesprecher, wo es auch ganz konkret um ein finanzielles Angebot ging beziehungsweise auch um ein zweites Treffen, das dann auch stattgefunden hat.” In dem SMS steht laut Puller “keine Summe drinnen, es ist tituliert als Honorarangebot für PR”. Die Arbeit an den Facebookseiten versuchte Puller herunterzuspielen. “Wir haben geschaut, wie funktionieren Botschaften, wie ticken die Wähler von Sebastian Kurz.” Puller sprach von einem “Testlabor”. Alles sei im Auftrag Silbersteins erfolgt, auch nach dem Rauswurf des Beraters bei der SPÖ. Dass dabei teils rassistische und antisemitische Botschaften verbreitet würden, will Puller “nicht skrupellos nennen, das war ein professionelles Marktforschungsprojekt, das auch international bereits üblich ist”.

Der Pressesprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz hat unterdessen am Freitag ein Gedächtnisprotokoll über das Gespräch mit Puller veröffentlicht. Erste Silberstein-Aktivitäten wurden demnach durch einen “Presse”-Bericht im Jänner des Jahres bekannt. Die Zeitung hatte damals berichtet, dass Silberstein im Auftrag der SPÖ Dirty Campaigning gegen Kurz betreibe und ein seinem privaten Umfeld herumschnüffeln lasse.

Aus dem Gedächtnisprotokoll über ein Gespräch mit Puller

“Im folgenden Halbjahr wurden Informationen an mich heran getragen, dass Tal Silberstein an besonders schmutzigen Attacken gegen Sebastian Kurz arbeiten würde. So sollte etwa eine Künstlerin für eine falsche Anschuldigung über Sebastian Kurz in einem ausländischen Medium bezahlt werden. Darüber hinaus meldeten sich nach und nach aktive und ehemalige Kabinettsmitarbeiter aus dem Umfeld der ÖVP, die Puller von früher kannten, dass Puller sie kontaktiert hätte. Die Treffen seien merkwürdig verlaufen, die Personen berichteten über auffälliges Nachfragen und Aushorchen. Zudem gab es das Gerücht, dass Silberstein für rund 100.000 Euro von der SPÖ für Dirty Campaigning gegen Kurz bezahlt würde, eine Summe die erst vor wenigen Tagen von Silberstein selbst in einem News-Interview bestätigt wurde”, schreibt der Kurz-Sprecher.

“Da bekannt war, dass Puller bereits 2015 mit Silberstein für die Neos in einer Kampagne gearbeitet hatte, lag der Verdacht nahe, er könnte auch jetzt mit Silberstein zusammenarbeiten und gegen Sebastian Kurz arbeiten. Ich nahm daher auf eigene Initiative Kontakt auf, um ihn zur Rede zu stellen. In einem Treffen Mitte Juli konfrontierte ich Puller mit dem Vorwurf, er würde für Silberstein arbeiten”, so der Kurz-Mitarbeiter.

“Habe alles versucht, um die Wahrheit ans Licht zu bringen”

“Es ging darum, meinen Chef vor schmutzigen und erfundenen Geschichten zu schützen. Ich habe in diesem Gespräch mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln alles versucht, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Ich habe es freundlich versucht und ihn an unsere gemeinsame Zeit erinnert, als wir eng zusammen gearbeitet haben. Ich habe ihm gesagt, dass wir ihn klagen werden und wir dahinter kommen werden. Ich habe versucht, an seine Integrität zu appellieren und ihn gebeten, es einfach zuzugeben, damit wir Gras über die Sache wachsen lassen. Ich habe alles versucht, um meinen Chef vor der Kampagne, die seit Monaten gegen ihn gefahren wurde, zu schützen. Ja, ich wollte das aufdecken, was hier seit Monaten vor sich ging. Ja, ich wollte in diesem Gespräch, dass ans Tageslicht kommt, wie hier gegen meinen Chef vorgegangen wird. Ja, ich wollte in diesem Gespräch Puller überreden doch wieder für uns aktiv zu sein und nicht gegen uns. Nein, ich habe ihm nie 100.000 Euro geboten, sondern ihn lediglich mit der Tatsache und einer handschriftlichen Notiz von mir konfrontiert, dass ich glaubhafte Informationen hatte, dass er für die SPÖ arbeitet und über Tal Silberstein unseres Wissens dafür eine Summe von bis zu 100.000 Euro erhält. Puller stritt allerdings eine Tätigkeit für die SPÖ und Silberstein mit Vehemenz ab. Er sagte, er arbeite politisch einzig für die Wiener NEOS und sonst für keine Partei. Er kenne zwar Tal Silberstein und dessen Mitarbeiter, stehe mit ihm aber in keinem beruflichen Verhältnis. Ich habe ihm das geglaubt. Puller bestätigte jetzt auch in der ZiB2 und im Ö1-Morgenjournal, dass er mir damals die Unwahrheit gesagt hat.”

Puller machte ein aktives Angebot zum Umhören über Kurz

Puller habe aktiv angeboten, sich umzuhören, ob schmutzige Geschichten gegen Sebastian Kurz geplant seien, wenn er etwas höre, würde er sich melden. “Nachdem ich ihm fälschlicherweise am Ende des Gesprächs geglaubt hatte, dass er nicht für die SPÖ oder Silberstein arbeitet, ging es darum, dass man künftig nach seinem Engagement bei den NEOS vielleicht wieder einmal zusammen arbeiten könne. Es wurde vereinbart, über mögliche Kooperationen in Kontakt zu bleiben.” Im August fand ein weiteres Treffen statt, wo er eine Zusammenarbeit konkretisieren wollte. Dort behauptete Puller erneut, nicht für die SPÖ und für Silberstein tätig zu sein. Auf Nachfrage, ob er etwas gehört habe in Sachen Dirty Campaigning gegen Kurz, antwortete er, dass er nichts wisse. Fälschlicherweise habe ich ihm auch das geglaubt. Der größte Teil des weiteren Gesprächs befasste sich folglich mit den aktuellen politischen Themen und seiner Agentur-Tätigkeit. Dass es im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die SPÖ kein Angebot gab, ergibt sich schon allein aus der Tatsache, dass er mich in Bezug darauf bis zum Schluss angelogen hat. Das nächste Mal hörte ich von Peter Puller aus den Medien, als der Facebook-Skandal aufgedeckt wurde. Jetzt, fast eine Woche später, kommen die haltlosen Anschuldigungen.”

Der Pressesprecher von Kurz bezeichnete die jüngste Wendung als “völlige Verdrehung der Tatsachen, der Gipfel von Dirty Campaigning und ich werde mich rechtlich zur Wehr setzen. Wir haben immer davor gewarnt, dass haltlose Anschuldigungen kommen. Jetzt sind sie da.”

NR-Wahl: “profil” zeigt SMS – “Können über Honorar für PR reden”

Das Nachrichtenmagazin “profil” hat am Freitag die SMS-Korrespondenz zwischen Tal Silberstein-Kompagnon Peter Puller und dem Pressesprecher von ÖVP-Chef Sebastian Kurz veröffentlicht. Diese soll laut Puller belegen, dass die ÖVP ihm 100.000 Euro geboten haben soll, um die Seiten zu wechseln und Details der SPÖ-Kampagne zu verraten. “Können über Honorar für PR reden”, heißt es in der SMS. Puller behauptet, dass der persönliche Pressereferent von Außenminister Kurz versucht habe, sich in das Kampagnenteam des SPÖ-Beraters Silberstein einzukaufen. Die ÖVP und der Pressesprecher von Kurz dementieren diese Vorwürfe und haben am Freitag rechtliche Schritte gegen SPÖ und Puller angekündigt.

Im “profil” gab Puller nun weitere Details preis. Er habe demnach den Kurz-Sprecher am 17. Juli in dessen Büro im Außenministerium besucht. Die Initiative sei vom Kurz-Sprecher ausgegangen. Im Verlauf des Vieraugengesprächs soll dieser zunächst auf das Ausschalten des Handys bestanden haben, ehe er laut Puller auf einem Zettel sinngemäß notierte: “Wir wissen, dass du für die Sozis arbeitest. Wir bieten dir bis zu 100k, wenn du wechselst.” Es sei klar gewesen, dass es um Infos aus der SPÖ-Kampagne gehe, so Puller. Er hab entgegnet, dass er diese Informationen nicht liefern könne.

Laut Puller wollte sich ÖVP in Kampagnenteam von SPÖ-Berater Silberstein einkaufen

Einige Zeit später soll per SMS ein weiteres Treffen vereinbart worden sein. “Schlage vor wir treffen uns in erster Augustwoche, vielleicht weißt Du da schon was und wir können gleich über Honorar für PR reden, lg”, heißt es in einem SMS des Pressesprechers, das “profil” im Faksimile zeigt. Dieser bestätigte zwar am Freitag in einem Gedächtnisprotokoll das Treffen mit Puller sowie die SMS, warf dem Silberstein-Mitarbeiter aber eine Verdrehung der Tatsachen vor. Er habe Puller mit Gerüchten konfrontiert, wonach dieser von Silberstein 100.000 Euro für Dirty Campaigning gegen Kurz erhalten habe. Nachdem Puller glaubhaft versichert hatte, weder mit Silberstein noch der SPÖ etwas zu tun zu haben, habe man danach über mögliche PR-Aufträge gesprochen.

Am 17. Juli, dem Tag des Treffens zwischen Puller und dem Kurz-Pressesprecher, soll übrigens auch ein PR-Dienstleistungsvertrag Pullers für Efgani Dönmez’ Plattform “Stop Extremism” in Höhe von 180.000 Euro unterzeichnet worden sein soll. Darauf hatte zuletzt SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter hingewiesen. Dönmez kandidiert bei der Nationalratswahl auf Platz 5 der ÖVP-Liste. Die Gesellschaft für Politikanalyse (ÖGP), die das von Dönmez initiierte Projekt unterstützt, dementierte aber derart hohe Zahlung. “Tatsächlich wurden seitens der ÖGP lediglich 1.906,17 Euro aus Fremdaufwänden ersetzt und Herrn Puller für diese 8 Wochen kein Beratungshonorar bezahlt. Das bedeutet, dass der von der SPÖ kolportierte Vorwurf, dass 180.000 Euro an Herrn Puller geflossen seien, unwahr ist”, teilten die ÖGP-Anwälte mit.

Auch ÖVP NÖ will Aufklärung zu Silberstein-Kooperation mit SPÖ NÖ

Die niederösterreichische ÖVP sieht “Ungereimtheiten” im Fall der Beratung der SPÖ-Niederösterreich durch Tal Silberstein. “Zuerst wurde alles abgestritten, dann wurde versucht abzulenken. Jetzt wissen wir: Die SPÖ NÖ Führung hat uns alle getäuscht”, sagte ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner in einer Aussendung. Er erinnerte an zehn Fragen, die er am Mittwoch an die SPÖ gerichtet hatte.St. Pölten/Wien. 40.000 Euro entfallen 2017 auf Beratungstätigkeiten von Silbersteins Agentur GCS für die SPÖ Niederösterreich – der Aussendung zufolge unter dem Titel “lower austria project”. Die niederösterreichische SPÖ hatte am Mittwoch erklärt, dass Silberstein als Mitarbeiter von Stanley Greenberg die Partei in den Wahlkämpfen 2003 und 2008 strategisch beraten habe. Zugleich schloss die Partei jede Zusammenarbeit mit Silberstein seit 2013 aus.

Am Donnerstag mussten die SPÖ-Verantwortlichen dann zurückrudern. Nach der Offenlegung der Zahlungen an Silberstein durch die Bundes-SPÖ räumte Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller unter anderem Beratungsleistungen Silbersteins für ein Vorstellungsvideo des neuen Landesparteivorsitzenden Franz Schnabl ein. Gleichzeitig betonte er, dass die Landespartei keinen Vertrag mit Silberstein gehabt habe.

Kogler kritisiert SPÖ und ÖVP – für U-Ausschuss

Die Grünen können sich die Aufarbeitung der Vorwürfe gegen SPÖ und ÖVP in der Causa Silberstein durch einen Untersuchungsausschuss vorstellen. Vizeklubchef Werner Kogler verwies in einer Pressekonferenz darauf, dass offenbar auch Mitarbeiter von Ministerkabinetten in die Causa verwickelt seien. Den Wählern empfahl Kogler die Grünen als saubere Alternative.”Wir verstehen alle, die angewidert sind und sich abwenden wollen”, sagte Kogler aber: “Es gibt uns auch schon seit 30 Jahren, aber diese Dinge kommen bei uns so gut wie nie vor.” Bei SPÖ und ÖVP wundere ihn das nicht, “und bei der FPÖ ist das ‘dirty’ sowieso in den Genen, wenn es ums Campaigning geht”, meinte Kogler. Bei den Grünen sei man daher “auf der sicheren, sauberen Seite”.

Dass ein allfälliger Silberstein-Untersuchungsausschuss die eigentlich zugesagte Fortsetzung des Eurofighter-Ausschusses verhindern könnte, befürchtet Kogler nicht. Das sei letztlich Verhandlungssache zwischen den Fraktionen. Denn mit einem Mehrheitsbeschluss könne der Nationalrat jederzeit einen weiteren U-Ausschuss auch dann einsetzen, wenn bereits ein von der Minderheit eingesetzter Ausschuss laufe.

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(apa/red)

 

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